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Spätsommer und Herbst sind die Zeit der Alpabzüge – in den Köpfen der Städter eine romantische Angelegenheit voller Folklore, lustiger Sennen und Blumenkränze. In der Realität ist es für die meisten Bauern jedoch ein harter Arbeitstag. Und an diesem müssen sie sich übelste Beschimpfungen von Autofahrern gefallen lassen. watson-Userin und Bauerntochter Loredana Vetter aus dem Thurgau ist entsetzt – ein offener Brief.
Liebe watson-User
Ich hätte da ein Anliegen.
Meine Eltern bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Betrieb im Thurgau. Sie betreiben Ackerbau und ziehen für andere Bauern Rinder auf, die später Milchkühe werden.
Im Sommer sind viele unserer Rinder auf der Alp. Der Transport auf die Alpen, die weit weg liegen, im Engadin beispielsweise, erfolgt durch ein Transportunternehmen mit dem Lastwagen. Die Rinder, welche in der Nähe auf einer Alp sind, transportieren wir selber mit dem Traktor und einem Anhänger.
So auch am Samstag, als wir unsere Tiere aus dem Glarnerland nach Hause geholt haben.
Ich verstehe, dass es für die Autofahrer mühsam sein muss, wenn sie ein solch grosses und langsames Fahrzeug vor sich haben. Es rechtfertigt jedoch nicht das Verhalten, welches sie meinen Eltern gegenüber an den Tag legten.
Uns ist es wichtig, dass wir den Autofahrern die Möglichkeit geben, uns zu überholen. Deshalb fahren wir so oft wir können zur Seite, um sie vorbeizulassen. Was dann passiert, ist erschreckend: Es wird geflucht, wild gestikuliert und durch das Autofenster streckt man uns den Mittelfinger entgegen. Damit nicht genug: Die Steigerung dieses Verhaltens ist, dass der Bauer angehalten wird, ihm die Traktorentüre aufgerissen wird und der Automobilist ihn beschimpft.
Wann ist es in der Schweiz dazu gekommen, dass wir unsere Bauern so behandeln? Wie würden wir reagieren, wenn das ein anderer Fahrer bei unserem Auto machen würde?
Die Bauern fahren nicht zum Spass auf den Strassen umher. Sie arbeiten! Und wie steht es so schön auf den Pöttinger Ladewagen: «Landwirtschaft braucht jeder.» Und das stimmt auch. Doch manchmal habe ich das Gefühl, dass wir vergessen haben, wer unser Essen produziert und unsere Landschaft pflegt.
Das macht mich wahnsinnig traurig und wütend. Für die Bauern ist es verletzend. Und nicht nur ich, sondern bestimmt auch alle betroffenen Bauern wären froh, wenn man in diesem Thema eine gewisse Sensibilität an den Tag legen könnte.
Vielen Dank und liebe Grüsse
Loredana Vetter, Thurgau
Bearbeitung: Rafaela Roth