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Facebook Schattenprofile: So profitieren Werbetreibende

FILE - In this Oct. 15, 2013, file photo, Chuck Goolsbee, site director for Facebook's Prineville data centers, shows the computer servers that store users' photos and other data, at the Fac ...
Ein Facebook-Rechenzentrum: Hier lagert das Wertvollste des US-Konzerns.Bild: AP/The Bulletin

So verdient Facebook mit «Schatten-Kontaktdaten» viel Geld

Wir wissen, dass Facebook die Adressbücher seiner User scannt. Eine wissenschaftliche Studie zeigt nun, wie der Datenkrake «Schatten-Kontaktdaten» für gezielte Werbung nutzt.
27.09.2018, 18:5328.09.2018, 10:02
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«Die Menschen sind zunehmend paranoid wegen der gruseligen Genauigkeit der Werbung, die sie online sehen.»
Kashmir Hill, Journalistin

Worum geht's?

  • Der Facebook-Konzern bietet Werbetreibenden einen fragwürdigen Zugang zu Facebook- und Instagram-Usern.
  • Das haben Forscher von zwei US-Privatuniversitäten und eine australische Tech-Journalistin herausgefunden.
  • Facebook gebe zahlenden Werbekunden Zugang zu sogenannten «Schatten-Kontaktdaten», die die betroffenen User weder einsehen noch verändern können.
  • Demnach wertet Facebook zu Werbezwecken Handynummern aus, die die User nur aus Sicherheitsgründen angegeben hatten: Weil es für die Zwei-Faktor-Authentifizierung erforderlich war (dies ist seit ein paar Monaten nicht mehr nötig).
  • Betroffen seien zudem User, die gewisse Informationen dem US-Konzern überhaupt nicht preisgeben wollten. Die Daten landeten über Dritte trotzdem dort: Weil Facebook automatisch die Adressbücher seiner Mitglieder scannt.
  • Facebook dementierte laut t3n, dass Telefonnummern auf diese Art verwendet würden. Ein Sprecher erklärte, dass die aus den Adressbüchern gewonnen Telefonnummern lediglich für Freundschaftsvorschläge verwendet würden.
  • Ausserdem gleiche Facebook die Nummern ausschliesslich mit denen ab, die dem Netzwerk von den jeweiligen Nutzern aktiv bereitgestellt wurden. «Schattenprofile, also geheime Sammlungen von Nutzerdaten, gebe es nicht.»
  • Facebook verdient viel Geld mit gezielter Werbung. Das nennt sich Microtargeting und ist spätestens seit dem letzten US-Wahlkampf ein kontrovers diskutiertes Thema.
  • Das Unternehmen betont, es gehe alles mit rechten Dingen zu und informiert auf seiner Webseite darüber. Zudem hätten alle User die Nutzungsbedingungen akzeptiert.
  • Die Werbetreibenden können Facebook angeben, welche User ihre Anzeigen sehen sollen, indem sie die E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Namen und Geburtsdaten der User in Form von Listen (Dateien) hochladen.
  • Gezielte Werbung wird auch bei Google, Twitter und Co. mit kaum durchschaubarer Raffinesse betrieben. Die Forscher fordern mehr Transparenz seitens der Unternehmen und eine Aufklärung der User bezüglich der Risiken.

Wer hat's enthüllt?

Die australische Tech-Journalistin Kashmir Hill hat das Problem publik gemacht. Sie recherchiert seit Jahren über die «Schattenprofile» von Facebook (siehe Box unten). Ihr aktueller Artikel bezieht sich auf eine Reihe von Tests, die Forscher von zwei amerikanischen Privat-Universitäten durchgeführt haben.

Bild
screenshot: gizmodo

Hill schreibt von «Schatten-Kontaktinformationen» und meint damit die bei Facebook gespeicherten Kontaktdaten, auf die die User nicht zugreifen, bzw. die sie nicht sperren können.

Die wissenschaftliche Studie mit dem Titel «Investigating sources of PII used in Facebook’s targeted advertising» ist hier als PDF-Dokument verfügbar.

Wie macht sich das für Betroffene bemerkbar?

Hill erklärt die Problematik, die die Forscher mit einem Experiment untersucht haben, anhand eines Beispiels:

  • Benutzerin A, nennen wir sie Anna, teilt ihre auf dem Smartphone gespeicherten Kontakte mit Facebook, einschliesslich einer (dem US-Konzern) bislang unbekannten Telefonnummer für Benutzer B, den wir Ben nennen.
  • Einen Monat später sind Werbetreibende in der Lage, Ben bei Facebook mit einer Anzeige zu erreichen, und zwar über die Telefonnummer aus Annas Adressbuch.
  • Facebook lässt Ben jedoch nicht auf seine «Schatten-Kontaktdaten» zugreifen, denn das würde laut dem Unternehmen Annas Privatsphäre verletzen.
  • Das Fazit aus Bens Sicht: Er kann die in seinem «Schattenprofil» gespeicherten Daten weder sehen noch löschen, und er kann auch Werbetreibende nicht davon abhalten, sie zu verwenden, um ihn mit Anzeigen zu berieseln.

Wer profitiert?

Facebook kassiert Geld für gezielte Werbung, sogenanntes Anzeigen-Targeting.

