Paris ist nicht sicher, wir sind nicht sicher – und damit werden wir leben müssen
Wieder Paris. Nach den Mitarbeitern von Charlie Hebdo trifft es dieses mal ganz zufällige Menschen, die in der französischen Hauptstadt ein Konzert einer Indie-Band besuchten, ein Fussball-Länderspiel sehen wollten oder ganz einfach im Cafe sassen. War der Anschlag auf Charlie Hebdo noch ein gezielter Anschlag auf die Meinungsfreiheit, ist diese Terrornacht als Anschlag auf das Vergnügen und die Entspannung des kleinen Mannes zu werten.
Dahinter stecken drei klare Botschaften:
- Es kann jeden treffen.
- In Paris könnt ihr euch, elf Monate nach Charlie Hebdo und trotz aller Sicherheitsbekenntnisse der Präsidenten und Staatenlenker, nicht vor uns schützen. Wir können jederzeit zuschlagen.
- Wenn wir das in Paris immer wieder können, dann schaffen wir das auch in London, Berlin oder Washington.
Noch bevor dem letzten Verletzten der Anschläge in Paris ein Verband angelegt wurde, gingen die Regierungschefs nächtens vor die Kameras, drückten ihr Bedauern aus und betonten, dass unsere demokratischen Werte unverrückbar seien.
Die Versammlungs-, und die Meinungsfreiheit sind zwei dieser Werte. Diese Werte sind es, die der IS bekämpft und die er uns, mit Mitteln des Terrors und der Verbreitung von Ängsten, nehmen will.
Um diese hochzuhalten werden wir, so schmerzhaft es ist, lernen müssen, mit Terrorangst umzugehen. Denn alles Gerede von einer absoluten, militärisch garantierten Sicherheit, ist – 15 Jahre nach 9/11, nach dem Irak-Krieg, nach dem Einmarsch in Afghanistan, nach dem Bombardement von Libyen, nach dem Tod Bin Ladens und nach dem Drohnen-Dauerbeschuss in Wasiristan – Makulatur. Absolute Sicherheit gibt es nicht und wir haben mit militärischen Mitteln in den letzten Jahren nicht gerade zur Verbesserung der Sicherheitslage beigetragen.
Solidaritätsbekundungen in Blau-Weiss-Rot
Doch stattdessen mehren sich, wie inzwischen nach jedem Attentat, die Stimmen des Zorns, die vor allem nach totaler Sicherheit verlangen. Der ausrangierte französische Staatschef Nicolas Sarkozy setzt sich unverhohlen mit der Forderung nach dem totalen Krieg gegen den IS in Szene. Und es ist davon auszugehen, dass weitere politische Kleingeister wie einst George W. Bush auf die Trümmer oder den Schauplatz steigen und Vergeltung fordern.
Es wird nicht bei Sarkozy bleiben. Ohne irgendwelche Lösungsansätze zu liefern, werden sich auch bei uns die Law-and-Order-Politiker und die Angstbewirtschafter in Szene setzen und harte Handlungen fordern. Wer sich aber jetzt, im Namen scheinbarer Sicherheit, für totale Überwachung und für die Beschränkung unserer Rechte stark macht, verfolgt, ob gewollt oder nicht, die gleichen Ziele wie der IS: Die totale Bekämpfung der toleranten, offenen Gesellschaft und ihrer Werte. Unsere Freiheit wird nicht am Hindukush verteidigt, sondern in unseren Köpfen.
