Der Kommerz rettet Weihnachten – auch wenn das Christentum untergeht
Weihnachten ist das christliche Fest mit der grössten Ausstrahlung. Schon im Oktober füllen manche Warenhäuser und Grossverteiler ihre Regale mit Lichterketten und Weihnachtsgebäck, um die Kunden auf das Grossereignis einzustimmen.
Es gibt aber auch kein anderes religiöses Fest, das die Säkularisierung besser dokumentiert. Es sind längst weltliche – kommerzielle – Interessen, die das Ereignis für sich beanspruchen. Weihnachten ist der wichtigste Konsumtreiber. Den Geschäften ist es völlig egal, welcher Ursprung dem religiösen Fest zugrunde liegt, Hauptsache, die Umsätze schnellen in die Höhe.
Die Säkularisierung geht heute so weit, dass in manchen buddhistischen und hinduistischen Ländern ebenfalls Weihnachten gefeiert wird. Zwar nicht im religiösen Sinn, sondern im weltlichen und kommerziellen.
Auch in Sri Lanka, Thailand, Bali oder Vietnam bieten Warenhäuser inzwischen Weihnachtsgeschenke an, und Weihnachtsmänner ziehen durch die Strassen. Sogar in Indien stösst man gelegentlich auf Krippen mit Jesus im Stroh.
Dabei geht von der Weihnachtsgeschichte durchaus eine starke Symbolkraft aus, die heute aktueller denn je wäre – würden wir sie uns zu Herzen nehmen.
- Jesus war ein Flüchtling. Ein Thema, das uns bekannt vorkommt. Der oft hartherzige Umgang mit den weltweiten Flüchtlingsströmen zeigt, dass die christliche Barmherzigkeit noch Entwicklungsbedarf hat. Im Land mit den wohl am meisten Freikirchen, den USA, will der Präsident eine Mauer für fünf Milliarden bauen und erhält dafür viel Applaus von den frommen Christen.
- Jesus war, zumindest der Legende nach, in einem Stall geboren. Der Kontrast zu unserer Schlemmer- und Wohlstandskultur, die wir an Weihnachten besonders deftig zelebrieren, könnte kaum grösser sein. Selbst der Vatikan, Zentrum der grössten christlichen Kirche, ist noch nie dafür bekannt gewesen, Bescheidenheit vorzuleben. Prunk und Pomp prägen das Bild, auch wenn Papst Franziskus diesbezüglich einen neuen Stil pflegt.
- Jesus lebte, wie er geboren wurde: asketisch. An seinen Geburtstagen hat er wohl kaum teure Geschenke bekommen und sich lukullisch verwöhnen lassen.
- Sollten die christlichen Kirchen weiterhin schrumpfen und an Bedeutung verlieren, Weihnachten würde überleben, weil das Fest mit den Feiertagen längst ein Eigenleben entwickelt hat und nicht mehr an einen Glauben gebunden ist. Und die Kinder werden dann nicht mehr wissen, dass der Urheber von Weihnachten die grösste Kirche aller Zeiten gegründet hat und in einem Stall geboren war.
- Geniessen wir Weihnachten – ob religiös oder säkular. Es ist schliesslich auch das Fest der Familie.
In diesem Sinne: Frohe Festtage!
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