Das Wichtigste in Kürze: Der Bundesrat will konsequenter gegen illegale Gratisangebote im Internet vorgehen. Nach Kritik in der Vernehmlassung schwächt er das neue Urheberrecht jedoch ab. Eine Netzsperre für ausländische Plattformen soll es nicht geben.
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Nach jahrelangen Vorarbeiten nimmt der Bundesrat einen neuen Anlauf zur Modernisierung des Urheberrechts. Am Mittwoch hat er einen Gesetzesentwurf verabschiedet. Dieser basiert auf einem Kompromiss, auf den sich eine Arbeitsgruppe letzten März geeinigt hatte. Darin waren Kulturschaffende, Produzenten, Nutzer und Konsumenten vertreten.
Ziel der Revision sei es, die Interessen von Kulturschaffenden besser zu schützen, ohne die Internetnutzer zu kriminalisieren. Die Kulturschaffenden hätten Anspruch darauf, dass sie für ihre Leistung entschädigt würden, argumentiert der Bundesrat.
Obwohl dieses Ziel unbestritten ist, gingen die Vorstellungen über den einzuschlagenden Weg stark auseinander. Das belegen auch die 1224 Vernehmlassungsantworten. Die Arbeitsgruppe ging deshalb nochmals über die Bücher, um einen Kompromiss zu finden.
Herzstück der Vorlage ist die Pirateriebekämpfung. Diese soll bei den Schweizer Hosting Providern – also den Anbietern von Inhalten – erfolgen. Wer illegale Angebote zum persönlichen Gebrauch konsumiert, soll auch weiterhin nicht belangt werden.
Zwar hält der Bundesrat im Grundsatz an der Selbstregulierung der Branche fest. Heute entfernen Provider auf Meldung hin in der Regel Inhalte von ihren Servern, wenn diese Urheberrechte verletzen. Einen Riegel schieben will der Bundesrat aber denjenigen Anbietern, die es zulassen, dass illegale Angebote umgehend wieder hochgeladen werden.
«Sie spielen ein Katz-und-Maus-Spiel mit uns», sagte Sommaruga. Ihr Geschäftsmodell beruhe auf der Verletzung der Urheberrechte. Um wie viele Anbieter es geht, wollte Sommaruga nicht sagen. In diesen Fällen sieht der Bundesrat eine so genannte «Stay-down»-Pflicht vor.
Konkret müssen diese Provider dafür sorgen, dass einmal beseitige Urheberrechtsverletzungen auch beseitigt bleiben. Andernfalls können sie strafrechtlich verfolgt werden.
Im Gesetz ist ausdrücklich festgehalten, dass die Datenbearbeitung dabei zulässig ist. Ein Musiker kann etwa die IP-Adresse speichern, über die sein Lied angeboten wird. Wenn er einen Strafantrag stellt, darf er diese Daten dann der Staatsanwaltschaft übergeben.
Nach Ansicht des Bundesrates schafft dies Rechtssicherheit. Bislang war die Zulässigkeit solcher Aufzeichnungen umstritten.
Keine Handhabe bietet das Gesetz gegen ausländische Provider. Sommaruga erklärte dazu, die Schweiz könne anderen Staaten nicht ihre Gesetzgebung aufs Auge drücken. Weil die Problematik sich in allen Staaten gleichermassen stelle, gehe der Bundesrat davon aus, dass auch andere Länder aktiv würden.
Eine Möglichkeit, ausländische Betreiber ins Visier zu nehmen, wären Netzsperren gewesen. Nach Kritik in der Vernehmlassung sieht der Bundesrat aber davon ab. Eine Mehrheit sieht darin eine Gefahr für die Informationsfreiheit, wenn auf Anweisung von Behörden der Zugang zu bestimmten Seiten gesperrt wird.
Auch der Versand von Warnhinweisen bei schwerwiegenden Urheberrechtsverletzungen über Peer-to-Peer-Netzwerke, etwa Tauschbörsen, ist nicht Teil des Gesetzesentwurfes.
Mit einer Reihe von Massnahmen passt der Bundesrat das Urheberrecht an die heutige Zeit an. Schweizer Kulturschaffende sollen bei Video-on-Demand einen gesetzlichen Vergütungsanspruch erhalten. Auch sieht der Gesetzesentwurf eine Verlängerung der Schutzdauer für die Rechte ausübender Künstler von 50 auf 70 Jahre vor.
Zurückgekrebst ist der Bundesrat dagegen bei der Idee von Lizenzgebühren auf kostenlosen Ausleihen, die Autoren zugekommen wären. Bibliotheken fürchteten einen grossen finanziellen und administrativen Mehraufwand. Dieser wäre unter Umständen an die Konsumenten weitergegeben worden.
Geht es nach dem Bundesrat sollen Bibliotheken, Museen und Archive ihre öffentlichen Bestände erleichtert nutzen und der Öffentlichkeit präsentieren können. Die Nutzung verwaister Werke soll zudem unter Umständen erlaubt werden.
Erleichterungen sieht der Bundesrat schliesslich für die Forschung vor. Um den Forschungsstandort Schweiz zu stärken, sollen Urheber automatisch erstellte Kopien von Texten und Bildern nicht mehr verbieten können, wenn diese für wissenschaftliche Forschung benutzt werden.
Eine weitere Neuerung betrifft den Schutz für Fotografien, der umfassend erweitert wird. Das Urheberrecht schützt heute Fotografien nur dann, wenn es sich um Kunstwerke handelt. Viele Hobbyfotografen können sich daher nur schwer gegen eine ungefragte Übernahme ihrer Bilder wehren.
Das neue Gesetz sieht vor, dass alle Fotos geschützt werden, also auch Familien- und Urlaubsfotos. Für Internetnutzer bedeute dies, dass sie ihre Fotos auf sozialen Netzwerken wie Facebook weiterhin teilen könnten, heisst es in der Botschaft. Es werde aber nicht mehr möglich sein, fremde Bilder ohne Einwilligung Dritter hochzuladen.
(dsc/sda)