Die Corona-Pandemie ist noch lange nicht überstanden. Und das Virus (SARS-CoV-2) kann fast überall lauern.
Sicher ist: Alle europäischen Staaten, inklusive der Schweiz, haben es versäumt, rechtzeitig auf die Sommerferien hin eine gemeinsame technische Lösung, zum Beispiel in Form einer Corona-Warn-App, zu erarbeiten.
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Zwar dient mittlerweile in halb Europa das Smartphone als Hilfsmittel im Kampf gegen Covid-19. Doch vorläufig bleibt es bei nationalen «Alleingängen». Immerhin sind seit Veröffentlichung der 1. Ausgabe dieses Ratgebers einige weitere Warn-Apps hinzugekommen. Aus Schweizer Sicht besonders interessant: die spanische RadarCOVID-App sowie die kroatische Ausführung, «Stop COVID-19».
Dieser Beitrag zeigt alle Apps, die in Europa verfügbar sind. Alphabetisch geordnet, von Albanien bis Zypern. Im Anschluss gibt es praktische Tipps und Tricks zur Nutzung der Tracing-Systeme und einen Ausblick, wie es weitergeht.
Hinweis: Corona-Warn-Apps sind eine neuartige Smartphone-Technologie, die verbessert und weiterentwickelt wird. Einige nationale Software-Projekte sind noch in Vorbereitung. Stand der Informationen: 19. August 2020.
Vor einem Auslandaufenthalt sollte man sich überlegen, ob es Sinn macht, die nationale App zu installieren. Dies ist inzwischen in vielen europäischen Ländern möglich.
Am zuverlässigsten und sichersten sind Bluetooth-basierte Proximity-Tracing-Apps, deren Distanzschätzungen auf der «Exposure Notification»-Schnittstelle von Google und Apple basieren (GAEN). Dies setzt iPhones mit iOS 13 (ab iPhone 6S) oder Android-Smartphones mit Android 6 voraus.
Allerdings muss man wissen, dass nicht zwei Apps gleichzeitig auf die in die Betriebssysteme integrierte GAEN-Schnittstelle zugreifen dürfen. Es lassen sich zwar problemlos mehrere Apps auf dem iPhone oder Android-Handy installieren, doch es kann jeweils nur eine App aktiviert sein.
Wer häufig unter Einheimischen weilt, sollte eher die App des jeweiligen Landes aktivieren. Wer sich hingegen auf einem Campingplatz mit vielen Schweizer Feriengästen niederlässt, kann sich überlegen, ob es nicht sinnvoller ist, auch im Ausland die SwissCovid-App zu verwenden.
Das Hin- und Herwechseln zwischen Apps ist grundsätzlich möglich und sinnvoll, etwa für Grenzgänger. Allerdings sollte man dann von Zeit zu Zeit die deaktivierte Warn-App wieder aktivieren, um zu prüfen, ob Warnhinweise vorliegen.
Auch in der Schweiz können sich Smartphone-Besitzer, die eine Reise nach Dänemark planen, die Smittestop-App für iOS und Android herunterladen und sie beim Aufenthalt im Norden vorübergehend aktivieren. Allerdings setzt dies gewisse Dänisch-Kenntnisse voraus. Kritiker bemängeln auch, dass die Software nicht quelloffen (Open Source) sei.
Im FAQ auf der corona.app-Website wird erklärt, das Robert Koch-Institut (RKI) als Herausgeberin schalte die App «nach erfolgreicher rechtlicher Prüfung» für weitere Länder frei. Die Schweiz gehört bereits seit Juli dazu.
Ein zentralisiertes Tracing-System wurde auf der Isle of Man getestet und mangels Erfolg gestoppt. Im August hat die britische Regierung einen zweiten Anlauf genommen. Nun ist eine Warn-App lanciert worden, die auf der Apple-Google-Schnittstelle basiert und mit anderen kompatibel ist.
*Die NHS-COVID-19-App ist bereits in den App-Stores von Apple und Google vorhanden, befindet sich aber noch in der Testphase und ist nur für Briten mit Einladungs-Code nutzbar.
Frankreich hat sich mit seiner Corona-Warn-App für einen Alleingang entschieden und setzt im Gegensatz zu allen Nachbarländern (weiterhin) auf ein zentralisiertes Tracing-System. Die User sollen gewisse Kontaktdaten (freiwillig) an einen Server der staatlichen Gesundheitsbehörden übermitteln. Die App funktioniert laut Berichten unzuverlässig.
Grossbritannien ist das am schlimmsten von der Pandemie betroffene Land in Europa. Die britische Regierung ist mit ihrem ursprünglichen Vorhaben, ein zentralisiertes Tracing-System durchzusetzen, gescheitert. In einem zweiten Anlauf wird nun auf eine App gesetzt, die auf der Apple-Google-Schnittstellen basiert (siehe > England). Der Landesteil Nordirland hat bereits eine eigene App lanciert wie Nachbar Irland. Die Landesteile Schottland und Wales setzen hingegen auf klassisches Contact Tracing und wollen keine App.
