Es war der 7. Januar 2015. Paris, die Stadt der Liebe, wurde angegriffen. Von vermummten, eiskalten, determinierten jungen Männern, denen man offenbar das Paradies versprochen hatte, wenn sie möglichst viele Ungläubige – darunter Karikaturisten – töteten.
Die Bestürzung war gross, auch bei unseren Kindern, deren Papa Franzose ist. Damals konnten wir etwas abschwächen und es damit erklären, dass gewisse Menschen es nicht ertragen, wenn man mit ihrem Propheten rumalbert – wenn auch nur auf dem Papier. Dass diese Menschen vollkommen überreagiert hätten.
Jetzt auf
Die Place de la République betrifft uns
Charlie Hebdo machte sie zwar betroffen – es betraf sie aber nicht. Die Place de la République hingegen ist der Ort, an dem unsere Kinder letztes Jahr mit jungen Hip Hop Tänzern gegrooved haben. Wo meine Tochter zum ersten Mal eine Miesmuschel probiert hat. Die Place de la République war das Zuhause meines Vaters, als er als 20-Jähriger nach Paris gezogen ist.
Die Place de la République Platz ist ein Symbol der Aufklärung und für unsere Familie mit Erinnerungen behaftet. Auf diesem Platz wurden letzten Freitag Menschen kaltblütig erschossen.
Ich schreibe diese Zeilen Samstagnachmittag, meine Kinder haben – Pfadi und Coiffeur sei dank – noch nichts vom Horror mitgekriegt.
Werden Sie aber. Wie sage ich ihnen, dass der Ort, an dem wir so viel Spass hatten, Schauplatz von Terrorismus war? Wie erkläre ich ihnen Terrorismus, ohne sie zu erschrecken, so dass sie ihre gerade erst gewonnene Reiselust verlieren?
Die Empfehlungen von Geneviève Djenati
Geneviève Djenati weiss es. Anlässlich der Anschläge auf «Charlie Hebdo» gab die Bewohnerin des Quartiers der République in Paris der «Madame Figaro» ein Interview. Ihre Kernaussagen:
Setzen Sie Ihre Kinder unter keinen Umständen den Bildern im Fernsehen aus.
Auch wenn Sie Angst haben, dürfen Sie sich nicht einschliessen im familiären Cocon. Solche Verhaltensweisen lösen Psychosen und Angstzustände aus. Gehen Sie raus!
Bis etwa 9-jährig möchten Kinder nur beschützt werden und können nicht unterscheiden, ob das auch in ihrem Dorf passieren wird, oder ob die Ereignisse weit weg sind.
Ab 9 Jahren entwickeln Kinder Gefühle von Abneigung gegen die «Bösen», welche sie auch verbal äussern. In diesem Alter definieren sie ihre Werte und Helden.
Lassen Sie das Kind mit dem Thema auf Sie zukommen, nicht umgekehrt. So finden Sie raus, was es verstanden hat und was nicht.
Wenn Sie darüber reden: Nichts verschönern, aber benutzen sie keine harten Worte, die Situation ist schlimm genug.
Vermeiden Sie Schuldzuweisungen, gerade in der heutigen Situation in Europa.
Kleinere Kinder, die gar nichts dazu sagen, sollte man beobachten. Solche, die bspw. Mühe mit einschlafen haben, sollten ihren Ängsten Ausdruck verleihen dürfen. Reden Sie in Ruhe und ohne Panik mit Ihrem Kind darüber. Nehmen Sie Bezug auf Situationen, die es kennt und finden Sie raus, was für ihn «Krieg» bedeutet.
Teenager werden ziemlich sicher darüber sprechen, sie sind wütend und wollen debattieren.
Es ist wichtig, dass die Kinder auch untereinander darüber reden können, um ihre Gefühle zu managen.
Vermeiden Sie die Opferhaltung, das macht den Kindern nur Angst und zeigt ihnen, dass wir Erwachsenen nicht alles im Griff haben, obwohl wir ihnen das sonst immer weismachen wollen.
Erklären Sie Ihren Kindern, dass es viel mehr Menschen gibt, die helfen, die Sanitäter pflegen die Verletzten, die Polizei sucht die Täter etc. Gerade wenn man neue Erkenntnisse hat und bspw. die Namen der Terroristen kennt. Das zeigt dem Kind, dass es vorwärts geht.
Für Mütter und Väter in der Schweiz – «wir eltern»
Bitte schiebt die Schuld nicht auf die Flüchtlinge!
Heute morgen habe ich zum ersten Mal gedacht «Welche Welt haben wir für unsere Kinder geschaffen?» und hatte Angst. Blankes Entsetzen und Schuldgefühle.
Deshalb noch eine Bitte von mir persönlich: Bitte schiebt die Schuld nicht auf die Flüchtlinge, die gerade Europa fluten. Sie sind genau solche Opfer, wie die Pariser auch. Dieser Terrorismus ist genau das, was sie hinter sich lassen möchten, denn sie haben noch viel mehr Angst als wir. Sie haben diesen Terror bereits am eigenen Leib verspürt, oder ihre Angehörigen. Die Flüchtlinge sind keine Terroristen, sie sind Opfer.
Charlie Hebdo und Co.: So protestieren die Karikaturisten
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Die beliebtesten Kommentare
Louie König
17.11.2015 16:21registriert Juni 2014
Als ich die Liste der Psychologin durchgegangen bin dachte ich mir: "Es steht nichts, vonwegen man solle nicht einer Völkergrupper o.Ä. die Schuld geben" und dann bin ich zu Ihrem Nachtrag gekommen und möchte Ihnen für diesen danken.
Ich habe es (für euch) getan und die technischste, aber vielleicht lehrreichste Nacht meines Lebens gehabt.
Ich sagte ihr, sie solle sich nicht zurückhalten, sie könne wirklich alles sagen, fordern, kritisieren, verlangen, bemängeln. Ich wolle hören und lernen.