Die Werbetreibenden können die gewünschten Zielgruppen erreichen und effizienter werben, wie Hill in ihrem Artikel beschreibt:

  • Ein Modeversandhaus könne eine Anzeige für ein Kleid in die Instagram-Feeds von Frauen schalten, die zuvor bei dem Unternehmen gekauft haben.
  • Ein Politiker könne Wahlwerbung bei allen Facebook-Usern anzeigen, die sich sich zu einem früheren Zeitpunkt für seinen Newsletter eingetragen haben.
  • Ein Casino könne Angebote bei möglicherweise spielsüchtigen Facebook-Usern anzeigen, an deren E-Mail-Adressen es (über andere Quellen) gekommen ist.

Was ist daran schlimm?

Das kommt auf die Perspektive an.

Viele User sind sich der Problematik überhaupt nicht bewusst (siehe weiter unten). Ausserdem hielt sich Facebook bedeckt, was die «Schatten-Kontaktinformationen» betrifft.

Kashmir Hill schreibt:

«Ich habe seit fast einem Jahr versucht, Facebook dazu zu bringen, Schatten-Kontaktinformationen an die Nutzer weiterzugeben. Aber man hat es sogar abgelehnt, diese Schattendaten an Benutzer in Europa weiterzugeben, wo das Datenschutzrecht stärker ist und die Unternehmen ausdrücklich verpflichtet sind, den Benutzern mitzuteilen, welche Daten sie über sie haben.»

Wie Spiegel Online schreibt, bräuchte es eine Nutzerbeschwerde bei einer europäischen Datenschutzbehörde, um die Rechtsklage in der EU zu klären. Dies ermöglicht die seit April geltende neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Was sagt Facebook?

Der US-Konzern hat die Erkenntnisse der Forscher nicht bestritten, sondern verteidigt das Vorgehen und argumentiert seinerseits mit dem Schutz der Privatsphäre:

«Die Leute besitzen ihre Adressbücher. Wir verstehen, dass dies in einigen Fällen bedeuten kann, dass eine andere Person möglicherweise nicht in der Lage ist, die Kontaktinformationen zu kontrollieren, die jemand anderes über sie hochlädt.»
Facebook-Sprecherquelle: gizmodo

In den Facebook-Einstellungen («Werbepräferenzen») werden die Werbetreibenden aufgelistet, die entsprechende Anzeigen schalten. Facebook schreibt dazu:

«Diese Werbetreibenden schalten Anzeigen mithilfe einer hochgeladenen Kontaktliste, die Kontaktdaten von dir enthält. Diese Daten wurden in der Regel von dem Werbetreibenden gesammelt, nachdem du deine E-Mail-Adresse mit ihm oder einem seiner Partnerunternehmen geteilt hast.»

Auf einer verlinkten Support-Seite heisst es:

Bild
screenshot: facebook

Facebook-User können die Anzeigen von Unternehmen generell «verbergen» in den Werbepräferenzen. Doch gelöscht werden die Schatten-Kontaktdaten dadurch nicht.

Mehr Transparenz gefordert

Die User hätten den Nutzungsbedingungen zugestimmt und wüssten Bescheid, argumentiert der Social-Media-Konzern und verweist auf einen Beitrag im Firmenblog vom April.

Der Bostoner Professor Alan Mislove, der ebenfalls an der Studie beteiligt war, fordert, dass die User besser darüber informiert werden müssten, wie gezielte Werbung funktioniere.

«Ich denke, dass viele Benutzer nicht ganz verstehen, wie Anzeigen-Targeting heute funktioniert: dass Werbetreibende buchstäblich genau angeben können, welche Benutzer ihre Anzeigen sehen sollen, indem sie die E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Namen und Geburtsdaten der Benutzer hochladen, etc.»

Als er das Vorgehen Kollegen beschrieben habe, seien viele Informatiker überrascht gewesen. Und noch mehr überrascht habe sie, dass nicht nur Facebook dies so anbiete, sondern auch Google, Pinterest, Twitter und verwandte Dienste.

Fazit: Es brauche mehr Aufklärung und Transparenz seitens der Unternehmen. Das nötige Geld ist vorhanden ...

Schattenprofile?
Gemeint sind alle Daten und Informationen, die Facebook über Internet-Nutzer speichert, auf die aber nur der US-Konzern selbst zugreifen kann. Mark Zuckerberg hat bei Anhörungen so getan, als erstellte sein Unternehmen keine Schattenprofile. Doch gibt's dafür eindeutige Belege. Und laut einer Studie von Cliqz und Ghostery wird ein Drittel des weltweiten Internetverkehrs von Facebook-Trackern überwacht.

Die Existenz solcher Schattenprofile ist seit 2011 bekannt. Der österreichische Datenschutz-Aktivist Max Schrems beschrieb  die Methode in einer Beschwerde an die irische Datenschutzbehörde. Im engeren Sinn umfassen Schattenprofile nur die von Facebook «heimlich» gespeicherten Informationen über Personen, die gar nicht als Mitglied registriert sind. Im weiteren Sinn betreffen «Schattenprofile» auch alle Facebook-Mitglieder. Und darum geht's im Artikel.

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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DocShi
27.09.2018 19:47registriert Mai 2018
Tja, irgendwie war das aber schon lange klar.
Und zwar nicht nur bei Facebook. Nur lügt Facebook am dreistesten.
Ich bin schon lange nicht mehr bei Facebook und hatte auch während meiner Zeit nicht viel hochgeladen etc. Ärgere mich aber immer noch dass ich mal dabei war.
Noch viel ärgerlicher ist es, dass man um Google nicht drumherum kommt.
Die machen doch das Gleiche!
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