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EU-Kommission will Cookie-Klicks reduzieren – doch es gibt einen Haken

Die europäische Non-Profit-Organisation Noyb setzt sich für den Datenschutz ein. Mitgründer ist der österreichische Jurist und Facebook-Schreck Max Schrems.
Die europäische Non-Profit-Organisation Noyb setzt sich für den Datenschutz ein. Mitgründer ist der österreichische Jurist und Facebook-Schreck Max Schrems.Bild: noyb

EU-Kommission will nervige Cookie-Klicks reduzieren – doch es gibt einen Haken

Wenn es nach der EU-Kommission geht, sollen Web-User in Zukunft weniger Klicks brauchen, um da hinzukommen, wo sie landen möchten. Doch der sogenannte «Digital Omnibus»-Vorschlag stösst bei Datenschützern auf massive Kritik.
21.11.2025, 17:0221.11.2025, 20:15

Wer im Web surft, soll nach dem Willen der EU-Kommission künftig weniger Klicks für Cookie-Einstellungen machen müssen. Trotz massiver Kritik von Datenschützern will das Exekutivorgan der Europäischen Union allerdings auch an weitere Digitalregeln ran und etwa das europäische KI-Gesetz abschwächen, wie am Mittwoch in Brüssel verkündet wurde.

«Dies ist der grösste Angriff auf die digitalen Rechte der Europäer seit Jahren.»
Max Schrems, Jurist und Datenschutz-Aktivist

Worum geht es?

Im Fokus des umfangreichen Pakets namens «Digital Omnibus», das die EU-Digitalregeln vereinfachen soll, stehen die Bereiche Datenschutz, Cybersicherheit und Künstliche Intelligenz (KI). Besonders aus den USA gab es zuletzt mehrfach Beschwerden wegen der vergleichsweise strengen europäischen Gesetzgebung.

Die EU-Kommission will mit den Vorschlägen auch auf den Wunsch von Mitgliedsstaaten und Unternehmen nach Entbürokratisierung reagieren und mehr Innovationen ermöglichen. Sie erntete dafür aber bereits heftige Kritik, wie wir weiter unten im Detail sehen.

Max Schrems, österreichischer Jurist und erfahrener Datenschutz-Aktivist, hält nichts von der Vorlage.

«Diese Änderungen erfolgten ohne ordnungsgemässe Verfahren und basieren nicht auf Fakten, sondern auf Angst und Behauptungen der Industrie. Wir können Gesetzte, die das Leben von 450 Millionen Menschen betreffen, nicht nach dem Motto ‹Move Fast and Break Things› erlassen – gerade wo Digitalkonzerne das Funktionieren unserer Gesellschaften und Demokratien immer mehr strapazieren.»

Cookie-Abfragen sollen seltener werden

Beim Thema Daten will sich die EU-Kommission die seit 2018 geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vorknöpfen. Diese verpflichtet etwa Betreiber von Onlineshops oder digitalen Plattformen dazu, eine Einwilligung von Kunden respektive Usern einzuholen, wenn ihre personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen. Aus der DSGVO resultieren daher die unpopulären Cookie-Abfragen, die beim Aufrufen einer Website erscheinen.

Warum sind Cookies ein Problem?

Cookies sind kleine Textdateien, die beim Surfen auf den Geräten der User gespeichert werden. Weil diese Dateien oft eindeutige Kennungen enthalten, können die Website-Betreiber ihre Besucherinnen und Besucher damit wiedererkennen. Ein Browser kann sich somit etwa ein Log-in merken oder die Inhalte eines virtuellen Warenkorbs. Vor allem machen Cookies aber personalisierte Werbung möglich. Und von Tracking redet man, wenn Cookies dazu genutzt werden, alle Online-Aktivitäten der User zu erfassen.

