Was wurde nicht schon alles geschrieben und gesagt über diese ZSC Lions in der laufenden Saison. Abgeschrieben wurden sie eigentlich schon vor den Playoffs. Als enttäuschender Siebter der Qualifikation wurden ihnen in der ersten Runde gegen den Zweiten, den EV Zug, kaum Chancen eingeräumt. Zu oft waren die Löwen in dieser Saison alles schuldig geblieben. Zu oft klafften Anspruch und Realität meilenweit auseinander.
Und jetzt? Nachdem man die Zuger aus dem Weg geräumt hat, fehlt den ZSC Lions noch ein Sieg zum Finaleinzug. Ein Sieg gegen den amtierenden Meister SC Bern, den man im bisherigen Verlauf der Halbfinalserie an die Wand gespielt hat. Die einst eingeschüchterten Löwen sind drauf und dran, die als fast unbesiegbar geltenden grossen, bösen Bären aus dem Wettbewerb zu katapultieren.
Ja, man darf sich durchaus verwundert die Augen reiben und staunen, welcher Wandel sich in Zürich-Oerlikon vollzogen hat. Am besten lässt sich dieser an den Spielern festmachen, die während der Qualifikation und auch noch zu Beginn der Playoffs am stärksten in der Kritik standen. Die Spieler, die gerne als «die nächste Generation» bezeichnet werden. Und denen man dann, als es nicht lief, die nötigen Leader-Qualitäten absprach. Dazu gehörten unter anderem auch ZSC-Eigengewächse, die jetzt zu den dominantesten Spielern im Zürcher Ensemble gehören: Chris Baltisberger (26), Fabrice Herzog (23) und Reto Schäppi (27).
Das Trio sorgt mit seinen entscheidenden Toren nicht nur auf dem Matchblatt für die Musik, sondern ist für seine Gegner auch zu einer physischen Qual geworden. Oder anders ausgedrückt: Aus unscheinbaren Milchbubis mit Mitläufer-Charakter sind während der Playoffs harte Männer geworden. «Wir laufen viel, spielen konsequenter und härter. Wir sind ganz einfach ein sehr unangenehmer Gegner geworden», umschreibt Chris Baltisberger den Prozess, den nicht nur er selber, sondern die ganze Mannschaft durchgemacht hat.
Baltisberger wehrt sich allerdings gegen die landläufige Meinung, dass er und seine Mitstreiter zu lange kein Leadership an den Tag gelegt hätten. Vielmehr ortet er das Problem bei der Rollenzuteilung unter dem am Ende des vergangenen Jahres freigestellten schwedischen Lions-Trainerduo Wallson/Johansson, bei dem er ganz zu Beginn ihrer Amtszeit sogar zu den überzähligen Stürmern gehört hatte: «Klar habe ich den Anspruch, dass auch ich am Karren reisse. Aber es braucht Zeit, in so eine Leaderrolle hineinzuwachsen, sich das Vertrauen eines Trainers zu erarbeiten und auch zu bekommen.»
Was er damit auch sagt: Unter Interims-Headcoach Hans Kossmann hat jeder Spieler innerhalb der Mannschaft wieder seine Rolle gefunden. Und die Mannschaft selbst auch wieder ihre Identität, mit welcher sie zum Beispiel ihren letzten Meistertitel im Jahr 2014 gewonnen hat. Schon damals waren die Zürcher ein für jeden Gegner sehr unangenehmer Kontrahent. Baltisberger: «Kossmann hat uns darauf hingewiesen, dass wir wieder böser werden sollen. Und unser Sportchef Sven Leuenberger, der ja von Bern kam, hat uns auf die Gegneroptik hingewiesen. Da hiess es dann: ‹Wenn du gegen Zürich eine Chance haben willst, musst du hart spielen.›»
Dieses Vorurteil gehört definitiv der Vergangenheit an. Weil da wieder eine Mannschaft auf dem Eis steht, die diesen Namen verdient hat: «Es macht einen grossen Unterschied, ob alle 20 Spieler ihre Checks fertigmachen oder nur ein paar wenige.
Wenn ein Spieler wie Roman Wick einen Gegner an die Bande nagelt oder sich ein Frederik Pettersson in die gegnerischen Schüsse wirft, dann sendet das unglaubliche Signale an die Mitspieler aus. Dann geht man jeden Extrameter lieber. Weil man weiss, dass es alle machen. Und weil man weiss, dass die Wertschätzung da ist», umschreibt Chris Baltisberger die Wandlung, die die Zürcher an die Türschwelle zum Playoff-Final gebracht hat.
«Niemand hat uns Kredit gegeben. Aber jetzt ist das Feuer entfacht», sagt der ZSC-Stürmer. Der SC Bern muss heute Abend versuchen, den Grossbrand zu löschen. Sonst verglühen die Hoffnungen auf die Titelverteidigung.