
Ein palästinensischer Student hämmert auf den Grenzzaun ein.
Bild: Majdi Mohammed/AP/KEYSTONE
Kommentar
Hightech-Mauern sind keine Lösung gegen den IS-Terror. Aber mit einem sinnvollen Einsatz
von Hightech können wir unsere Ölsucht überwinden und so dem Terror seine
wirtschaftliche Basis entziehen.
16.11.2015, 14:2216.11.2015, 21:05

Folgen
Wie können wir uns gegen den Wahnsinn des
IS-Terrors schützen? Das ist die zentrale Frage nach dem Attentat von Paris,
zumal befürchtet werden muss, dass weitere Anschläge folgen werden. Eine naheliegende Antwort lautet: Machen wir es wie Israel. Errichten wir unüberwindbare
Mauern um unsere Länder und stocken die Polizeikräfte so auf, dass Terroristen allenfalls
noch mit Messer und Auto attackieren können und die Schäden überschaubar
bleiben.
«Anstatt Israel zu verteufeln, sollten wir die erfahrenen und gut trainierten Experten nach Europa bringen und gemeinsam eine kohärente Anti-Terror-Strategie entwickeln.»
Ayaan Kirsi Ali, «Wall Street Journal»
Aber was wären die Folgen einer
«Von Israel lernen»-Lösung? Europa würde sich in eine gigantische «gated
community» verwandeln. Jedes Land würde sich mit hohen, mit Hightech bestückten,
undurchlässigen Mauern umgeben. Das Resultat kann man heute schon in Israel
sehen. Die Menschen werden lückenlos auf Schritt und Tritt und in allen
Lebenslagen überwacht. Israel wird immer mehr zu einer Dystopie im Sinne von
Aldous Huxleys Roman «Schöne neue Welt».

Mit Steinschleudern gegen die Armee: jugendliche Demonstranten in Jerusalem.
Bild: ABED AL HASHLAMOUN/EPA/KEYSTONE
Europa als Hochsicherheitszone wäre ein wirtschaftliches Desaster
Die Mauerlösung würde also nicht nur eine
massive Einschränkung unserer Freiheit und unserer Lebensqualität darstellen,
sie hätte auch wirtschaftlich weitreichende und katastrophale Konsequenzen.
Denn der freie Waren- und Personenverkehr ist zu einem zentralen Element der
europäischen Wirtschaft geworden. All dies wäre gefährdet. Europa als
Hochsicherheitszone wäre ein ökonomisches Desaster. Frankreich stellt sich
bereits jetzt auf einen massiven Einbruch des Tourismus-Geschäftes ein.
Sehr viel intelligenter als die Mauerlösung ist
es, die islamistischen Terroristen dort zu treffen, wo es wirklich weh tut, beim
Portemonnaie. Ob IS oder Al Kaida, beide sind existenziell auf Einnahmen aus
dem Ölgeschäft angewiesen. Der IS kontrolliert mehrere Ölfelder in Syrien und im Irak und erhält
wohl auch Spenden von Gönnern aus Ländern am Persischen Golf.
Ölsucht anstatt Energiewende
Unsere Ölsucht hält somit den islamistischen
Terror im Geschäft. Allein die Schweiz gibt jährlich mehr als zwölf Milliarden
Franken für den Import des schwarzen Goldes aus. Das müsste nicht sein. Dank
dem Fortschritt auf dem Gebiet der nachhaltigen Energie und der Digitalisierung
der Wirtschaft könnten wir grundsätzlich unsere Abhängigkeit vom Öl jetzt schon
drastisch herunterschrauben und langfristig ganz überwinden.
In der Praxis geschieht das Gegenteil: Am
schrillsten nach vermehrten Grenzkontrollen und einer Einschränkung des
Flüchtlingsstroms rufen ausgerechnet diejenigen Kreise, die an unserer Abhängigkeit
vom Öl festhalten wollen.

Irakische Truppen kämpfen gegen den IS um ein Ölfeld bei Tikrit.
Bild: STRINGER/REUTERS
Bei den Waffenexporten wird weggeschaut
Ähnlich schizophren die Situation bei den
Waffenexporten. Obwohl bekannt ist, dass auch Schweizer Waffen via
Saudi-Arabien den Weg zum IS finden, wird eine Einschränkung der Waffenexporte hierzulande mit Zähnen und Klauen bekämpft. Dafür wird umso lauter bekräftigt, dass wir uns
jetzt in einem Krieg mit dem islamischen Fundamentalismus befinden, obwohl
diese Art von Kriegen in Afghanistan und dem Irak nicht wirklich erfolgreich
waren.
Wir stehen damit vor einer paradoxen
Situation: Einerseits gibt uns der technische Fortschritt die Möglichkeit, uns
von unserer Ölsucht zu befreien und damit dem islamistischen Terror seine
wirtschaftliche Grundlage zu entziehen. Gleichzeitig verhindert eine
kurzsichtige Kriegsrhetorik und eine auf Mauerlösungen fokussierte,
nationalistische Politik, dass diese Errungenschaften auch umgesetzt werden. Das
kann nicht lange gut gehen.
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