Viele Fragen sind offen, vieles ist noch unklar. Die Erkenntnisse zu den Hintergründen der Pariser Attentäter verdichten sich allerdings. Es ist wahrscheinlich, dass die Angreifer nicht nur vom Islamischen Staat (IS) inspiriert, sondern auch von diesem gesteuert waren. Darauf deuten das organisierte Vorgehen und die Ausstattung der Täter: Neben Sturmgewehren trugen sie Sprengstoffgürtel der identischen Bauweise. Das lässt auf Hintermänner mit Kenntnissen in Selbstmordterror schliessen. Roland Popp vom Zentrum für Sicherheitsstudien an der ETH Zürich, sagt: «Solche Anschläge brauchen wenig Vorbereitung und sind deshalb auch nur schwer zu entdecken.»
Die Sprengstoffgürtel wurden nach Einschätzungen aus französischen Sicherheitskreisen von einem Spezialisten angefertigt. Der Selbstmordterror wird als «Kriegsführung für Arme» bezeichnet. Wie die Pariser Angreifer an ihre Waffen kamen, ist derzeit nicht bekannt. Klar ist: Gerade Sturmgewehre sind leicht und günstig zu beschaffen. Selbst in den hoch regulierten Ländern Europas ist dies für Extremisten nicht allzu schwer. Eine Untersuchung von Europol zeigt: In einer europäischen Grossstadt lässt sich eine Kalaschnikow innert zwei Stunden auftreiben – für 900 Euro.
Bis zu 67 Millionen illegale Schusswaffen soll es Schätzungen zufolge in Europa geben. In vielen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens zerfielen die Sicherheitsapparate mit dem Ende des Bürgerkrieges. Waffen sind seither auf dem Schwarzmarkt für wenig Geld zu haben. Es blüht die Korruption: Aus dem Balkan gelangen Waffen in kleinen Mengen per Auto über die Grenzen. Europol spricht von «Ameisenschmuggel». Manche Schmuggler scheuen sich nicht vor Geschäften mit Terroristen. Denn was die Käufer mit den Waffen anstellen, scheint ihnen schlicht egal. Extremismus trifft so auf organisierte Kriminalität.
Aber wie haben die Attentäter ihre Tat geplant? Ihre Kommunikation war jedenfalls so ausgefeilt, dass sie von den Geheimdiensten unentdeckt blieb. Tatsächlich finden Terroristen immer Wege, sich auszutauschen. Der belgische Innenminister Jan Jambon warnte jüngst etwa: Potenzielle Täter könnten sogar Spielkonsolen wie die «Playstation 4» nutzen und in Games über Sprach-Chats kommunizieren.
Ebenso operieren Terroristen oft dezentralisiert. Es gibt keine Treffen oder keine Anrufe. Für ETH-Forscher Roland Popp ist darum auch klar: «Der Islamische Staat weiss genau, dass die elektronische Kommunikation abgeschöpft wird.» So verständlich die Rufe nach einem Ausbau der Überwachung sind – man müsse sich auch die Frage stellen, ob dieser wirklich zusätzliche Sicherheit bringe.