Die Konsummentalität hat unser Leben und unsere Gesellschaft grundlegend verändert. Ich kann heute immer und überall einkaufen, also bin ich. Dafür sorgen die Einkaufszentren und das Internet.
Es ist kein Zufall, dass wir von Einkaufstempeln sprechen. Oder vom Kaufrausch. Dieser kann süchtig machen wie die Jagd nach dem spirituellen oder religiösen Heil. Einkaufen als heilige Handlung. Als Gottesdienstersatz.
Die Zwillingsgeschwister des Kaufrausches sind der Wellnesskult und die Alternativmedizin. Eine riesige Industrie sorgt dafür, dass ein Körper zum heiligen Tempel wird, zur Wohlfühloase. Spa- und Wellnesshotels verwöhnen die Gäste, Ayurweda-Ferien sorgen für Entspannung, Bodyshops bieten ein Arsenal an Produkten, die unserem Körper schmeicheln sollen.
Für die asketische Form des Körperkultes sind die Fitnessstudios zuständig. (Diese sorgen immerhin dafür, dass wir unserem Körper etwas Gutes tun, ihn nämlich trainieren und stärken, was im Gegensatz zum Wellnesstrend nachhaltig ist.)
Auch die Alternativmedizin profitiert vom Kult der Selbstvergottung. Die als sanft gepriesenen Heilmethoden versprechen eine Generalheilung ohne Nebenwirkung. Wir können bei jeder Unpässlichkeit homöopathische Kügelchen in uns hineinstopfen, ohne unserem Körper zu schaden. Denn die Globuli enthalten keine Wirkstoffe und produzieren deshalb auch keine Nebenwirkungen. Aber sie vermitteln uns den Irrglauben, fast alle Krankheiten auf wundersame Weise heilen zu können.
Ähnlich verhält es sich mit den mehreren hundert alternativen Heilmethoden, die ganz im Sinn des Wellnesskults magische Heilung versprechen.
Hauptursache für die vielen ersatzreligiösen Methoden, Praktiken und Angebote sind die Individualisierung und die massiv gestiegenen Ansprüche, die wir in unserer Konsumwelt entwickelt haben. Sie haben das Lebensgefühl und die Perspektive auf das Leben radikal verändert.
War vor etwa hundert Jahren die Sicherung der Existenz der primäre Lebensinhalt, ist es heute die Selbstverwirklichung. Dies ist zwar eine erfreuliche kulturelle und ökonomische Leistung, allerdings sind die Schwerpunkte falsch gesetzt. Statt sich dank Wohlstand und Freizeit geistig zu entwickeln, stehen die materielle Bedürfnisbefriedigung und die Eventkultur im Vordergrund.
Diese überborden in einem Mass, dass bereits Dekadenzerscheinungen sichtbar werden. Die Individualisierung und die Wertverschiebungen setzen den traditionellen christlichen Religionen zu, bei denen es um Glaube, Hoffnung und Busse geht. Der moderne Konsummensch hat nämlich einen Machbarkeitsrausch entwickelt und will nicht auf die Erlösung durch Gott warten.
Vielmehr will er das Heil auf sicher haben. Dieses bieten ihm die unzähligen esoterischen Disziplinen, die vermeintlich das höhere Bewusstsein und die Erleuchtung versprechen.
Somit hat die Konsummentalität auch den religiösen Raum erreicht und pflügt diesen komplett um. Deshalb sind alle Bestrebungen der Landeskirchen, ihre Angebote attraktiver zu machen, Kosmetik. Schliesslich hat Jesus die Händler und Geldwechsler symbolhaft aus dem Tempel geworfen. Diese starke Handlung ist Programm, das nicht so leicht auf den Kopf gestellt werden kann. Dazu müsste die Bibel umgeschrieben werden.