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Herrschte im olympischen Pool, in welchem die Schwimmwettkämpfe stattgefunden haben, tatsächlich eine Strömung? Diese Frage ist zulässig, wie Daten von Forschern der Indiana University suggerieren, welche Washington-Post-Reporter Jeff Guo in seinem Artikel anschaulich zusammengetragen hat.
Die Wissenschaftler Andrew Cornett, Christopher Brammer und Joel Stager, die sich bereits vor Rio mit Auffälligkeiten im Schwimmsport befasst haben, konnten aufzeigen, dass bei den Spielen in Brasilien auf den acht Bahnen unterschiedliche Bedingungen geherrscht haben.
Grundsätzlich haben in einem Schwimmbecken, in dem offizielle Wettkämpfe stattfinden, auf allen Bahnen dieselben Bedingungen zu herrschen. Aus obiger Grafik ist aber zu entnehmen, dass dem in Rio nicht so war. Auf den Aussenbahnen waren die Schwimmer in den Langstreckenrennen (die Daten stammen aus den Disziplinen 800-m- und 1500-m-Crawl) jeweils in eine Richtung schneller unterwegs, je nachdem, ob sie rechts oder links der Mitte unterwegs waren.
Beispielsweise schwamm der Norweger Henrik Christiansen (die pinken Punkte in der Grafik) über 1500 m im Vorlauf auf Bahn 2 auf den ungeraden Längen schneller, während das im Final auf Bahn 8 genau umgekehrt war. Die weiteren Schwimmer bestätigen diesen Trend grösstenteils.
Weitere Beweise liefern Beobachtungen von Barry Revzin. Der amerikanische Datenanalyst verglich die Zeiten der Schwimmer über 50 m Crawl (eine Länge) je nach Startbahn und führte eine lineare Korrelation zutage, welche sich mit dem oben gezeigten Trend deckt.
Die Vermutung liegt also nahe, dass irgendetwas mit dem Becken in Rio nicht so war, wie es hätte sein sollen. Insbesondere weil der Hersteller derselbe war wie bei den Weltmeisterschaften in Barcelona 2013, als selbiges Phänomen zum ersten Mal aufgezeigt werden konnte.
Die einfachste Erklärung wäre ein leichter Strom im Gegenuhrzeigersinn, was nicht sein sollte (das Reglement des internationalen Schwimmverbands FINA ist ziemlich vage). Der italienische Poolhersteller Myrthra wehrt sich aber und hält gegenüber der Schwimm-Seite swimswam.com fest, dass bei Tests «keinerlei Hinweise» auf Strömung gefunden wurden. Wobei für den «Test» einfach ein Basketball ins Wasser geworfen wurde, der sich im Lauf einer Minute zwar nicht sichtlich bewegt, sich aber immerhin an Ort und Stelle (sehr langsam) dreht.
Bevor wir unsere Säbel wetzen und die Heugabeln aus dem Keller holen, sollten wir ganz kurz innehalten und die obigen Daten in den korrekten Kontext setzen. Auch wenn die Trends eindeutig sind und das olympische Schwimmbecken nicht hundertprozentig integer gewesen sein wird, ist festzuhalten, dass die mögliche Strömung nur auf eine Schwimmdisziplin Einfluss haben konnte: Auf die 50-m-Crawl.
Alle anderen (pro Geschlecht immerhin 15) Schwimmdisziplinen in der Halle finden über eine gerade Anzahl Längen statt, wodurch sich ein zirkulärer Strom über die Renndistanz auf jeder Bahn ausgleichen würde.
Aber über 50 m müssten die Schwimmer gemäss den gemachten Beobachtungen mit den höheren Bahnnummern bevorteilt sein. Dies scheint sich aber nicht zu bewahrheiten, denn die Podestreihenfolge bei den Frauen wie bei den Männern suggeriert genau das Gegenteil. Zudem ist zu bedenken, dass die knapp 0,4 Sekunden Unterschied, welche die Strömung maximal ausmachen soll, auf die Gesamtzeit über 50 m nicht einmal 2 Prozent ausmacht.
Bei den engen Zeitunterschieden (♀ 0,06 s zwischen Gold und Leder, ♂ 0,28 s) können 0,4 Sekunden die Welt bedeuten, klar. Aber mit in die Berechnung fliessen sollte auch, dass die durchschnittliche Reaktionszeit am Start etwa 0,7 Sekunden beträgt.
Und um noch ein bisschen weiter zu gehen: Der Datensatz ist vermutlich nicht genug gross, um wissenschaftlich stichhaltige Aussagen zu treffen. Man beachte auch die Streuung in den entsprechenden Grafiken. Zudem werden auch das einseitige Atmen wie ein möglicher Einfluss der Wandbeschaffenheit ins Feld geführt, um die Anomalien zu erklären.
Die gemachten Beobachtungen sind definitiv spannend und verdienen ihre Aufmerksamkeit, sie sollten aber nicht dafür verwendet werden, die Schwimmresultate in Rio durch den Kakao zu ziehen, dafür sind sie zu schwach. Vielmehr sollten sie von den künftigen Schwimm-Grossanlässen (wie Tokio 2020) als Motivation aufgenommen werden, hundertprozentig faire Wettkampfbedingungen zu bieten.