Das Blutbad des 21-jährigen österreichischen Amokschützen, der am Dienstag in Graz neun Schülerinnen und Schüler sowie eine Lehrerin erschossen hat, erschütterte Österreich. Unser Nachbarland trauerte wie selten nach einem tragischen Grossereignis.
Keine Zeit zum Trauern hatten die Anhängerinnen und Anhänger der Sekte Transzendentale Meditation (TM) des verstorbenen indischen Gurus Maharishi Mahesh Yogi. Sie schickten den Medien einen Offenen Brief, der an Pietätlosigkeit kaum zu übertreffen ist.
Schon der Titel ist entlarvend: «Die Schule – ein Hort der Persönlichkeitsbildung und Bewusstseins-Entwicklung pervertiert zu einem Ort der Gewalt.» Die Sektenanhängenden fragen die Meinungsführenden, warum «wissenschaftlich fundierte und in der Praxis erprobte Lösungen zur Gewaltreduktion seit Jahren ignoriert» werden.
Die Botschaft ist klar: Wir hätten die Lösung, um das Gewaltpotential einzuschränken, doch die verruchte Welt verschmäht sie.
Die TM-Anhänger prangern die Entscheidungsträgerinnen und -träger an: «Wann erkennen sie endlich, dass im Rahmen der derzeitigen konventionellen Sicherheitseinrichtungen keine verlässlichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, Gewaltphänomenen in der Gesellschaft vorzubeugen - sie zu verhindern.»
Sie verweisen auf ihre neue «in der Praxis erprobten Gewaltschutz-Programme». Es habe sich nämlich gezeigt, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Ausbruch von Gewalt in der Gesellschaft und dem Stressniveau im Kollektivbewusstsein bestehe, erklären die Sektenmitglieder.
Mit speziellen Bewusstseinstechnologien könne der kollektive Stress abgebaut werden und es entstehe «ein harmonisches, friedliches Klima». Damit werde den Gewaltausbrüchen die Basis entzogen, was die effizienteste Art der Prävention sei.
Statt den trauernden Angehörigen ihr Beileid auszudrücken, gebärden sich die Sektenanhänger als überhebliche Besserwisser und nutzen den Amoklauf des ehemaligen Schülers für ihre Propaganda und Mission.
Wie ihre Präventionsmethode aussieht, verraten die Sektenanhänger nicht. Der Name ihrer weltweiten Bewegung lässt es aber erahnen: Sie sehen ihr Heilmittel in ihrer Meditationsmethode, die Wunder und ein Zeitalter der Erleuchtung bewirken soll.
Sie sind überzeugt, mit der Kraft der Meditation die Gravitation überwinden zu können. Das Zauberwort: Yogisches Fliegen. Die Schweizer Anhänger behaupteten früher, sie könnten einst von ihrer ehemaligen Residenz in Seelisberg auf den Urnersee hinunterfliegen.
Auch heute noch üben sie das Fliegen und Hüpfen im Schneidersitz auf weichen Matten. Die besten yogischen Flieger haben es zwar zu einer sportlichen Höchstleistung gebracht, doch nach Fliegen sieht ihr Hopsen immer noch nicht aus.
Die Sektenanhänger wollten schon in den 1990er-Jahren für den Weltfrieden sorgen. Der damalige Schweizer TM-Chef Felix Kägi kandidierte für den Zürcher Regierungsrat. Das Programm seiner Naturgesetz-Partei: Er wollte 300 yogische Flieger einstellen, die rund um die Uhr meditieren würden.
Sie sollten ein Kraftfeld zum Wohl der Bevölkerung erzeugen und die Welt friedlicher machen. Dann gebe es weniger Unfälle und Konflikte, weshalb es weniger Spitäler, Polizisten und Richter brauchen würde. Die yogischen Flieger könnten eine «unbesiegbare Schweiz» schaffen, behauptete Kägi im Wahlkampf.
Die «Friedenspläne» von TM gingen und gehen noch weiter. In Zeitungsinseraten warnten sie die Politikerinnen, Politiker und die Bevölkerung vor Gebäuden, die Unglück bringen würden. «Bitte, benutzen Sie sie nicht mehr», empfahl die Sekte.
Um den Weltfrieden zu schaffen, müssten alle grossen Städte der Welt niedergewalzt und nach alten hinduistischen Erkenntnissen neu aufgebaut werden. Die TM-Yogi legten Pläne vor: Alle Häuser und Strassen müssten nach den Haupthimmelsrichtungen ausgerichtet werden, die Eingänge nach Osten zeigen. Sonst würde es gefährlich.
In Genf und Lausanne sollten laut den TM-Anhängern Musterstädte gebaut werden. Anschliessend wollten sie auch Zürich, Basel, Bern, Luzern und St. Gallen plattwalzen. Danach wäre die Schweiz unbesiegbar, behauptete Kägi, der den Titel «Seine Hoheit Raja Dr. Felix Kägi» trug. Ein Studium hatte er jedoch nie abgeschlossen und auch keine Dissertation geschrieben.
Sollten die Städte seinem Rat nicht folgen, drohten grosse Gefahren, erklärte er. Wer beispielsweise nördlich eines Sees oder Flusses wohne, «schafft einen Einfluss von Zerstörung, Furcht vor Feinden, Verbrennungen am Körper und Feuer im Gebäude».
Fazit: Sektenhafte Verblendung und Indoktrination können zu einem dramatischen Realitätsverlust führen. Und zum Absturz in eine abstruse Parallelwelt.