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Ukraine: Wenn Gott besonders gefragt wäre, glänzt er durch Abwesenheit

A protestor holds a banner depicting Russian President Vladimir Putin during a demonstration in front of the Russian Embassy in Madrid, Spain, Thursday, Feb. 24, 2022, after Russia's attack on Uk ...
Wladimir Putins Truppen sind in die Ukraine einmarschiert.Bild: keystone
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Wenn Gott besonders gefragt wäre, glänzt er durch Abwesenheit – wie jetzt in der Ukraine

26.02.2022, 07:36
Hugo Stamm
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Die Ukraine ist im Krieg, angegriffen von Russland. Genauer: Von den Truppen Putins. Der russische Präsident erinnert an einen Sektenführer. Alle Macht kumuliert sich auf seiner Person. Er sieht sich als modernen Zar und wähnt sich in einem gottähnlichen Status. Da ist der Wahn nicht weit.

Die Ukraine ist ein christliches Land. Die katholische Kirche und vor allem die orthodoxen Gemeinschaften bilden eine Mehrheit von rund 60 Prozent. Diese Gläubigen beten zu Gott, vermutlich flehen sie ihn seit dem Donnerstag förmlich an, sie zu schützen. Denn die Panzer fallen aus mehreren Richtungen in die Ukraine ein, selbst Kiew wird angegriffen.

Die Inszenierung des neuen russischen «Zaren».
Die Inszenierung des neuen russischen «Zaren». bild: keystone

Viele Gläubige – vor allem die Orthodoxen – werden in der Bibel lesen und Trost suchen. Das Buch hält denn auch Aussagen bereit, die Mut machen sollen oder können. Zum Beispiel:

«Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen.» (Psalm 23,1) «Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen.» (Psalm 91,11) «Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.» (Johannes 8,12) «Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; hab keine Angst, denn ich bin dein Gott.» (Jesaja 41,10)

Die Bibel ist für Sonntagspredigten eine gute Quelle, doch die Realität zeigt, dass Gott gerade in existenziellen Notlagen durch Abwesenheit glänzt.

Solche Bibelverse mögen Gläubigen Trost geben, solange die Bombenexplosionen noch nicht zu hören sind. Wer hingegen flüchten oder sich in Schutzräumen verbarrikadieren muss, wird zwar reflexartig beten, aber die Hoffnung auf konkrete Hilfe von Gott aufgeben – angesichts der tödlichen Bedrohung.

Von Gott braucht Putin nichts zu fürchten. bild: pd
Von Gott braucht Putin nichts zu fürchten. bild: pd

Die Bibel ist für Sonntagspredigten eine gute Quelle, doch die Realität zeigt, dass Gott gerade in existenziellen Notlagen durch Abwesenheit glänzt. Er lässt die Gläubigen, die auf seine versprochene Hilfe setzen, im Stich.

Zwar glauben besonders Fromme aus Freikirchen, Gott beschütze die Rechtgläubigen und greife konkret in die Welt ein, doch wenn es hart auf hart kommt, erweist sich das als Illusion.

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An ihren Taten sollt ihr sie erkennen

Deshalb wäre es höchste Zeit, dass die Geistlichen den Gläubigen nicht weiter Sand in die Augen streuen und sich dazu bekennen: Gott verhält sich nicht so, wie die Bibel suggeriert. Der «Satan» hingegen wütet wie ein Berserker. Wie wir es momentan in der Ukraine erleben.

Helfen können wir Menschen nur uns selbst. Auf die Hilfe Gottes zu bauen, verhindert eher wirksames Handeln. Somit erweist sich der Glaube an einen handelnden Gott nicht als hilfreich, sondern eher als hinderlich.

Wie heisst es doch so schön: Nicht an den Worten sollt ihr sie messen, sondern «an ihren Taten erkennen!» (1. Johannes 2,1-6) Ein Spruch, der sich auch auf Putin anwenden lässt.

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Hugo Stamm, Sektenblog
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Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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663 Kommentare
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Poopuliest
26.02.2022 10:32registriert August 2020
Auch Putin funktioniert nicht ganz ohne Hilfe der Religioten.
Unheilige Allianz – Putin und seine willigen Popen\nDieser unheilige Kreuzzug passt ja zum politischen Rückfall ins Mittelalter.
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FrancoL
26.02.2022 10:03registriert November 2015
Es scheint für einen Teil der Menschen eine fixe Vorstellung zu sein, zu wissen was Gott machen müsste. Das dies meistens Menschen sind, die nicht an Gott glauben, ist mehr als nur sonderbar. Erinnert mich an Eltern, die immer wissen was andere Eltern machen sollten, bei sich aber kaum über den Tellerrand sehen.
Ich weiss nicht ob es Gott gibt oder in welcher Form es ihn geben könnte, aber ich würde nie ihm einfach Aufgaben zuweisen, erst recht nicht da ich der Überzeugung bin, dass WIR selbst für unsere Schieflage verantwortlich sind und somit uns selbst helfen müssen.
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Bender Rodríguez
26.02.2022 12:39registriert Juli 2021
Der Glaube kann helfen, nicht in Panik zu geraten. Ob es jetzt der Glaube an eine höhere Macht, die eigene Cleverness, das eigene Portemonnaie oder der Glaube an 'Nichts nach dem Tod' ist. Ist wohl ein psychologisches Ding.

Ich frage mich aber was daran schlecht sein sollte, wenn die Menschen im Bunker beten und dadurch weniger in Panik verfallen und für ihre Kinder da sein können?
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Es geht um Krieg, Sex und Babys: Emma öffnet ihre Inbox!
Ihr dürft mir ja Mails schreiben. Was ihr rege tut. Was mich freut. Zumindest meistens. Manchmal aber seid ihr schräg, Freunde. Das ist schon easy so. Wie schräg ihr wirklich seid, zeigt ein Blick in meine Inbox.

Legen wir los? Wir legen los!

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