Lernst du jemanden kennen, landet der Small Talk rasch beim Job. Man ist das oder dies und arbeitet für die oder jene Firma. Man ist in tolle Projekte eingebunden, bringt etliches ins Rollen und ist mit der Chefin per du. Oder man ist wegen der Arbeit hierhergezogen und man freut sich, montags in den Stollen zu gehen.
Schilderungen dieser Art sind fast schon gottgegeben – einschliesslich des Hangs zur Übertreibung und Schönfärberei. Frau und Herr Schweizer definieren sich stark über den Job. Die Arbeit muss etwas hergeben, anderes kommt nicht in die Tüte.
Ein Wort, das auch häufig fällt, ist Zufriedenheit: Man ist mit der Arbeit zufrieden, im Grossen und Ganzen sehr zufrieden sogar, heisst es typischerweise. Und wenn der aktuelle Job keinen Spass macht, ist man kurz davor abzuspringen, man wartet bloss auf das richtige Angebot.
Zufriedenheit ist eine Verfassung. Du befindest dich im Einklang mit der Welt und willst diesen Zustand, der Körper, Geist und Seele betrifft, nicht ändern. Du bist erfüllt von positiven Gefühlen, da du eine wichtige Aufgabe gelöst oder tolle Ziele erreicht hast. Zufriedenheit ist nicht mit Glück zu verwechseln. Glück ist das überschiessende Moment-Wohlgefühl, der Peak im positiven Erleben – Zufriedenheit ist das Dauer-Wohlgefühl, der stabile Bereich zwischen den Peaks.
Weil hierzulande der Job wichtig ist, ist die Jobzufriedenheit gleichermassen wichtig. Deswegen stellen sich zwei Fragen: Was erhöht die Jobzufriedenheit und welche Aspekte sichern sie?
Eine Metastudie der Universität Houston ging diesen Fragen unlängst nach. Eine Metastudie vergleicht Ergebnisse von bereits gemachten Studien und fasst sie zusammen. Die US-amerikanischen Forscher werteten Daten aus 105 Arbeiten aus, die zwischen 1949 und 2016 erstellt wurden.
Ein Ergebnis dieser Untersuchung sticht besonders heraus: Um in einem Job zufrieden oder sehr zufrieden zu sein, muss er nicht perfekt zu den eigenen Interessen passen! Der Zusammenhang zwischen Interessen und Jobzufriedenheit besteht zwar, aber er wirkt nicht so stark, wie man das allenthalben behauptet. Nur wer seine Arbeit wirklich hasst, versinkt im Sumpf der Unzufriedenheit und sollte sich davonmachen.
Für alle anderen gilt: Man ist nicht im falschen Job, wenn die eigenen Interessen zu kurz kommen. Dafür müssen freilich einige Bedingungen stimmen: Man hat eine tolle Vorgesetzte, die Arbeitskollegen sind keine Nervensägen und die Firma punktet mit fairem Lohn und gutem Arbeitsklima. Mehr braucht es nicht.
Eine aktuelle Untersuchung der ETH kommt zu ähnlichen Resultaten. Befragt wurden ETH-Absolventen, die ihren Abschluss in den letzten zwanzig Jahren gemacht haben und mehrheitlich in der Schweiz arbeiten. Die Studie zeigt: Aspekte, die nichts mit der Vergütung zu tun haben, sind für die Jobzufriedenheit wichtig. Dazu gehören gute Kommunikation innerhalb des Unternehmens, gutes Verhalten der Vorgesetzten, ausreichend Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten sowie eine angenehme Arbeitsatmosphäre.
Der Appell an die Arbeitgeber lautet daher:
Das ist natürlich nichts Neues, weiss Gott nicht. Eine Untersuchung der Fachhochschule Nordwestschweiz im Auftrag des SECO stellte Ende 2018 Vergleichbares fest. Dennoch sollten solche Basics periodisch in Erinnerung gerufen werden. Die Jobzufriedenheit hängt nie bloss von Geld, Gratifikation oder Bonus ab – und von interessanten Aufgaben offenbar auch nicht. Wenngleich die ETH festhält: Ihre Absolventen sind mit ihrem Job vornehmlich dann zufrieden, wenn er mit «interessanten Aufgaben» einhergeht. Und interessant ist eine Aufgabe, wenn sie Interesse weckt.
Anders also als die US-Analyse streicht die ETH-Studie die Bedeutung des Interesses heraus. Ein Widerspruch tut sich hier auf – wobei zu beachten ist: Die ETH-Absolventen gehen in der Regel sowieso einer Arbeit nach, die ihren persönlichen Interessen entspricht. Informatikerinnen und Ingenieure sind gesuchte Fachkräfte und können ihren Job normalerweise auswählen. Niemand wählt freiwillig eine Aufgabe aus, die den eigenen Interessen zuwiderläuft.
Doch zurück zur Metastudie aus Houston. Sie unterstreicht noch etwas anderes: Stimmen die persönlichen Interessen mit den Jobaufgaben überein, springt bei der Arbeitsleistung mehr heraus. Man identifiziert sich eher mit den Aufgaben und kniet sich tiefer in sie hinein. Das ist für Arbeitgeber ein wichtiger Punkt: Kriegen sie es hin, traumhafte Arbeitsbedingungen zu schaffen und für jeden Mitarbeiter einen Job zu arrangieren, der seine Interessen widerspiegelt, dann machen sie wirklich Kasse.
Australische Wissenschaftler untersuchten vor einigen Jahren die Entwicklung von 2000 erfolgten Beförderungen. Nach dem Karriereschritt trugen die Beförderten mehr Verantwortung, sie erhielten mehr Geld und sie genossen einen höheren Status. Das löste erwartungsgemäss eine Phase der Euphorie aus – die längeren Arbeitszeiten und den erhöhten Stress nahmen sie dafür in Kauf.
Spätestens nach drei Jahren änderte sich das Bild. Die Wissenschaftler stellten fest, dass das Hochgefühl verflogen und die Jobzufriedenheit zurück auf das Niveau von vor der Beförderung gefallen war. Das Blöde dabei: Die gestiegenen Jobbelastungen nach dem Karriereschritt hatten inzwischen zu erhöhter innerer Unruhe und Nervosität geführt – und beides blieb. Ergo: ausser Spesen nichts gewesen!
Der Schritt hinauf auf der Karriereleiter mündet nicht automatisch in einem Zufriedenheitshoch – zumindest nicht mittel- und langfristig.
2019 hat eine Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young ergeben, dass die grosse Mehrheit der hiesigen Arbeitnehmer mit ihrer Anstellung zufrieden ist. Einen Jobwechsel ziehen sie nicht in Betracht. Die Schweiz scheint das Eldorado der Jobzufriedenheit zu sein. Diesen Schluss lässt auch die bereits genannte Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz zu: Erwerbstätige seien mit ihrer Arbeit «überwiegend zufrieden oder sogar sehr zufrieden», steht dort. Wie es aussieht, machen Schweizer Arbeitgeber vieles richtig.
Die Kommentarspalte sieht das gänzlich anders....
Wenn diese extreme Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis gelöst wird, kommt alles gut.