«Oh, what a lovely war» ist der Titel eines Musicals aus den 60er Jahren, das sich über den Ersten Weltkrieg lustig macht. Donald Trump ist offensichtlich im Begriff, zumindest einen kleinen lustigen Handelskrieg vom Zaun zu brechen, und die Parallelen zum Ersten Weltkrieg sind ebenfalls kaum zu übersehen.
Der Historiker Christoph Clark legt überzeugend dar, wie die nationalistisch aufgeheizten Länder schlafwandlerisch in diesen schrecklichen Krieg getaumelt sind. Chauvinismus, endlose Provokationen und einzelne Scharmützel haben schliesslich zu einer der schlimmsten Katastrophen in der Geschichte der Menschheit geführt.
Auch der sich anbahnende Handelskrieg fängt mit vermeintlich harmlosen kleinen Schritten an. Trumps Strafzölle sind eher unbedeutend. Derzeit exportiert etwa die EU Stahl und Aluminium im Wert von 2,8 Milliarden Euros. Umgekehrt kauft sie für rund 250 Milliarden Euro Waren und Dienstleistungen in den Vereinigten Staaten ein.
Diese ersten Schritte können jedoch eine verhängnisvolle Spirale in Bewegung setzen. Die EU kann es sich nicht leisten, nicht auf die amerikanische Provokation zu antworten. Deshalb hat sie bereits erklärt, ihrerseits Strafzölle auf amerikanische Jeans, Orangensaft und Erdnussbutter zu erheben. Auch Whiskey und Motorräder sind im Gespräch.
Trump seinerseits hat darauf gedroht, Autos mit Zöllen zu belegen. Schlimmstenfalls kann das gesamte Gefüge einer äusserst komplexen globalen Supply Chain der Wirtschaft so empfindlich gestört, ja gar zum Einsturz gebracht werden. Auch das Schicksal der Welthandelsorganisation WTO steht auf dem Spiel.
Kein Wunder also, dass bei den Experten sämtliche Alarmglocken läuten. Es gibt derzeit kaum einen Ökonomen von Rang und Namen, der nicht in schrillsten Tönen vor diesen Strafzöllen warnt. Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn ist aus Protest zurückgetreten. Mehr als hundert republikanische Abgeordnete und Senatoren beschwören den Präsidenten in einem Appell, von seinen Vorhaben zu lassen.
Es wird wohl vergebliche Mühe bleiben. Trump mag sprunghaft und opportunistisch sein. Doch Protektionismus ist für ihn ein zentrales Anliegen, das er seit Jahrzehnten mit Vehemenz vertritt. Bereits in den 80er Jahren hat er deswegen sogar den heiligen Ronald Reagan mit ganzseitigen Inseraten in der «New York Times» angegriffen.
Kommt dazu, dass Trump kein Politiker ist, sondern ein Businessmann. Er denkt im Schema: Was nicht rentiert, wird abgestossen, und Entscheide treffe ich allein. Das mag im Dschungel des New Yorker Immobilienmarkts Erfolg haben, in der Politik eher nicht.
Es hilft auch nicht, wenn sich dazu eine tiefe Verachtung für Experten gesellt. «Ich allein kann es richten», hat Trump im Wahlkampf erklärt. Er meint es genauso. Deshalb brüskiert er seinen Wirtschaftsberater und hört stattdessen auf einen drittklassigen Ökonomen, der ihn in seinen Ansichten bestätigt. «Was haben die Experten in China und im Irak gebracht?», soll er im kleinen Kreis spotten.
Experten und Parteifreunde werden daher Trump kaum umstimmen können. Selbst wenn es noch nicht zu einem ausgewachsenen Handelskrieg kommen sollte, werden die Strafzölle auf jeden Fall Schaden anrichten. Der Prozess der Deglobalisierung wird sich beschleunigen, das in mühseliger und jahrzehntelanger Arbeit gewobene Netz von internationalen Handelsverträgen droht, zerrissen zu werden.
Die Amerikaner schiessen sich dabei ins eigene Knie. Der Rest der Welt wird sich nicht kampflos Trumps nationalistischer Wirtschaftspolitik beugen. In Asien haben die elf Länder des TPP beschlossen, das Freihandelsabkommen ohne die USA durchzuführen.
In Europa wächst die Einsicht, dass Angela Merkel mit ihrer Warnung Recht gehabt hat. Nach den katastrophalen Begegnungen mit Trump am NATO-Gipfel und dem G7-Treffen hatte die Kanzlerin gewarnt: «Wir Europäer müssen unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen.»
In den USA schwindet derweil die Hoffnung, dass die «Erwachsenen» im Weissen Haus Trumps Dummheiten verhindern können. Nach dem Abgang von Wirtschaftsberater Gary Cohn wird bereits spekuliert, wie lange sich Sicherheitsberater H.R. McMaster und Stabschef John Kelly noch vom Präsidenten vorführen lassen wollen.
Trotz Protesten ist auf die Republikaner kein Verlass. Ihre Vertreter haben hinlänglich bewiesen, dass sie offensichtlich ohne Rückgrat auf die Welt gekommen sind. «Die stetige Transformation der Partei in eine amerikanische Version des Front National ist wohl nicht mehr zu verhindern», seufzt deshalb «New-York-Times»-Kolumnist Bret Stephens resigniert.