Die Angst ist unser ständiger Begleiter. Es gibt immer etwas, vor dem wir uns fürchten. Die Intensität der Bedrohungen ist aber meist unterschiedlich.
Es gibt allerdings zwei Ängste, die alle Menschen existenziell bedrohen. Der eigene und der kollektive Tod, das individuelle Ableben und apokalyptische Ereignisse. Wobei das Sterben für die Betroffenen eine individuelle Art der Apokalypse ist. So sind die zwei Urängste gleichermassen die beiden Seiten einer Medaille.
Apokalyptische Bedrohungen gibt es seit Menschengedenken. Ereignisse, denen wir schutzlos ausgeliefert sind, wecken reflexartig und intuitiv Endzeitängste: Erdbeben, Waldbrände, kriegerische Zerstörungen usw.
Zuständig für solche Ängste sind vorwiegend Religionen und Glaubensgemeinschaften. Sie interpretieren apokalyptische Bedrohungen religiös. Schon in vorchristlicher Zeit kultivierten viele Religionen die Idee von der Apokalypse. Doch kaum eine andere Lehre ging dabei so radikal ans Werk wie die christliche.
Die Angst vor der Apokalypse ist also tief in unser Bewusstsein gestanzt und Teil unserer DNA. Die Endzeitbefürchtungen sind aber nicht in allen Epochen gleich virulent. Bewegt sich die Welt in einigermassen ruhigen Bahnen, sind wir nicht sonderlich beunruhigt. Gerät sie aber aus den Fugen, überfluten die Ängste unseren Gefühlshaushalt.
Momentan steht die Welt auf dem Kopf. Unsere Existenz in Europa ist bedroht wie wohl noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Stichworte: Klimawandel, Hitzeperioden, Waldbrände, Überschwemmungen, Coronapandemie, Ukrainekrieg, Energiemangel, diktatorisches Gebaren vieler Autokraten. Die Liste könnte problemlos erweitert werden.
Das alles sind weltliche Probleme, die uns ängstigen. Als ob das nicht genug wäre, treten auch religiöse Eiferer auf den Plan, die Kapital aus den Ängsten schlagen wollen und das Endzeitfieber schüren. An vorderster Front die christlichen Fundis mit der Bibel in der Hand.
Die Geschichten, die das Buch der Bücher für die Endzeit bereithält, haben es in sich. Die Bilder dazu sind so martialisch wie bei kaum einer anderen Religion.
Für das endzeitliche Trauma ist vorrangig Johannes von Pathmos zuständig. In seiner Offenbarung beschreibt er Szenarien, die das Blut in den Adern gefrieren lässt. Der zürnende Gott erscheint als Despot und Tyrann. Er lässt Seuchen grassieren, das Meer brennen und schickt am Ende der Zeit apokalyptische Reiter los, die die Menschen quälen.
Einer hat die Macht, die Erde ins Chaos zu stürzen, damit die Menschen einander umbringen. Ein anderer symbolisiert den Tod, der die Hölle hinter sich herzieht. Er besitzt die Macht, ein Viertel der Erde zu zerstören.
Seuchen grassieren, das Meer brennt, Katastrophen peinigen die Menschen. Diese möchten sterben, doch der Tod flieht von ihnen. Sie versuchen vergeblich, den Qualen zu entkommen.
All diese Gräueltaten werden von unserem Gott dem Schöpfer ausgelöst, der den Gläubigen in den Sonntagspredigten als der gütige und barmherzige Vater dargestellt wird, der uns aus Liebe nach seinem Ebenbild geschaffen und seinen Sohn für uns geopfert hat. Es ist schwierig zu verstehen, wie das alles zusammenpasst.
Es ist denn auch die Bibel, die gläubige Christen heute ängstigt. Denn das «heilige Buch» prophezeit genau solche Krisen für die bevorstehende Endzeit, wie wir sie heute erleben.
Besonders Fromme sehnen in ihrer religiösen Verblendung die Apokalypse herbei. Viele Freikirchen erklären denn auch, wir würden «in den letzten Tagen» leben.
Die Gläubigen hoffen, die Gnadenzeit zu erleben und die angebliche Vollendung der Menschheitsgeschichte mitzubekommen. Vor allem aber sind sie von der Sehnsucht beseelt, direkt ins Paradies dislozieren zu können.
Die Zeugen Jehovas zum Beispiel haben deshalb schon mehrfach konkrete Endzeitdaten genannt, um schliesslich zu erkennen, dass wir Menschen für die aktuellen apokalyptischen Bedrohungen verantwortlich sind. Und sich Gott offenbar keinen Deut darum kümmert, wie es uns Menschen in Krisenzeiten so ergeht.