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«Ich wusste, dass mein toter Bruder zuhause beim Vater im Himmel ist.»

Retro-Röhrenfernseher vor orange-gelber Wand.
Steht SRF drauf, ist aber christlicher Eifer drin. Bild: Shutterstock
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Wie das SRF christlichen Eiferern ein Schaufenster bietet

Die Sendung «Fenster zum Sonntag» des Schweizer Fernsehens ist eine fragwürdige Missionsaktion.
04.03.2023, 09:1505.03.2023, 18:53

Der christliche Glaube treibt in der freikirchlichen Ausprägung seltsame Blüten. Gläubige instrumentalisieren Gott für alle möglichen und unmöglichen Zwecke. Er muss Hoffnungen wecken, Sehnsüchte befriedigen, für eine emotionale Bindung sorgen, Trost spenden und seinen Schäfchen in allen Lebenslagen zu Hilfe eilen, vor allem in gefährlichen.

Als Vehikel für die Verbreitung eines solchen Glaubensverständnisses gibt sich das Schweizer Fernsehen hin. Samstag für Samstag strahlt es seit vielen Jahren die Sendung «Fenster zum Sonntag» aus, die ein kindliches Gottesbild transportiert. So auch am vergangenen Samstag.

Moderator Ruedi Josuran, selbst ein frommer Christ, porträtierte Caroline und André Gafner. Das Ehepaar taumelte von Schicksalsschlag zu Schicksalsschlag. Caroline erzählte, dass sie als fünfjähriges Mädchen von einem Nierenkrebs befallen wurde, weshalb das Organ entfernt werden musste. Der Eingriff habe ihr Leben beeinträchtigt.

Hier kannst du die Sendung sehen – urteile selbst:

Der nächste Schicksalsschlag holte sie als 18-Jährige ein. Nach einem Überholmanöver baute sie einen Unfall, bei dem ihr 12-jähriger Bruder starb. Sie habe noch im Spital für ihren toten Bruder gebetet und mit Gott gehadert, erzählte sie. «Es kann doch nicht sein, dass du meinen 12-jährigen Bruder aus dem Leben reisst und ich damit weiterleben muss», schalt sie Gott.

Hier entlarvte sich der dogmatische Glaube ein erstes Mal. Später schloss sie dann Frieden mit dem traumatisierenden Ereignis: «Ich wusste, dass mein Bruder zuhause beim Vater im Himmel ist.» Ihr Glaube und die «lebendige Beziehung zu Gott» hätten ihr geholfen, «den Unfall zu überstehen».

Die gläubige Christin ist überzeugt, dass Gott ihr eine neue Gebärmutter geschenkt hat.

Nach Eileiterentzündung brach in ihr eine Welt zusammen

Dann der nächste Schlag: Nach einer Eileiterentzündung habe die Gebärmutter wie eine verbrannte Erbse ausgesehen, sagte Caroline Gafner. In ihr sei eine Welt zusammengebrochen, weil sie wusste, dass sie keine Kinder bekommen könne. Man fragte sich als Zuschauer: Weshalb quälte Gott seine Verehrerin schon wieder? Damit er ein weiteres Wunder demonstrieren konnte?

Man ahnt es: Gott richtete es auch diesmal. Das ging so: «In einem Gottesdienst wurde für kinderlose Ehepaare gebetet. Mein Herz begann wie verrückt zu schlagen», sagte Caroline Gafner. Das Ehepaar ging schnurstracks heim und verkroch sich unter der Bettdecke.

Und siehe da, Gott bewirkte das nächste Wunder. Nach neun Monaten brachte Caroline Gafner eine Tochter zur Welt. Ihr Kommentar in der Sendung: «Gott hat mir eine neue Gebärmutter geschenkt.»

Man fragt sich: Wie hat er das angestellt? Mit einem Zauberstab? Oder einer spirituellen Operation?

Dann holte Ruedi Josuran ihren Mann André an den Tisch. Auch er schwebte mehrfach zwischen Tod und Leben. Der Magenbeipass, den er wegen seines Übergewichts einsetzen liess, war ein erstes einschneidendes Erlebnis.

Dramatisch wurde es aber ein halbes Jahr später. Er litt tagelang an unerträglichen Bauchschmerzen. Als er es nicht mehr aushielt, begab er sich ins Spital. Diagnose: ein vor sechs Tagen geplatzter Blinddarm. Der ganze Thorax war massiv entzündet, sein Leben hing an einem seidenen Faden. In einer nächtlichen Notoperation retteten ihn die Ärzte.

Die fromme Frau klagte zu Gott: «Du kannst mir nicht den Mann nehmen»

Nach anfänglicher Besserung verschlechterte sich sein Zustand wieder, nach zehn Tagen war eine zweite Operation nötig. Als dann noch ein «Schlitz im Darm» auftrat, sei eine weitere Operation nicht mehr möglich gewesen, erzählte André Gafner.

