Im Kampf gegen das Coronavirus soll in Deutschland die lange geplante staatliche Warn-App für Smartphones in der kommenden Woche an den Start gehen. Die App soll dann vorgestellt und auch gleich zum Herunterladen angeboten werden, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin sagte. Der genaue Tag wurde noch nicht genannt.
Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn machte deutlich, dass die freiwillige App zum digitalen Nachverfolgen von Infektionsketten technisch attraktiv gestaltet werden soll, um eine breite Nutzung zu erreichen.
Spahn sagte der «Rheinischen Post», die Entwicklungszeit sei gebraucht worden, um hohe Anforderungen zu erfüllen. «Die App muss auf allen Endgeräten genutzt werden können und soll beispielsweise auch dann messen, wenn man mit dem Handy Musik hört.» Hinzu kämen Vorgaben bei Datenschutz, Datensicherheit und Energieeffizienz.
Der deutsche Gesundheitsminister bekräftigte, dass die Regierung keine gesonderte gesetzliche Grundlage für die App anstrebe. In der Datenschutzgrundverordnung sei alles Notwendige eindeutig geregelt – etwa zur Freiwilligkeit und zur ausdrücklichen Einwilligung für jede Nutzung der Daten.
Dies ist in der Schweiz anders, wo dieser Tage das eidgenössische Parlament über eine dringliche Vorlage des Bundesrates zu den gesetzlichen Rahmenbedingung der Schweizer Corona-Warn-App befindet. Erst nach der Zustimmung von Ständerat und Nationalrat ist die SwissCovid-Lancierung möglich.
Das bedeutet, dass nach Österreich, Italien und Frankreich auch Deutschland noch vor der Schweiz eine Corona-Warn-App erhält. Wie und ob die nationalen Warn-Apps grenzübergreifend funktionieren, ist nicht bekannt.
Deutschland setzt wie die Schweiz, Italien und Österreich auf ein dezentralisiertes Tracing-System, bei dem die sensitiven Daten auf den Smartphones der User bleiben. Diese Apps können auf die von Apple und Google zur Verfügung gestellte Schnittstelle (Exposure Notification API) zugreifen, die eine effiziente und zuverlässige Funktionsweise gewährleisten soll. Konkret soll die Distanzabschätzung von iPhones und Android-Geräten über Bluetooth Low Energy klappen, wobei dazu bislang keine unabhängigen Daten vorliegen.
Die deutsche Regierung wolle in einer breiten Kampagne für die Nutzung werben, sagte Spahn. «Wenn wir in den kommenden Wochen einige Millionen Bürger von der App überzeugen, dann bin ich schon zufrieden.»
Der Erfolg der deutschen Corona-Warn-App ist allerdings ungewiss, da die Akzeptanz vor der Lancierung vergleichsweise tief sein soll. Eine repräsentative Befragung der Bevölkerung ergab, dass weniger als die Hälfte der Bürger (42 Prozent) die App auf dem Smartphone installieren will. 39 Prozent wollten die App nicht nutzen. 16 Prozent gaben in der Umfrage an, kein Handy oder Smartphone zu besitzen.
Die sogenannte Tracing-App soll helfen, Infektionsketten leichter zu erkennen und nachzuverfolgen. Wird ein Nutzer positiv getestet und dieser Status in der App erfasst, sollen andere Anwender informiert werden, dass sie sich in der Nähe eines Infizierten aufgehalten haben.
«Die App ist kein Allheilmittel. Sie ist aber ein weiteres, wichtiges Werkzeug, um die Infektionszahlen niedrig zu halten», sagte Spahn. Sie solle helfen, Kontaktpersonen schnell zu informieren und zum Testen einzuladen.
Spahn erläuterte, im Vergleich zur analogen Welt solle die App auch für den Datenschutz Vorteile bringen. «Bei der derzeit vielfach obligatorischen Abfrage der persönlichen Kontaktdaten bei Restaurants oder Gottesdiensten trägt man ja in Wahrheit nicht nur seine eigene Telefonnummer in die Liste ein, sondern kann auch die des vorherigen Gastes lesen. Da ist es mit dem Datenschutz oft nicht weit her.»
(dsc/sda/dpa)