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Mein bester Freund ist tot und ich bin nicht traurig.

Das Leben, ein Kommen und Gehen.
Das Leben, ein Kommen und Gehen.kafi freitag
FragFrauFreitag

Hallo Kafi. Ich habe vor einem Monat meinen besten Freund verloren. Er war die letzten zwei Jahre nur im Spital

Am Schluss ging es ihm sehr schlecht. Ich habe ihn bis zum letzten Atemzug begleitet und bin froh dass ich das gemacht habe. Was mich jetzt verwirrt ist, ich habe das Gefühl dass ich nicht richtig trauern kann. Nach der Beerdigung ging es mir richtig schlecht aber jetzt fühl ich mich normal. Kann es sein, dass ich nicht richtig trauern kann weil ich ihn bis zum Schluss begleitet hab? Kommt die Trauer noch? Sarah, 33
07.10.2016, 17:37
Kafi Freitag
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Liebe Sarah

Das tut mir furchtbar leid für Sie. Wie traurig. Schön, dass er Sie hatte, liebe Sarah. Es ist ein grosses Geschenk an einen Menschen, ihn durch diese Phase seines Lebens so eng zu begleiten. Ein wertvolleres kann man vermutlich gar nicht machen. Ich hoffe, das ist Ihnen bewusst.

Bei Ihrer Frage habe ich mich auch etwas gefragt. Wie geht eigentlich, das «richtige Trauern»? Und wer definiert das genau? Gibt es eine Trauerpolizei, ein Gremium das darüber wacht? Nein, natürlich nicht. Aber woher kommt dann Ihr Gefühl, nicht richtig zu trauern? Ich bin überzeugt, dass Sie traurig sind. Aber gleichzeitig können Sie sich auch normal fühlen und nicht im Schmerz zergehen. Ich habe in letzter Zeit viel über Trauerarbeit geschrieben, das können Sie gerne hier nachlesen. Und ja, Ihr Verdacht scheint mir ganz richtig. Sie sind mit diesem Menschen durch einen Prozess des Abschieds gegangen. Sie haben ihn begleitet und jeden Tag ein bisschen Abschied genommen. Sie haben den wichtigsten Teil der Trauerarbeit darum schon hinter sich. Ob noch mehr Schmerz hochkommen wird, kann ich nicht sagen. Vielleicht ja. Vielleicht nein. Alles ist richtig, was Sie spüren, alles. Sie brauchen sich nicht schlecht fühlen, weil Sie nicht so trauern, wie es vielleicht von aussen erwartet wird. Oder von Ihnen selber.

Jeder Mensch hat eine ganz eigene und individuelle Art zu trauern. Darum trennen sich zum Beispiel viele Eltern, nachdem sie ein Kind verloren haben. Das eine Elternteil kommt schneller über die Trauer hinweg oder hat einen anderen Umgang damit als das andere und dadurch entsteht ein Konflikt, den viele nicht lösen können. Gestehen Sie sich Ihre Art der Trauer ein. Ihr Freund weiss genau, was er Ihnen bedeutet hat. Sie müssen es ihm nicht beweisen. Und auch sonst niemandem. Nicht einmal sich selber. Sie dürfen sich seiner Dankbarkeit sicher sein und stolz auf sich, so eine grossartige warmherzige Freundin zu sein. Alles Liebe. Ihre Kafi.

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Kafi Freitag (40!) beantwortet auf ihrem Blog Frag Frau Freitag Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Daneben ist sie Mitbegründerin einer neuen Plattform für Frauen: Tribute.

Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (Freitag Coaching) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie lebt mit ihrem 11-jährigen Sohn in Zürich.

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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pakart
07.10.2016 19:36registriert September 2015
Wunderschöne Antwort!
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Matrixx
07.10.2016 19:10registriert März 2015
So ähnliches erlebte ich bei meinem Vater. Sass quasi bei ihm, als er starb. Ich war im ersten Moment traurig, schon fast wütend. Aber an der Beerdigung hab ich nur eine Träne vergossen. Das war meine Art zu trauern. Es gibt also kein "falsches Trauern".

Wünsche dir viel Glück und Kraft, darüber hinweg zu kommen.
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Caprice
08.10.2016 08:19registriert April 2014
Liebe Sarah, ich habe meine Mutter beim Sterben begleitet. 10 Jahre war sie krank, wurde nicht mal 50, ich war mein ganzes junges Erwachsenenleben damit konfrontiert dass sie eines Tages sterben wird. Als es so weit war bin ich, entgegen meiner Vermutungen, nicht zusammengebrochen. Bis heute, zwei Jahre später, gab's kein Drama. Wenn man einen Menschen bis zum Schluss begleitet, sich verabschieden kann und die Erlösung von der Krankheit spürt, das kann sehr "comforting" sein.
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