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Alertswiss-App warnt vor Vulkan-Ausbruch im Wallis – das steckt dahinter

Alertswiss-App warnt vor Vulkan-Ausbruch im Wallis – das steckt dahinter

Bei Naturkatastrophen informieren die Behörden die betroffene Bevölkerung per Alertswiss-App. Dumm nur, wenn die integrierte Google-Übersetzung ihrerseits eine Katastrophe ist.
04.07.2024, 09:4016.08.2024, 07:35
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Die Alertswiss-App kann Leben retten. Etwa dann, wenn die Bevölkerung in einem von einer Naturkatastrophe betroffenen Gebiet rechtzeitig gewarnt wird.

Gestern Mittwoch war es erneut so weit. Da sollte die Walliser Bevölkerung auf eine Geröll- und Schlammlawine, Murgang genannt, hingewiesen werden.

Auf den Smartphones der Alertswiss-User tauchte jedoch eine ziemlich schräge Mitteilung auf, wie ein bei X (Twitter) veröffentlichter Screenshot belegt:

«Sintflutartige Lava» ...

Falsche Lava-Warnung der Alertswiss-App im Wallis.
«Sintflutartige Lava»? WTF!Screenshot: x.com

Abgesehen von diesem Alertswiss-Fail müssen wir auch über ein neues Warn-System für die Schweizer Bevölkerung reden, das gar keine App erfordert.

Was lief schief?

Der User, der den Fail publik machte, kommentierte:

«Ich hoffe wirklich, es ist im Wallis gerade kein Vulkan ausgebrochen. Aber allenfalls sollte man eine 4-Augen-Kontrolle einführen, bevor man auf der nationalen Warn-App die Bevölkerung vor sintflutartiger Lava warnt.»

Tatsächlich handelt es sich um einen KI-Übersetzungsfehler. Wobei KI in diesem Zusammenhang eine Machine-Learning-Anwendung von Google meint.

In der entsprechenden Alertswiss-Mitteilung prangt zuunterst der Hinweis, dass es sich um eine automatisierte Übersetzung aus dem Französischen handle. «Teile der Meldung wurden von Google Translate übersetzt.»

Gleich darunter lässt sich der Link «Original ansehen» auswählen – und schon wird das Rätsel gelöst. Im Original auf Französisch steht «Lave Torrentielle».

Alertswiss-Meldung zu «Lave Torrentielle» (Murgang) im Wallis (3. Juli 2024).
Ein Murgang, aka Lave torrentielle, ist ein geologisches Phänomen, das bei einem schweren Unwetter in steilem Gelände auftreten kann.Bild: watson

Was lernen wir daraus?

Im Wallis fliesst keine Lava

KI-generiertes Bild: Matterhorn Vulkanausbruch (3. Juli 2024)
KI-generiertes Bild zu einem Matterhorn-Vulkanausbruch.Screenshot: x.com

Ein anderer X-User kommentiert ironisch: «Okay, davor haben sie uns nicht gewarnt, als sie vom Klimawandel sprachen.»

Die an sich lustige Falschmeldung hat einen ernsten Hintergrund: Gerade erst haben Murgänge in der Südschweiz verheerende Zerstörungen angerichtet und mehrere Menschenleben gefordert.

Ein Murgang (2016) im Video:

Seit dem Jahr 2000 beobachtet die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL spontan auftretende Murgänge am Illgraben, einem gemäss den Fachleuten «aussergewöhnlich aktiven Einzugsgebiet» nahe der Ortschaft Susten (Leuk) im Wallis.Video: YouTube/Pierre-Emmanuel Zufferey

Auf der WSL-Website wird erklärt:

«Es geschieht meist bei starken Unwettern: Eine breiartige Mischung aus Wasser, Feinmaterial und Gesteinsbrocken ergiesst sich schubweise und oft in hohem Tempo in Dörfer, auf Strassen und Bahnlinien. Solche Murgänge, im Volksmund auch ‹Rüfe›, Geröll- oder Schlammlawine genannt, sind eine gefürchtete Variante sogenannter Geschiebetransportprozesse.»
quelle: wsl.ch

Wo gibt's die Alertswiss-App?

Trotz des Übersetzungs-Fehlers wird allen Menschen hierzulande (mit Smartphone) empfohlen, die Warn-App des Bundes und der Kantone zu installieren. Laut «Blick» wird sie bislang von 2,2 Millionen Personen genutzt – das sei nur rund ein Viertel der heute knapp 9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz.

Die kostenlose Smartphone-App gibt's in den App-Stores von Apple und Google. Die entsprechenden Links finden sich hier auf der Alertswiss-Website.

Die an die Smartphones verschickten Warnmeldungen sind natürlich auch auf alert.swiss zu finden.

«Wegen Unwettern und Folgeereignissen haben die betroffenen Kantone seit letztem Freitag die Bevölkerung mit 52 Alertswiss-Meldungen alarmiert, gewarnt und informiert.»
Mitteilung des Bundes vom Montag.quelle: x.com / alertswiss

Geht's auch ohne App?