Die isländische App speichert die Standort-Daten der User. Es handelt sich also um eine Tracking-App, man soll den ständigen Zugriff auf die Standortdaten erlauben. Sie bietet aber auch für Touristen nützliche Informationen.
Genau wie SwissCovid setzt auch Italiens App auf die Technologie von Apple und Google. Die Daten werden dezentral auf den Mobilgeräten gespeichert. Beim Einrichten muss man eine italienische Region angeben, in der man lebt.
Die offizielle Corona-App sollte im Juli veröffentlicht werden, berichtete der kroatische TV-Sender RTL Hrvatska.
*Die niederländische Corona-Warn-App ist in den App-Stores verfügbar, funktioniert vorläufig aber nur eingeschränkt, in den Testregionen, wie coronamelder.nl informiert. Die offizielle Lancierung soll am 1. September erfolgen.
Das nordirische Gesundheitsministerium hat im Juli eine eigene Corona-Warn-App lanciert, die auf der Apple-Google-Schnittstelle basiert. Sie soll zukünftig auch mit der App der benachbarten Republik Irland kompatibel sein. Allerdings ist die App nur für im Land ansässige User verfügbar.
Die staatliche App basiert auf der NextSense-Technologie, die ein privates Unternehmen zur Verfügung stellt. Die Apple-Google-Schnittstelle (GAEN) ist nicht implementiert, darum funktioniert auf iPhones der Datenaustausch (im Hintergrund) nicht zuverlässig. Zudem muss man sich bei der Inbetriebnahme mit der eigenen Handynummer registrieren.
Die norwegische Regierung hatte früh auf ein zentralisiertes Tracing-System mit Bluetooth-basiertem Proximity-Tracing und einer Tracking-Funktion (GPS) gesetzt. Das Projekt wurde wegen Datenschutz-Bedenken gestoppt. Die «Smittestop»-App ist nicht mehr in den App-Stores verfügbar.
Herausgeberin der Stopp-Corona-App ist das Österreichische Rote Kreuz. Als User muss man einwilligen, dass personenbezogene Daten erhoben werden, dazu gehören die Handynummer und Meldungen zu Covid-19-Erkrankungen.
Die «StayAway»-App wurde im Mai von der Regierung vorangekündigt, die Entwicklung hat sich massiv verzögert.
Für die SwissCovid-App gibt's tatsächlich keine separate Internetadresse als erste Anlaufstelle. Die Informationen werden relativ unübersichtlich über verschiedene Webseiten des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zugänglich gemacht.
Das slowenische Parlament hat gemäss Medienbericht vom 11. Juli den fragwürdigen Entscheid getroffen, eine für die Bevölkerung obligatorische App zu lancieren. Die App soll zur Überprüfung von Quarantäne-Massnahmen dienen.
Die nationale Tracing-App ist im Juli auf der Kanarischen Insel La Gomera von der Bevölkerung erfolgreich getestet worden. Sie ist nun auf den Kanaren und den Balearen (Mallorca) gemäss offizieller Ankündigung voll funktionsfähig.
* Ab Mitte September soll «Radar COVID» in ganz Spanien laufen. Die Inbetriebnahme obliegt den jeweiligen Gesundheitsbehörden der einzelnen autonomen Regionen, die auch das Ausstellen der Covid-Codes organisieren.
Die Tracing-App ist nicht zu verwechseln mit der bereits verfügbaren nationalen Corona-App Asistencia COVID-19. Diese ebenfalls international erhältliche App ist beim Einrichten auf dem Smartphone nur auf Spanisch bedienbar.
Die tschechischen Entwickler haben bislang nicht die Apple-Google-Schnittstelle (Exposure Notification) implementiert, darum funktioniert die iPhone-Version nicht gut. Zudem müssen User ihre Handynummer registrieren. Und die Bedienung ist ausschliesslich auf Tschechisch möglich.
Die türkische Regierung setzt auf klassisches Contact Tracing mit einem Heer von Freiwilligen.
Die staatliche App basiert auf der NextSense-Technologie, die ein privates Unternehmen zur Verfügung stellt. Die Apple-Google-Schnittstelle (Exposure Notification) ist nicht implementiert, darum funktioniert auf iPhones der Datenaustausch (im Hintergrund) nicht zuverlässig. Zudem müssen sich User über ihre Handynummer beim Staat registrieren. Und die Bedienung ist ausschliesslich auf Ungarisch möglich.
Das ist offen.
Reisende sollen sich künftig mit der Warn-App ihres Heimatlandes auch im Ausland warnen lassen können (oder andere warnen). Dies gilt nur für Bluetooth-basierte Proximity-Tracing-Apps, die die Daten dezentral (auf den Geräten) verarbeiten und auf der GAEN-Schnittstelle basieren.
