Sein Name ist Ronald Pizzoferrato. Geboren wurde er 1988 in Caracas, der Hauptstadt Venezuelas. 2013 verliess Pizzoferrato sein Heimatland und zog nach Bern, wo für ihn ein neuer Lebensabschnitt begann. Vier Jahre später kehrte der Reportage- und Dokumentationsfotograf nach Venezuela zurück, bewaffnet mit seiner Kamera. Seine Bilder zeugen von einem Venezuela, in dem nichts mehr so ist, wie es einmal war.
So beschreibt Pizzoferrato seine Stadt. In den Medien häufen sich die Schlagzeilen. In der Tat: In der ehemaligen spanischen Kolonie liegt kein Stein mehr auf dem anderen. Venezuela steht kurz vor dem wirtschaftlichen Kollaps.
Der Internationale Währungsfonds schätzt die Inflation für 2018 auf 2000 Prozent – eine der höchsten Raten weltweit. Die einzige wirkliche Einnahmequelle ist das Öl, doch die Preise dafür sind im Keller. Um ein Essen in einem Restaurant bezahlen zu können, braucht man einen Rucksack voll mit Geld.
Hinzu kommt die immer autoritärer werdende Regierung. 2013 übernahm Nicolás Maduro, nach dem Tod von Hugo Chávez, das Präsidialamt. Vier Jahre später, im Mai 2017, berief Maduro eine verfassungsgebende Versammlung ein, die das Parlament entmachtete. Landesweit protestierten daraufhin Maduros Kritiker. Sie werfen ihm vor, die Wahl sei manipuliert worden und er wolle eine Diktatur errichten.
Seither gehen die Menschen jeden einzelnen Tag auf die Strasse. Sie demonstrieren in gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei, um eine bessere Zukunft ihres Landes.
«Caracas durchlebt die schlimmste Zeit seit 50 Jahren», sagt Pizzoferrato. Und dennoch blickt der 30-Jährige auf seinen Streifzügen mit der Kamera immer wieder in hoffnungsvolle Gesichter. «Hier hoffen alle Menschen auf ein besseres Leben und haben einen Traum, für den sie kämpfen.»
Obwohl Venezuela grössere Ölreserven hat als Saudi-Arabien, schafft es Präsident Maduro nicht, das Land aus der Krise zu führen. Er ist dementsprechend unpopulär, lediglich 20 Prozent der Bevölkerung würden ihn wieder wählen.
Dennoch steht seiner Wiederwahl kaum etwas im Weg. Die zerstrittene und geschwächte Opposition hat kaum Möglichkeiten, Maduro etwas entgegenzusetzen. Denn der Oberste Gerichtshof sowie die verfassungsgebende Versammlung sind lediglich ein verlängerter Arm der chavistischen Regierung.
Seit Monaten setzt der Präsident darum alle Hebel in Bewegung, um seine Macht zu konsolidieren. Den Wahlgang, der eigentlich erst Ende dieses Jahres stattfinden sollte, will Maduro vorziehen – um sich das höchste Amt des Landes zu sichern, bevor die Opposition wieder zu Kräften kommt.
Internationale Organisationen, darunter die UNO, kritisieren die Geschehnisse in Venezuela aufs Schärfste. Laut der UNO gehen ein Grossteil der Todesopfer im Rahmen der Proteste auf das Konto von Sicherheitskräften und regierungsnahen Schlägertrupps.
Auch die USA gehen radikal gegen den kriselnden Staat vor. So verkündete US-Aussenminister Rex Tillerson bei einem Besuch in Argentinien, dass man der Zerstörung Venezuelas nicht länger zusehen könne. Tillerson kündete weitere Sanktionen gegen Maduro und dessen sozialistische Regierung an.
Wie lange sich Präsident Maduro noch an der Macht halten kann, ist unklar. Es dürfte jedoch nicht mehr lange gehen, bis das Land kollabiert. Wenn Maduro nicht freiwillig zurücktritt, besteht die Gefahr, dass das Land in eine bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung stürzt – mit weiteren Toten und Verletzten, ohne Sicht auf Besserung.