Yoga hat in den letzten paar Jahrzehnten einen beispiellosen Siegeszug durch Europa hingelegt. Die fernöstliche Disziplin, mit der Körper gestählt und der Geist geschult werden soll, hat in kurzer Zeit Millionen von Menschen überzeugt und begeistert.
Es ist unbestritten, dass Yoga - seriös angewendet - dem Körper auf die Sprünge hilft. Muskeln, Bänder und Gelenke bleiben fit und geschmeidig bis ins hohe Alter. Doch kann Yoga auch halten, was es im Bereich der geistigen Entwicklung verspricht?
Hier bewegen sich manche Yogaschulen und -lehren auf dünnem Eis. Sie versprechen wahre Wunder und driften ins Spirituelle oder gar Religiöse ab. Da Indien das Mutterland von Yoga ist, vermischen viele Yogalehrerinnen ihre Kurse mit esoterischen Versatzstücken oder Disziplinen.
Sie eifern ihren Yogameister aus dem fernen Osten nach, die sich selbst gern überhöhen und einen Gurustatus erlangen. Manche propagieren Yoga gar als Königsweg zur Erleuchtung. Eine clevere Marketing-Strategie.
Auf dieser Klaviatur scheint auch Vidya-Yoga zu spielen, eine der grössten Anbieter in Europa. Der Erfolg wurde hart erkämpft und hat auch Schattenseiten. So berichten immer mal wieder Mitarbeiterinnen von unschönen Erfahrungen und unhaltbaren Arbeitsbedingungen.
Sie kehren Yoga Vidya früher oder später enttäuscht den Rücken und verlangen eine Entschädigung, denn ihr Einsatz gilt bei Yoga Vidya als eine Art Fronarbeit. Die Auseinandersetzung endet meist in einem für die ehemaligen Mitarbeiterinnen wenig vorteilhaften Vergleich.
Eine deutsche Juristin, die jahrelang vollamtlich für deutsche Vidya-Seminarhäuser tätig gewesen war, fühlte sich nach der enthusiastischen Phase überlastet und ausgenutzt. Sie liess sich aber nicht mit einer kleinen Entschädigung abspeisen, sondern ging vor Gericht. Sie wollte nicht nur für ihre Arbeit adäquat entschädigt werden, sondern das Yoga-Unternehmen auch zwingen, die Arbeitsbedingungen grundsätzlich zu verbessern.
Yoga Vidya zahlt den Mitarbeiterinnen je nach Dienstalter lediglich ein Taschengeld von monatlich 245 bis 450 Euro, wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet. In den internen Anordnungen ist festgehalten, dass Yoga Vidya die täglichen Aufgaben «als Dienst an Gott, den Menschen und an Swami Sivananda», einem der bekanntesten Yogalehrer, sehe.
Es sei den Freiwilligen selbst überlassen, wie viel sie arbeiten möchten. Eine Darstellung, der die klagende Juristin widerspricht. Das Kader von Vidya-Yoga verteidigt sich mit dem Argument, dass der Dienst im Center zur ganzheitlichen Erfüllung führe und die Mitarbeitenden versichert und verköstigt würden.
Zudem hält die Gemeinschaft fest, dass sich ihre Mitglieder beim Eintritt aus eigenen Stücken zur gemeinnützigen Arbeit entscheiden würden. Die sogenannten Seva sei eine Form der Gottesverehrung und «gelebte Praxis in allen hinduistischen Gemeinschaften der Welt».
Gründer von Yoga Vidya und oberster Yogalehrer ist der Deutsche Volker Bretz, der die Yogaschulen straff führt. Seine Seminare und Kurse gehen weit über das eigentliche Yoga hinaus. Das Angebot reicht von Schamanismus bis zum Beckenboden-Training.
Bretz lässt den Vorwurf, er zahle den Mitarbeitenden keine Löhne, nicht gelten. Er vergleicht seine Yogaschule gern mit christlichen Klöstern. Nonnen und Klosterbrüder erhielten auch keine Entlöhnung, erklärt er laut der «Süddeutschen Zeitung».
Ausserdem handle es sich bei der Tätigkeit in den Yogacentern um einen Dienst an Gott. Dafür einen Lohn auszuzahlen, wäre eine Sünde.
Yoga Vidya verkündet stolz, in den vergangenen 30 Jahren 24'000 Yogalehrerinnen und Yogalehrer ausgebildet zu haben. Diese sollen «zum Frieden und Glück in der Welt beitragen». In Deutschland gibt es vier grosse Seminarhäuser und rund 80 Center.
In Zürich und Umgebung bieten sechs Yogalehrerinnen Vidya-Kurse an. Ein Center gibt es in der Schweiz noch nicht. Den spirituellen Aspekt beschreibt die Schweizer Plattform vidya.ch so: «Je mehr Menschen Yoga üben und sich dem spirituellen Aspekt öffnen, desto mehr kann das Göttliche in uns wirken und desto grösser sind unsere Chancen, liebevoll miteinander umzugehen und in Frieden miteinander zu leben.»
Übrigens: Die Juristin hat sich durch drei Gerichtsinstanzen gekämpft und schliesslich Recht bekommen. Wie hoch die Entschädigung ausfällt, die ihr Yoga Vidya zahlen muss, hat das Gericht bisher nicht festgelegt.