Die verheerenden Unwetterereignisse der letzten Wochen haben erneut eine Debatte über öffentliche Warnsysteme ausgelöst, wie der «Tages-Anzeiger» am Montag berichtete.

Anders als viele EU-Länder warne die Schweiz die Bevölkerung nicht mit Alarmmeldungen, die (ohne App) direkt auf dem Handy angezeigt werden. Die entsprechende Mobilfunk-Technologie wird «Cell Broadcast» genannt und soll eine schnellere und zuverlässigere Alarmierung bei Katastrophen ermöglichen.

«Cell Broadcast funktioniert ähnlich wie Radioübertragungen, nur mit Text statt Ton. Eine Textnachricht wird von einem Mobilfunkmast aus an alle Mobiltelefone gesendet, die sich in seiner Reichweite befinden.»
quelle: tages-anzeiger.ch

Dass dies tatsächlich ausreicht, stellen inzwischen so ziemlich alle Politikerinnen und Politiker in Bundesbern infrage. Ein bereits 2021 eingereichter parlamentarischer Vorstoss der FDP-Nationalrätin Maja Riniker wurde im Juni letzten Jahres auch vom Ständerat unterstützt. Dieser Vorstoss verlangt vom Bund, die Cell-Broadcast-Technologie «möglichst rasch» einzuführen.

«Ich verstehe nicht, warum wir nicht schneller vorwärtsmachen.»
FDP-Nationalrätin Maja Riniker

Beim Bund wurde es allerdings verpasst, die vielversprechende Technologie schnell einzuführen. Begründet wurde das Zögern unter anderem mit den Kosten.

Das zuständige Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) erklärte zudem laut Bericht, Länder, die Cell Broadcast eingeführt hätten oder bald einführten, hätten dafür einen «dringlicheren Bedarf». Die Schweiz habe mit ihrem flächendeckenden Sirenennetz eine «hochverfügbare Grundinfrastruktur zur Alarmierung». Dazu komme die Alertswiss-App.

Tragischerweise – angesichts der jüngsten Opfer – lässt die Einführung weiter auf sich warten. Noch immer arbeitet das BABS laut eigenen Angaben an einer «Strategie für die Weiterentwicklung der Information, Warnung und Alarmierung der Bevölkerung». Bis zur Einführung seien Anpassungen bei den Mobilfunkbetreibern (Providern) nötig und es brauche Gesetzesänderungen.

«Der Bundesrat soll schon demnächst, nämlich ‹voraussichtlich im Sommer 2024›, einen Beschluss fassen, wie es mit der Cell-Broadcast-Technik in der Schweiz weitergeht.»
quelle: tages-anzeiger.ch

Immerhin zeigt man sich nun auch beim BABS einsichtig: Cell Broadcast stelle eine weitere Verbesserung der Warnung und Alarmierung der Bevölkerung dar.

Die Einführung des neuen Warn-Systems koste voraussichtlich 12 Millionen Franken, hinzu kämen jährliche Betriebskosten von rund 5,5 Millionen Franken.

Und jetzt du!

Wie informierst du dich über drohende Unwetter und andere Gefahren? Und wie dringend braucht die Schweiz die Cell-Broadcast-Technologie?

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Quellen

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Gravierende Stromausfälle sind kein neues Phänomen – im Gegenteil: Ein Polizist bewacht am 9. November 1996 im New Yorker Stadtteil Bronx nach einem Blackout einen Eingang.
quelle: ap / str
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107 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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stucki_mäxu
04.07.2024 09:55registriert Mai 2022
Nur peinlich, vor allem weil "lave torrentielle" ein Standardbegriff in der Warnung ist und Rösti am Vortag im Radio noch von der App geschwärmt hat.

Die Idee, dass 70jährige deutsche Touristinnen in den Ferien im Bavonatal eine Schweizer App herunterladen müssen ist absurd. Alle modernen Länder warnen per Cell Broadcasting direkt alle Handys, die mit einem Netz im Gebiet verbunden sind.
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messanger
04.07.2024 09:55registriert August 2014
Technische Frage: Werden mit Cell Broadcast alle Handys in der Umgebung erreicht, also auch Handys von ausländischen Touristen? Wenn ja, wäre das ein Vorteil gegenüber der Alertswiss App.
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Pebbles F.
04.07.2024 09:52registriert Mai 2021
Vor allem sind wir begeistert davon, dass die SRG den normalen Radiobetrieb einstellt per Ende Jahr... genau, die meisten haben ja für alles ein App und werden damit hoffentlich so richtig flach rauskommen.
Man kann von Schawinski halten was man will, für den Weiterbetrieb der UKW-Radios hat er sich ehrenwert eingesetzt und wurde geplättet. Mal schauen, ob die SRG nicht doch den Service Public für alle weiterpflegen will – ganz normal, neben der App.
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