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Fromme Christen sehen in den aktuellen Krisen apokalyptische Zeichen

St Eval, Wadebridge PL27 7UG, UK 4. Juli 2022 Ein christlicher Kreuzgrabstein im Friedhof der St. Eval Norman mittelalterlichen Kirche. 13. Jahrhundert
Bild: Shutterstock
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Von der Krise in die Apokalypse: Wie fromme Christen die Endzeit fühlen

Die aktuellen Katastrophen und Bedrohungen wecken bei vielen Menschen Endzeitängste.
27.08.2022, 08:0727.08.2022, 13:50
Hugo Stamm
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Die Angst ist unser ständiger Begleiter. Es gibt immer etwas, vor dem wir uns fürchten. Die Intensität der Bedrohungen ist aber meist unterschiedlich.

Es gibt allerdings zwei Ängste, die alle Menschen existenziell bedrohen. Der eigene und der kollektive Tod, das individuelle Ableben und apokalyptische Ereignisse. Wobei das Sterben für die Betroffenen eine individuelle Art der Apokalypse ist. So sind die zwei Urängste gleichermassen die beiden Seiten einer Medaille.

Apokalyptische Bedrohungen gibt es seit Menschengedenken. Ereignisse, denen wir schutzlos ausgeliefert sind, wecken reflexartig und intuitiv Endzeitängste: Erdbeben, Waldbrände, kriegerische Zerstörungen usw.

Religionen sind zuständig für die apokalyptischen Szenarien

Zuständig für solche Ängste sind vorwiegend Religionen und Glaubensgemeinschaften. Sie interpretieren apokalyptische Bedrohungen religiös. Schon in vorchristlicher Zeit kultivierten viele Religionen die Idee von der Apokalypse. Doch kaum eine andere Lehre ging dabei so radikal ans Werk wie die christliche.

Die Angst vor der Apokalypse ist also tief in unser Bewusstsein gestanzt und Teil unserer DNA. Die Endzeitbefürchtungen sind aber nicht in allen Epochen gleich virulent. Bewegt sich die Welt in einigermassen ruhigen Bahnen, sind wir nicht sonderlich beunruhigt. Gerät sie aber aus den Fugen, überfluten die Ängste unseren Gefühlshaushalt.

Momentan steht die Welt auf dem Kopf. Unsere Existenz in Europa ist bedroht wie wohl noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Stichworte: Klimawandel, Hitzeperioden, Waldbrände, Überschwemmungen, Coronapandemie, Ukrainekrieg, Energiemangel, diktatorisches Gebaren vieler Autokraten. Die Liste könnte problemlos erweitert werden.

Das alles sind weltliche Probleme, die uns ängstigen. Als ob das nicht genug wäre, treten auch religiöse Eiferer auf den Plan, die Kapital aus den Ängsten schlagen wollen und das Endzeitfieber schüren. An vorderster Front die christlichen Fundis mit der Bibel in der Hand.

Die Geschichten, die das Buch der Bücher für die Endzeit bereithält, haben es in sich. Die Bilder dazu sind so martialisch wie bei kaum einer anderen Religion.

Leo Bigger, der Senior-Pastor der Megachurch ICF in Zürich, zum Thema Wiederkunft von Jesus am Ende der Tage.Video: YouTube/ICF Church (Zürich)

Gott als Despot und Tyrann

Für das endzeitliche Trauma ist vorrangig Johannes von Pathmos zuständig. In seiner Offenbarung beschreibt er Szenarien, die das Blut in den Adern gefrieren lässt. Der zürnende Gott erscheint als Despot und Tyrann. Er lässt Seuchen grassieren, das Meer brennen und schickt am Ende der Zeit apokalyptische Reiter los, die die Menschen quälen.

Einer hat die Macht, die Erde ins Chaos zu stürzen, damit die Menschen einander umbringen. Ein anderer symbolisiert den Tod, der die Hölle hinter sich herzieht. Er besitzt die Macht, ein Viertel der Erde zu zerstören.

Seuchen grassieren, das Meer brennt, Katastrophen peinigen die Menschen. Diese möchten sterben, doch der Tod flieht von ihnen. Sie versuchen vergeblich, den Qualen zu entkommen.

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All diese Gräueltaten werden von unserem Gott dem Schöpfer ausgelöst, der den Gläubigen in den Sonntagspredigten als der gütige und barmherzige Vater dargestellt wird, der uns aus Liebe nach seinem Ebenbild geschaffen und seinen Sohn für uns geopfert hat. Es ist schwierig zu verstehen, wie das alles zusammenpasst.

Besonders fromme Christen sehnen in ihrer religiösen Verblendung die Apokalypse herbei. Viele Freikirchen erklären denn auch, wir würden «in den letzten Tagen» leben.

Es ist denn auch die Bibel, die gläubige Christen heute ängstigt. Denn das «heilige Buch» prophezeit genau solche Krisen für die bevorstehende Endzeit, wie wir sie heute erleben.

Die Sehnsucht nach dem Paradies

Besonders Fromme sehnen in ihrer religiösen Verblendung die Apokalypse herbei. Viele Freikirchen erklären denn auch, wir würden «in den letzten Tagen» leben.

Die Gläubigen hoffen, die Gnadenzeit zu erleben und die angebliche Vollendung der Menschheitsgeschichte mitzubekommen. Vor allem aber sind sie von der Sehnsucht beseelt, direkt ins Paradies dislozieren zu können.

Die Zeugen Jehovas zum Beispiel haben deshalb schon mehrfach konkrete Endzeitdaten genannt, um schliesslich zu erkennen, dass wir Menschen für die aktuellen apokalyptischen Bedrohungen verantwortlich sind. Und sich Gott offenbar keinen Deut darum kümmert, wie es uns Menschen in Krisenzeiten so ergeht.

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Hugo Stamm, Sektenblog
Bild: zvg
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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Tipps von der Sexpertin
Lara und ich vögeln ja wieder mit anderen. Und ich dachte, warum nicht mal mit einer Fachfrau zurück ins Game und habe eine Sexologin gedatet.

Ich glaube, der Exkurs in die Monogamie hat mir neue Türen geöffnet. Oder aber meine Euphorie, wieder mit anderen schlafen zu können, ist ansteckend. Oder, dritte Option, es ist alles gleich wie früher, aber weil ich nun eine Weile «raus» war, denke ich, es ist alles anders. Wie wenn man reisen ging, dann schätzt man das WC zuhause ja auch plötzlich wieder ganz anders.

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