Auf vielen Websites sind Werbebanner oder unsichtbare Tracking-Pixel von Techkonzernen wie Meta und anderen Unternehmen platziert. Diese Drittanbieter-Cookies (Third-Party-Cookies) ermöglichen es den Verantwortlichen, Nutzerprofile zu erstellen. Und zwar über verschiedene Websites hinweg.

Dahinter verbirgt sich ein milliardenschwerer Werbemarkt, der von den grössten Techkonzernen aus den USA und aus China beherrscht wird. Ihr Ziel ist es, möglichst viele Informationen zu sammeln, die für den Verkauf von personalisierter Werbung wichtig sind.

Grosse Werbenetzwerke wie Google Ads organisieren den Handel mit Werbeflächen, bündeln die gesammelten User-Daten für zielgenaue Werbung – und nehmen damit eine stark umstrittene Position im ganzen Ökosystem ein. Die Website-Betreiber (Publisher), die Werbetreibenden und letztlich auch die User haben das Nachsehen, weil wenige Konzerne den Markt beherrschen.

Cookies sind längst nicht die einzige Methode, um das Online-Verhalten der User auszuspionieren. Über sogenannte «Fingerprints» (Fingerabdrücke) können Geräte ohne klassische Cookies wiedererkannt werden – anhand von Bildschirmgrösse, Betriebssystem, installierten Schriftarten und anderen Details.

Nach den Plänen der EU-Kommission sollen die Cookie-Abfragen beim Surfen im Web seltener aufploppen. Bestimmte Aktivitäten, die harmlos und für die Verwaltung einer Website einfach nötig seien, sollten künftig keine Zustimmung der User erfordern, heisst es seitens der EU-Kommission. Zudem sollen Nutzerinnen und Nutzer ihre Einstellungen zu Cookies dem Vorhaben zufolge im Browser speichern können.

Trump und US-Konzerne hatten Digitalregeln kritisiert

Grosse Techkonzerne, etwa TikTok oder der Facebook-Konzern Meta, hatten die geltenden EU-Digitalregeln in der Vergangenheit als widersprüchlich und wettbewerbsfeindlich bezeichnet. Angesichts mehrerer Verfahren der EU-Kommission gegen US-Konzerne – darunter Google, Amazon, Apple oder Microsoft – hatte auch US-Präsident Donald Trump die Vorschriften kritisiert.

Die Gesetze über digitale Dienste (DSA) und digitale Märkte (DMA), auf deren Grundlage die meisten Verfahren der Kommission gegen die Konzerne laufen, bleiben von den Vorschlägen aber im Wesentlichen unberührt.

Wie die EU-Kommission weiter mitteilte, sollen Regeln zum Umgang mit nicht personenbezogenen Daten zusammengelegt werden. Konkret geht es um vier Rechtstexte, die in dem bereits existierenden EU-Datengesetz («EU-Data-Act») vereint werden sollen. Ähnliche Zusammenlegungen sind beim Thema Cybersicherheit geplant: Unternehmen sollen sicherheitsrelevante Vorfälle künftig nur an einer Stelle melden müssen.

Was soll sich bezüglich KI-Regulierung ändern?

Auch das EU-KI-Gesetz ist von den Änderungsvorschlägen betroffen – noch bevor es vollständig durchgesetzt wurde. Die EU-Kommission hatte sich damit gerühmt, den weltweit ersten Gesetzestext dieser Art zu haben. Es regelt umfangreich, welche Verpflichtungen ChatGPT, Gemini und Co. etwa beim Trainieren ihrer Modelle haben. Das Europäische Amt für KI sollte die Regeln zum Teil ab August nächsten Jahres durchsetzen.

Die Techbranche hatte zuletzt aber mehr Zeit für die nötigen Anpassungen gefordert und könnte diese nun bekommen. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass die Regeln bei KI-Systemen mit besonderen Risiken auch später durchgesetzt werden können. Demnach könnten die Unternehmen bis zum Dezember 2027 – 16 Monate länger – Zeit bekommen.

