«Geht Sie feuchten Kehricht an»: Gerhard Schröder verteidigt Lobbyismus für Russland-Gas
Das Verhältnis mancher Deutscher zu ihrem Altkanzler Gerhard Schröder lässt gelegentlich an einen berühmten Ausspruch des Satirikers F. W. Bernstein denken: «Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.» Was vor Wladimir Putins Einmarsch in der Ukraine weitgehend und parteiübergreifend Konsens in Berlin gewesen war, nämlich dass Deutschland billiges Gas aus Russland bezog und dafür Defizite bei Demokratie und Menschenrechten gar nicht oder zumindest nicht allzu laut kritisierte, daran hält Schröder bis heute fest.
Dabei genügte es dem Sozialdemokraten nie, einfach nur unkritisch zu sein, vielmehr äusserte er sich geradezu aufreizend affirmativ: Putin nannte er seinen Freund und einen «lupenreinen Demokraten»; noch 2024 schwadronierte Schröder in einem ARD-Dokumentarfilm, man könne doch nicht bestreiten, dass es in Russland freie Wahlen gebe.
Einmal wird er regelrecht pampig
Am Freitag arbeiteten sich seine Politikerkollegen wieder einmal an ihm ab: Der Altkanzler erschien als Zeuge vor einem Untersuchungsausschuss des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern. Im Januar hatte Schröder sein Erscheinen dort noch kurzfristig abgesagt, dann wollte er mit Verweis auf einen Burnout gar nicht mehr aussagen. Nun liess sich der 81-Jährige aus seinem Büro in Hannover per Video zuschalten; eine Reise in die mecklenburgische Landeshauptstadt Schwerin, so Schröders Anwalt, sei seinem Mandanten aus gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten.
Zweck des Ausschusses ist es, die Umstände zu untersuchen, die 2021 zur Gründung einer «Stiftung Klima- und Umweltschutz» durch das Land Mecklenburg-Vorpommern führten. Deren eigentliche Daseinsberechtigung bestand darin, die Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2, durch die russisches Gas nach Vorpommern fliessen sollte, trotz amerikanischer Sanktionen sicherzustellen. Die Nord Stream 2 AG mit Sitz im zugerischen Steinhausen liess dafür rund 20 Millionen Euro springen; aus Moskau flossen noch einmal gut 100 Millionen Euro.
Die Ausschussmitglieder in Schwerin wollten von Schröder wissen, welchen Einfluss er, der seit 2016 Verwaltungsratschef der Nord Stream 2 AG ist, bei der Gründung der Stiftung auf die Schweriner Regierung genommen hat. Neues förderte die Sitzung kaum zutage: An vieles wollte sich der Zeuge Schröder nicht erinnern können, einige Fragen nannte er «lächerlich», einmal wurde er regelrecht pampig: «Das geht Sie einen feuchten Kehricht an», antwortete er auf die Frage, ob er Kontakte zu Wirtschaftsvertretern aus Mecklenburg-Vorpommern unterhalten habe.
Fehler konnte der Altkanzler schon deshalb nicht einräumen, weil er sein damaliges Vorgehen und auch seine Russlandpolitik als Regierungschef bis heute für richtig hält. Wann immer er bei der Herstellung von Kontakten habe helfen können, habe er dies getan, sagte Schröder treuherzig, «das tut man doch als ordentlicher Mensch».
Merkel schweigt lieber über ihre Russlandpolitik
Dabei habe er sich mit Manuela Schwesig, der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, ebenso regelmässig ausgetauscht wie mit der damaligen Kanzlerin Angela Merkel und Putin. Die «Klimastiftung» sei «ein Instrument, um amerikanische Interventionen zu verhindern»; Deutschlands Energiepolitik, so Schröder, sei «Friedenspolitik» gewesen.
Zwar wirkte der Altkanzler gelegentlich gereizt, doch blieb er sich nicht nur inhaltlich, sondern auch im Stil treu: Gönnerhaft-jovial lobte er seine Parteikollegin Schwesig als «sachkundig und menschlich sehr liebenswürdig», bescheinigte dem Nord-Stream-Geschäftsführer und früheren Stasi-Mann Matthias Warnig, «klasse Arbeit» geleistet zu haben und nannte das Schweriner Kabinett salopp «Meck-Pomm-Regierung». Zum Abschluss dankte er noch dem christdemokratischen Ausschussvorsitzenden für die «ausserordentlich faire Sitzungsleitung».
Ob es Schröder Freude machte, daran zu erinnern, dass sich auf einem Teilstück der Pipeline nicht nur seine Unterschrift, sondern auch die seiner Nachfolgerin Angela Merkel befinde, weiss nur er selbst. Eines kann man Merkel zugutehalten: Zu den schärfsten Kritikern des Elchs Schröder gehört sie heute nicht. Lieber schweigt sie über ihre Russlandpolitik.
(aargauerzeitung.ch)