Nach dem erneuten Öffnen der innereuropäischen Grenzen (nach den nationalen Lockdowns) sollten nationale Corona-Apps miteinander kommunizieren können, also Daten austauschen, um die Nutzer grenzübergreifend zu warnen. Im Fachjargon wird dies als «Interoperabilität» bezeichnet. Innerhalb der EU laufen die Vorbereitungen, wobei nicht klar ist, welche Priorität dem Ganzen eingeräumt wird.
Die EU-Kommission schafft quasi einen Roaming-Dienst für dezentrale Tracing-Systeme, damit die mit den nationalen Tracing-Apps verbundenen staatlichen Backend-Server grenzübergreifend Daten austauschen können.
Der Gateway-Server in Luxembourg ist testweise in Betrieb. Die offizielle Lancierung ist für Ende August geplant. Ob und wann die Schweizer SwissCovid-App in EU-Ländern warnen kann, ist aus politischen Gründen offen.
Frankreich, Bulgarien, Island und weitere Länder haben sich für ein zentralisiertes Tracing-System entschieden, bei dem der Staat versucht, mehr Daten zu erhalten als bei dezentralen Systemen. Bei einigen kommt GPS zum Einsatz, um den Aufenthaltsort von Infizierten nachzuvollziehen.
Smartphone-Besitzer sollten unbedingt darauf achten, nur die offizielle Corona-Warn-App eines Landes zu installieren. Der Bezugsort für iPhone-User ist der App Store von Apple (iOS) und für Android-User der Google Play Store.
Im Internet kursieren Links zu gefälschten Corona-Apps. Kriminelle versuchen, die Daten ahnungsloser User zu ergaunern und für ihre Zwecke zu missbrauchen. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte man in den offiziellen App-Stores nach dem exakten Namen suchen, unter denen die Apps veröffentlicht wurden. Hingegen können allgemeine Suchbegriffe wie Covid-19 oder Corona-App falsche Treffer ergeben. Denn es tummeln sich mittlerweile einige Tracing- und auch Tracking-Apps in den Stores, was für Verwirrung sorgen kann.
Man kann auf die in diesem Beitrag verlinkten App-Namen (zum gewünschten Land) klicken und gelangt zur offiziellen Website. Dort findet man die App-Store-Links.
Ja. Die Nutzung der in diesem Beitrag aufgeführten nationalen Corona-Warn-Apps ist freiwillig. In einzelnen Ländern werden Touristen bei der Einreise aufgefordert, die offizielle Tracing-App herunterzuladen und zu verwenden.
Ja, das ist durchaus möglich.
Für SwissCovid-User kann es bei einem Auslandaufenthalt Sinn machen, zusätzlich die nationale Tracing-App des Reiselandes zu installieren und bei der Einreise zu aktivieren. Wie zum Beispiel die italienische Immuni-App, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gegenüber watson erklärte.
Die App-User können nur (vor einer möglichen Coronavirus-Infektion) gewarnt werden, wenn die jeweilige App auch aktiviert wird nach der Rückkehr. Konkret müsste die App mindestens einmal pro Tag aktiviert werden und das Handy mit dem Internet verbunden sein. Grenzgänger können beim Überqueren der Landesgrenze die Aktivierung umschalten. Allerdings ist nicht klar, wie zuverlässig das häufige Wechseln zwischen installierten Proximity-Tracing-Apps funktioniert.
Diverse nationale Warn-Apps funktionieren parallel, so dass man beispielsweise die SwissCovid-App nicht deaktivieren muss: Das gilt für alle Apps, die auf eine zentrale Datenspeicherung setzen und deshalb nicht die Proximity-Tracing-Schnittstelle von Apple und Google verwenden. Das bekannteste Beispiel ist die französische StopCovid-App.
Das ist eine berechtigte Frage, die bis heute nicht geklärt ist. Proximity-Tracing-Apps sind eine neue Technologie. Ihr praktischer Nutzen ist bislang nur im Ansatz untersucht.
Erschwerend hinzu kommt, dass Apps mit GAEN-Schnittstelle auf Datenminimierung ausgelegt sind. Dies wiederum erschwert den Gesundheitsbehörden das Auswerten von statistisch relevanten Informationen zur App-Nutzung.
Die bisherigen Nutzerzahlen sind ernüchternd für die Herausgeber. In den meisten Ländern, die eine Tracing-App lanciert haben, verhält sich die Bevölkerung zurückhaltend.
Je mehr aktive User eine Tracing-App hat, desto grösser ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass Smartphone-Besitzer vor einer möglichen Ansteckung gewarnt werden. Davon profitieren auch Leute, die kein kompatibles Gerät besitzen.
Aufgrund der erneut angestiegenen Infektionszahlen bestimmt die Schweiz Corona-Risikoländer. Wer sich in einem dieser Länder aufhält und anschliessend (zurück) in die Schweiz einreisen will, muss sich gemäss staatlicher Anordnung zehn Tage in Quarantäne begeben. Das Bundesamt für Gesundheit aktualisiert die Liste regelmässig.
Marco Rohr