Zudem sollen kleinere KI-Firmen von vereinfachten Vorschriften bei der technischen Dokumentation profitieren. Die EU-Kommission gibt an, dass dadurch mindestens 225 Millionen Euro gespart würden. Gleichzeitig sollen den KI-Entwicklern laut eines Strategiepapiers der Kommission künftig mehr hochwertige Datensätze zur Verfügung gestellt werden.

Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs machten auch Druck
Die geplanten Vereinfachungen der EU-Kommission gehören zu den sogenannten Omnibus-Paketen, mit denen Bürokratie innerhalb der Europäischen Union abgebaut werden soll. Von den Unternehmen, aber auch den Mitgliedsstaaten gab es zuletzt immer wieder Forderungen nach Entbürokratisierung.

Erst am Dienstag hatten der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem deutsch-französischen Digitalgipfel in Berlin die Wünsche der Tech-Industrie aufgegriffen und weniger Strenge bei den europäischen Digitalregeln gefordert.
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Wo ist das Problem?

Kritik von Interessenverbänden und aus dem EU-Parlament

Datenschützer und Akteure, die sich für den Konsumentenschutz einsetzen, kritisieren, dass Entschärfungen der EU-Gesetze einem Einknicken vor der Tech-Lobby gleichkämen. Zudem warnten bereits vor der offiziellen Bekanntgabe der Vorschläge mehr als 120 Organisationen – darunter auch Amnesty International – die Europäische Kommission in einem offenen Brief davor, die Rechte der EU-Bürgerinnen und -Bürger auszuhöhlen. Die Digitalregeln der EU seien die wichtigste Verteidigungslinie gegen digitale Ausbeutung und Überwachung durch inländische wie ausländische Akteure.

Die unabhängige europäische Datenschutz-Organisation Noyb findet ebenfalls deutliche Worte:

«Während die vorgeschlagenen Änderungen für durchschnittliche europäische Klein- und Mittelbetriebe im Grunde keinen wirklichen Nutzen haben, sind sie ein Geschenk an Big Tech, da die Änderungen viele neue Schlupflöcher eröffnen, die sie ausnutzen können.»
quelle: noyb.eu

Und Noyb-Mitgründer Max Schrems warnt:

«Die vorgeschlagene Reform ist ein Zeichen von Panik und kein Zeichen von Führungsstärke, wenn es um die Gestaltung der digitalen Zukunft Europas geht. Was wir wirklich brauchen, ist ein strategischer, gut durchdachter langfristiger Plan, um Europa voranzubringen – keine planlosen Löcher in Gesetzen.»

Die vorgeschlagene Reform der DSGVO scheine in erster Linie darauf abzuzielen, den Techkonzernen die uneingeschränkte Nutzung personenbezogener User-Daten (z.B. von Social-Media-Plattformen) für die KI-Entwicklung zu ermöglichen.

Max Schrems:

«Künstliche Intelligenz ist vielleicht eine der einflussreichsten und gefährlichsten Technologien für unsere Demokratie und Gesellschaft. Dennoch hat das Narrativ eines ‹KI-Wettlaufs› die Kommission dazu gebracht, sogar jene Massnahmen aus dem Fenster zu werfen, die uns eigentlich davor schützen sollten, dass wir grossen undurchsichtigen Algorithmen schutzlos ausgeliefert sind.»

Auch aus dem EU-Parlament gibt es Kritik. Die deutsche Politikerin Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin des EU-Parlaments, teilte mit: Künstliche Intelligenz habe viel Potenzial, brauche aber auch Grenzen. Die EU habe dafür passende Regeln geschaffen. Aber:

«Jegliche Aussetzung der Regeln, auch vorübergehend, würde die Bürgerinnen und Bürger erheblichen Risiken aussetzen – das wäre fatal.»

Wie geht es weiter?

Den nun kommunizierten Vorschlägen der EU-Kommission für Gesetzesänderungen müssen sowohl die EU-Staaten als auch das EU-Parlament zustimmen.

Quellen

(dsc)

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