Seit Huawei durch den US-Bann keine Google-Services mehr nutzen darf, arbeitet der chinesische Konzern an einer Alternative. Laut Aussagen eines Managers von Huawei habe die Entwicklung bereits 2016 begonnen. Im September 2020 dann stellte Richard Yu, CEO der Huawei-Consumer-Division, Harmony OS in einer Präsentation erstmals ausführlich vor. Zu aller Überraschung kündigte das Unternehmen das eigene OS als offenes Betriebssystem an, das auch von anderen Herstellern genutzt werden kann.
Harmony OS soll dabei irgendwann auf allen smarten Geräten laufen und damit die bevorzugte Plattform für das Internet der Dinge werden. Erste Kooperationspartner wurden genauso vorgestellt wie eine überschaubare Roadmap. Laut dieser wird Harmony OS spätestens Ende 2021 auch auf High-End-Smartphones Einzug halten.
Nun hat Ron Amadeo von der Technikwebsite Ars Technica die Vorabversion Harmony OS 2.0 getestet, die Entwicklern seit Dezember 2020 zugänglich ist. Das Fazit von Amadeo: Harmony OS sei nichts anderes als eine Kopie von Android 10. Huawei habe das Betriebssystem von Google lediglich optisch durch die ohnehin schon seit Jahren benutzte hauseigene EMUI-Oberfläche angepasst. Unter der Oberfläche gleiche Harmony OS Android 10 beinahe bis ins letzte Detail.
Der Redakteur schreibt, dass es diverse offensichtliche Hinweise gebe, dass es sich bei Harmony OS nur um Android 10 handle. Beispiele, die er aufzählt:
In seinem vernichtenden Fazit unterstellt Amadeo dem chinesischen Konzern, dass Harmony OS nichts anderes als ein gross angelegter PR-Stunt sei. Der Redakteur vermutet, dass Huawei so gegenüber der chinesischen Regierung und Konsumenten gut dastehen wollte.
Noch 2019 sagte Yu, Harmony OS sei bereit und könne jederzeit eingesetzt werden. Dazumal hiess es allerdings, man wolle Googles Android weiterhin den Vorzug geben. Harmony OS komme nur zum Einsatz, wenn die USA ihnen keine Wahl lasse. Dass dies mehr PR als Realität war, wurde spätestens bei der Präsentation im Herbst 2020 klar, als Huawei nicht fähig war, eine Live-Demo des OS zu zeigen.
Dass Huawei mit seinem eigenen OS wohl noch nicht da ist, wo man laut PR gerne wäre, zeigt auch der Testablauf von Amadeo. So konnte er die Testversion nicht einfach von einer Website herunterladen, wie das bei Google der Fall für Betaversionen sei. Vielmehr habe Huawei von ihm Kopien von Ausweis und Kreditkarte für einen mehrtägigen Hintergrundcheck verlangt. Danach konnte er Harmony OS 2.0 testen – allerdings nur als Remote-Verbindung, mit der er auf ein Handy in China mit Harmony OS zugreifen konnte.
Grundsätzlich wäre nichts dabei, dass Huawei eine Android-Kopie als Ersatz verwendet. Android ohne Google-Services ist Open Source und kann frei eingesetzt und modifiziert werden. Selbst eine Umbenennung ist dabei zulässig. Solche Android Custom Roms gibt es einige. Prominentestes Beispiel ist Amazons Fire OS, das mit dem hauseigenen Amazon Store ausgeliefert wird.
Es wäre rechtlich also kein Problem, Harmony OS auf Android aufzubauen. Aus Sicht des Konzerns ergibt dieses Vorgehen Sinn, denn so ist es weitaus einfacher, App-Entwickler für Harmony OS zu begeistern: Diese müssen im Grunde nur die Google Mobile Services durch die Huawei Mobile Services ersetzen.
Dass Huawei sich nun mit Kopievorwürfen konfrontiert sieht, obwohl das alles legitim wäre, liegt an der Kommunikation. Huawei wurde nicht müde, zu betonen, dass Harmony OS keine Android-Kopie sei. Man würde bei Harmony OS auf einen eigens entwickelten Mikrokernel setzen. Damit unterschiede sich das OS tatsächlich von Android, das auf einen monolithischen Kernel auf Linuxbasis setzt.
Mit seiner Kommunikationsstrategie vermittelte Huawei den Eindruck, ein von Grund auf eigenes OS in der Hinterhand zu haben, dessen Entwicklung laut Huawei sogar bereits 2016 begonnen habe. Im Sommer 2019 war dann erstmals die Rede davon, dass Harmony OS zu Beginn doch auf einen gängigen Linux-Kernel setzen würde. Später solle dann der Linux-Kernel durch Huaweis besseren Kernel ersetzt werden.
Bereits zu dieser Zeit äusserten Experten erste Zweifel, zumal Huawei nun plötzlich versprach, dass Android-Apps auf Harmony OS laufen würden. Demomaterial hatte der Konzern indes noch immer nicht gezeigt. Das deutsche Techportal golem.de schrieb dazu im August 2019:
Dennoch wurde man vonseiten Huawei nicht müde, das eigene OS von Android abzugrenzen. Erst Mitte Januar 2021 betonte ein hochrangiger Huawei-Manager gegenüber der chinesischen IT-Website IThome.com erneut, dass Harmony OS keine Android-Kopie sei. Der Test von Ars Technica hat das nun unmissverständlich widerlegt:
Huawei Schweiz wollte diesen Bericht auf Anfrage von watson nicht kommentieren.
Update vom 5. Februar 2020: Huawei hat inzwischen eine offizielle Stellungnahme zu dieser Sache veröffentlicht. Sie lautet wie folgt:
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