Seine Frau war verzweifelt: «Ich ging aufs Feld und betete.» Sie schrie aber auch Gott an: «Du kannst mir doch nicht meinen Mann nehmen», klagte sie. Über ihrem Haus bildete sich danach ein Regenbogen und ein Kauz schaute sie an.

Diese Erscheinungen interpretierte sie als Signal Gottes, dass er ihren Mann retten werde. Was dann auch auf wundersame Weise geschehen sei.

Wer hat den Patienten gerettet? Gott oder die Ärzte?

Auch hier drängen sich Fragen auf, die sich Gläubige offenbar nicht stellen: Wer hat das Leben von André Gafner nach dem geplatzten Blinddarm gerettet? Die Antwort ist aus nüchterner Warte und logischer Konsequenz offensichtlich.

Die Gafners (und Ruedi Josuran) müssten sich auch fragen, weshalb Gott André nicht früher die Eingebung vermittelt hatte, dass er seit Tagen in Lebensgefahr schwebte. Oder: Warum hat Gott ihn so lang leiden lassen, wenn er ihn schliesslich doch mit einer «Wunderheilung» rettete?

Danach ist in der Sendung wieder Caroline Gafner an der Reihe. Sie berichtete, ihre Wirbelsäule habe bei der Nierenoperation Schaden genommen und sich verkrümmt. Sie musste im Erwachsenenalter mit zwei Operationen versteift werden.

Kurz darauf erlitt sie eine doppelte Lungenembolie und schwebte zwischen Leben und Tod. Dank einer Notoperation überlebte sie die gefährliche Situation. Für Caroline Gafner ist klar, dass Gott seine schützende Hand über sie gelegt hatte.

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«Gott ist treu und greift immer wieder ein»

Zum Schluss fragte Ruedi Josuran sie, ob ihr all die Schicksalsschläge irgendwann nicht zu viel geworden seien? Ihre wenig überraschende Antwort: «Für mich ist es essenziell, dass Gott so treu ist und immer wieder eingreift.»

Fazit: Jede und jeder darf glauben, was er will und sein Gottesbild den eigenen Ängsten, Wünschen, Hoffnungen und Sehnsüchten anpassen. Dass aber das Schweizer Fernsehen freikirchlichen Institutionen eine wöchentliche Plattform bietet, ist mehr als bedenklich. Denn das Fenster zum Sonntag ist eine reine Missionsaktion christlicher Eiferer.

Die Sendung sollte aus dem Programm gekippt werden. Oder die Freidenker müssten als Ausgleich gleich viel Sendezeit bekommen.

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Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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660 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Händlmair
04.03.2023 08:58registriert Oktober 2017
Die Sendung wird vom religiösen Medienunternehmen ERF Medien aus Pfäffikon ZH produziert und von SRF übernommen. ERF Medien schreibt über sich "Als multimediales Medienunternehmen berichten wir via Radio, TV, Internet und Print von der Liebe Gottes zu allen Menschen."
Der CEO ist Hanspeter Hugentobler, Kantonsrat der EVP.
Die Aufnahmen werden bei Alphavision in Wangen b. Olten aufgenommen. Hinter Alphavision steht die Stiftung Christliches Fernsehen. Zweck dabei. Förderung und Verbreitung von christlichen Gedanken- und Kulturgut.

Hallo das nenne ich Missionierung und das im Staatsfernsehn.
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bullygoal45
04.03.2023 09:05registriert November 2016
In einem Kinderlager hatte ich Kopfschmerzen. Man ist dann zu sechst um mich gstanden, hat die Hände aufgelegt und gebetet.

Ich wurde bald gefragt, ob es schon besser sei. Das Ganze wurde etwa drei Mal wiederholt, bis es mir so unangenhm wurde und ich gesagt habe, die Kopfschmerzen seien fast weg.

Ein Wunder!
18816
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Butschina
04.03.2023 09:03registriert August 2015
Ich persönlich habe bereits viele Schicksalsschläge in Form von Krankheit, Unfall und Missbrauch erleidet. Mir hilft mein Glaube an Gott. Das mag für viele unverständlich sein. Genau wie manche Dinge bei Anderen für mich unverständlich sind. Für mich ist das Wichtigste, dieses dennoch zu respektieren. Jemand krankhaft und sehr forsch fordernd von etwas zu überzeugen finde ich persönlich generell falsch und nie zielführend.
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Healing for f*cking
Gina wollte mein Potential «unleashen» und mein «Herzchakra» heilen ...
Manchmal muss Mann sich für Sex ja etwas ins Zeug legen. Ein bisschen was über sich ergehen lassen. Vielleicht einen miesen Kitschfilm schauen. Oder ein Dinner spendieren, obwohl die Gespräche nicht so spannend sind. Mann tut manchmal viel, wenn man Sex will.
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