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Jesus begründete eine Religion, von ihm wissen wir wenig

epa04691078 Local men reenact the crucification of Jesus Christ on Good Friday in Qraiyeh, southern Lebanon, 03 April 2015. EPA/OLIVER WEIKEN
Die Kreuzigung von Jesus wird weltweit bei vielen Prozessionen nachgespielt.Bild: keystone
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Jesus begründete die grösste Religion, doch seine Biographie liegt im Dunkeln

Die Forscher können nicht einmal nachweisen, ob der Sohn Gottes schreiben konnte.
09.07.2018, 14:2709.07.2018, 14:26
Hugo Stamm
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Jesus Christus ist eine der bekanntesten Figuren in der Geschichte der Menschheit. Auf den als Sohn Gottes beschriebenen Mann geht sogar unsere Zeitrechnung zurück, unabhängig davon, dass das Jahr Null vermutlich falsch gesetzt wurde. Und auch heute noch, 2000 Jahre nach seinem Wirken, ist sein mehr oder weniger direkter Einfluss immens.

Wer ist also dieser Übermensch? Obwohl Tausende von Wissenschaftern versuchten, sein Leben zu ergründen, wissen wir immer noch wenig über ihn. Seine Existenz ist zwar ziemlich wahrscheinlich, doch unklar ist nach wie vor, wie authentisch das Neue Testament ihn beschreibt.

Das Leben von Jesus im Film.Video: YouTube/mwiemeikel22

Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass viele biblische Geschichten um Jesus Mythen sind. Denn die Chronisten, die vier Evangelisten, kannten Jesus nicht. Und über Markus, Mätthäus, Lukas und Johannes wissen wir noch viel weniger als über Jesus selbst. Möglicherweise sind sie anonyme Ghostwriter, denn ihre Evangelien wurden aus anonymen Überlieferungen zusammengestückelt, die erst Jahrzehnte nach seinem Tod aufgeschrieben wurden.

Doch zurück zu Jesus. Seine Biographie liegt im Dunkeln. Sein Werdegang wird nicht einmal in der Bibel nachgezeichnet. Wir wissen auch nicht, wie viele Geschwister er hatte. Erwähnt wird nur ein Bruder.

Die Erzählungen über Jesus konzentrieren sich nach der Kindheit maximal auf die letzten paar Jahre seines Lebens. Erwähnt wird lediglich, dass er in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs.

Auch die Apostel erzählen uns wenig über das frühe Leben von Jesus. Sie haben seine Person nicht näher beschrieben, nicht sein Aussehen oder seine Persönlichkeit. Es gibt auch keine verbürgten Reliquien.

Ein paar wenige Historiker widmeten Jesus lediglich ein paar dürre Sätze. Sie kannten ihn nicht, denn sie lebten viele Jahrzehnte später als er.

Und wirklich bedeutend war Jesus zur damaligen Zeit auch nicht. Ein paar wenige Historiker haben ihm lediglich ein paar dürre Sätze gewidmet. Doch auch hier gibt es gewichtige Vorbehalte: Flavius und Tacticus kannten Jesus auch nicht, lebten sie doch viele Jahrzehnte später als er. Da damals der Name Jesus sehr verbreitet war, ist auch nicht gesichert, ob die Chronisten den «richtigen» Jesus meinten.

Was ebenfalls erstaunlich ist: Wir wissen vom Superstar Jesus nicht einmal mit Sicherheit, in welcher Sprache er predigte. Die Juden glauben mehrheitlich, dass er Aramäisch gesprochen hatte, wie es in dieser Region üblich gewesen sei. Viele katholische Forscher vermuten hingegen, dass er sich auf Hebräisch verständigt hatte.

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Es ist nicht bekannt, ob Jesus schreiben konnte

Vielleicht haben beide recht, womöglich beherrschte er beide Sprachen. Denn Aramäisch war die Umgangssprache, Hebräisch die Sprache der Gelehrten, also auch der Bibel. Und: Wir wissen ja nicht einmal, ob er schreiben konnte.

Angesichts dieser vielen Wissenslücken und offenen Fragen erstaunt es doch sehr, dass Jesus zum Begründer der grössten Weltreligion werden konnte. Vielleicht hat es mehr mit Konstantin und Paulus denn mit Jesus zu tun. Denn der Kaiser anerkannte das Christentum und förderte es, und Paulus war ein PR-Genie.

Manchmal ist die Geschichte für besondere Überraschungen gut.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
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Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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219 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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amRhein
07.07.2018 09:29registriert März 2016
Solche Mythen sind heutzutage völlig irrelevant. Die Herausforderung heute ist nicht das „ewige Heil“, sondern ein gelungenes Leben, miteinander, verantwortungsvoll und vernünftig.
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Maria B.
07.07.2018 13:58registriert Februar 2015
Rein sachlich gibt es an dieser eher kurzen Darstellung Stamms m.E. rein gar nichts zu kritisieren, sie sind ebenso zutreffend wie allgemein bekannt.

Alle Religionsstifter (zumal in "prähistorischen Zeiten") wurden mythologisiert und ihre Person erhaben und entrückt dargestellt. Systemimmanent!

Vor Allem, dass weder Paulus noch die Evangelisten Zeitzeugen waren, Jesus nicht persönlich kannten, sagt eigentlich schon sehr viel aus.

Wie kann da von verlässlicher Authentizität gesprochen werden? Ein absolutes Unding.

Schon alleine der diffuse Begriff "Sohn Gottes" wirkt irgendwie grotesk :-)
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Spooky
09.07.2018 20:10registriert November 2015
Odin hing am Weltenbaum, Jesus am Kreuz, Prometheus am Felsen, und im Tarot gibt es die Trumpfkarte des Gehängten.

Alles nur geklaut.
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