Wirft man einen Blick auf die politische Weltkarte, wird es zunehmend düster, ja zappenduster. Vor wenigen Jahren noch glaubten wir, die Demokratie, die beste aller schlechten Regierungsformen, pflüge sich unaufhaltsam in die hintersten Ecken dieser Welt vor und sorge für halbwegs gerechte politische Verhältnisse. Schliesslich führt diese Staatsform die Menschenrechte im Schlepptau.
Doch seit ein paar Jahren breiten sich die dunklen Flecken auf der Weltkarte rasant aus. Nicht etwa, weil sich die Völker nach repressiven oder autoritären Systemen sehnen, nein, der Grund ist ebenso einfach wie fatal: An die Macht drängen zunehmend Machiavellisten und Narzissten, die in ihrem Grössenwahn und Machtdrang Guru-Allüren entwickeln, sich als Heilsbringer gebärden und ihren Staat wie eine Sekte führen möchten.
Die Liste dieser «Sektenführer» ist inzwischen bedrohlich lang. Assad zerbombt «sein» Syrien in Schutt und Asche, um sich an der Macht zu halten. Dabei knebelt und ermordet er einen Grossteil seines Volkes, das sich gegen ihn aufgelehnt hat. Bezeichnend ist, dass ein ahnungsloser Knabe, der ein harmloses regierungskritisches Graffiti an die Wand seiner Schule gesprayt hatte, die kriegerischen Säuberungsaktionen auslöste.
Das erinnert an Sektenführer Jim Jones, der über 900 Anhänger in den Tod trieb oder ermorden liess, weil Abtrünnige gegen ihn vorgehen wollten.
Den Umbau eines demokratischen Staates in eine Ich-AG erleben wir aktuell vor den Toren Europas. Der türkische Staatspräsident Erdogan verfolgt alle, die sich für die demokratischen Rechte einsetzen, mit beispielloser Härte. Die Losung, die wir von Sekten kennen, heisst: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.
So verfolgt Erdogan seine türkischstämmigen Kritiker über die ganze Welt und droht öffentlich, ihnen den Kopf abzureissen. Unliebsame Richter und Beamte werden verhaftet, die Gewaltenteilung untergraben. In der Türkei herrscht ein Willkürsystem.
Ähnliche Entwicklungen erleben wir in Ungarn und Polen, notabene zwei EU-Länder, die von autokratischen Narzissten umgebaut werden. Zwar hat der polnische Präsident Duda eine geplante Justizreform der nationalkonservativen Regierung teilweise blockiert, doch die Gefahr besteht weiter, dass die Gewaltentrennung ausgehebelt wird.
Ein Sonderfall ist auch der philippinische Präsident Duterte. Mit religiösem Eifer will er sein Land säubern und ihm neue moralische Normen verpassen. Kleine Drogendealer werden zu Tausenden verfolgt, viele kommen dabei zu Tode, und als Abschreckung will er die Todesstrafe wieder einführen – wie übrigens auch Erdogan.
Putin agiert dagegen geschickter. Zwar hat auch er Allmachtsfantasien und sieht sich als Heilsbringer, doch er hängt sich zur Tarnung seiner autokratischen Absichten ein dünnes Demokratie-Mäntelchen um.
Denn auch er schränkt die Pressefreiheit ein, verfolgt seine Gegner und zügelt die Gerichte. Methoden, wie sie Sektenführer in ihren Bewegungen perfektioniert haben.
Auch Donald Trump, Präsident einer der ältesten Demokratien, sieht sich als Heilsbringer und führt sich wie ein solcher auf. Auffälligstes Merkmal ist dabei sein Narzissmus und sein krankhaft übersteigertes Selbstwertgefühl. Auch sein sexistisches Verhalten erinnert an viele Sektenführer, die ihren Anhängerinnen an die Wäsche gehen.
Sektenhaft verhalten sich aber nicht nur die Staatsführer in den genannten Ländern, sektenhaft haben sich auch grosse Teile ihrer Bevölkerung gebärdet: Sie sehnen sich nach vermeintlich starken Führern und geben diesen ihre Stimme. Das erinnert zwangsläufig an den Spruch: «Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.» Willkommen in der neuen Sektenwelt.