Auf den ersten Blick lief es gut für den Bundeskanzler. Die SPD von Olaf Scholz erreichte bei der Landtagswahl am Sonntag in Brandenburg Platz eins und trotzte dem nationalen Trend. Zu verdanken war der Erfolg aber allein dem beliebten Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, und der wollte im Wahlkampf nicht gemeinsam mit Scholz auftreten.
Woidke hatte die Wahl zum Referendum über seine Person erklärt. Der «Egotrip» zahlte sich für ihn aus, doch Grüne und Linke flogen aus dem Potsdamer Landtag. Dort sind nur SPD, AfD, CDU und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vertreten. Weil die AfD als Partner ausfällt, kann Woidke eigentlich nur mit dem BSW eine Mehrheit bilden.
Die Bilanz aus den Landtagswahlen in Brandenburg sowie drei Wochen zuvor in Sachsen und Thüringen fällt ernüchternd aus. Die rechtsextreme AfD ist im Osten Deutschlands ein Machtfaktor, und die «Wagenknechte» erreichten auf Anhieb zweistellige Ergebnisse. Abgestraft wurde die in Berlin regierende Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen.
In einem Jahr, am 28. September 2025, soll die nächste Bundestagswahl stattfinden. Es scheint fraglich, ob die zerrüttete «Fortschrittskoalition» so lange durchhalten kann. Womöglich muss die SPD schon bald klären, ob sie erneut mit Olaf Scholz antreten soll. Bei CDU/CSU ist die Kanzlerfrage mit Friedrich Merz geklärt – zumindest vorläufig.
Bundeskanzler Olaf Scholz gilt in der Bevölkerung als führungsschwach und ist entsprechend unbeliebt. Selbstzweifel sind dem 66-jährigen Hamburger aber eher fremd. Er ist fest entschlossen, für die SPD erneut als Kanzlerkandidat anzutreten. Die Brandenburger Wahl hat ihm eine Atempause verschafft, doch fest im Sattel sitzt Scholz keineswegs.
An der sozialdemokratischen Basis geniesst er nach wie vor Rückhalt, doch nie in der Geschichte der Bundesrepublik war ein Kanzler so unpopulär, und auch die SPD befindet sich im Umfragetief. Deshalb gibt es Überlegungen, Scholz ähnlich wie Joe Biden vor der nächsten Wahl auszutauschen. Allerdings gibt es in der SPD keine Kamala Harris.
Ein Name drängt sich dennoch als Ersatz auf: Boris Pistorius. Zwar gibt es Kratzer am Lack des Verteidigungsministers, wegen Pannen und einer harzigen Aufrüstung der heruntergewirtschafteten Bundeswehr. Mit seiner gleichzeitig sympathischen und zupackenden Art kommt der 64-jährige Niedersachse bei den Deutschen trotzdem gut an.
In einer Umfrage von RTL und ntv zur «Kanzlertauglichkeit» der deutschen Politiker war Boris Pistorius mit 30 Prozent mit Abstand die Nummer eins. Dahinter folgten mit 22 Prozent der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sowie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Friedrich Merz (CDU) mit je 18 Prozent. Olaf Scholz kam auf ganze 9 Prozent.
Pistorius hat bislang ziemlich glaubhaft versichert, nicht am Kanzlerjob interessiert zu sein, doch das kann sich ändern. Für Olaf Scholz spricht, dass er gemäss einer «Bild»-Umfrage in der Wählergunst gleichauf mit CDU-Rivale Friedrich Merz liegt. An solche Befunde klammert sich der Bundeskanzler. Allerdings bedeutet dies nur, dass beide etwa gleich unbeliebt sind.
Letzte Woche ging es bei der Union plötzlich schnell. Erst verzichtete Hendrik Wüst, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, auf die Kanzlerkandidatur. Danach gab Markus Söder auf. Der machtbewusste Bayer hat in der CDU nicht mehr viele Freunde, seit er vor drei Jahren wiederholt gegen den damaligen Kanzlerkandidaten Armin Laschet stichelte.
Der Weg war damit frei für CDU-Chef Friedrich Merz, der mit 68 Jahren dort ist, wo er immer hinwollte: vor den Toren des Berliner Kanzleramts. Derzeit spricht alles dafür, dass er dort einziehen wird. Er verspricht einen doppelten Bruch: Mit der Stagnation unter «Erzfeindin» Angela Merkel, die ihn einst in die politische Wüste geschickt hatte, und mit der Ampel.
Die Umfragewerte aber zeigen, dass die Deutschen nicht sonderlich überzeugt sind vom stramm konservativen Zwei-Meter-Mann aus dem Sauerland. Das liegt nicht nur an seiner oft kolportierten Dünnhäutigkeit oder an der Tatsache, dass Merz nie regiert hat, nicht einmal als Dorfbürgermeister. Er ist einfach kein Sympathieträger.
Der Autor dieser Zeilen konnte sich davon im Frühjahr überzeugen, als Merz einen Vortrag an der Universität Zürich hielt. Er ist nicht der Typ, dem die Herzen zufliegen. Den ersten politischen Härtetest bestand er nicht. Trotz knallharter Linie beim Thema Migration erreichte die CDU in Brandenburg ihr bislang schlechtestes Ergebnis in einem östlichen Bundesland.
Merz machte dafür den «Woidke-Effekt» verantwortlich, doch vielleicht wählten die Leute lieber das «Original», sprich die AfD. Allzu sicher darf sich Friedrich Merz nicht sein, denn in München lauert Markus Söder. Er warf ihm am Montag einen ersten Knüppel zwischen die Beine, indem er ankündigte, eine schwarz-grüne Bundesregierung verhindern zu wollen.
Für die «Juniorpartner» in der Ampel-Regierung verliefen die Wahlen im Osten ernüchternd bis traumatisch. Die Grünen schafften einzig in Sachsen knapp die Rückkehr ins Parlament. Am Sonntag in Brandenburg machte ihnen die ARD in ersten Prognosen Hoffnung auf ein Direktmandat in Potsdam, doch sie verpassten es genauso klar wie die Fünf-Prozent-Hürde.
Die Grünen sind für viele in Deutschland zur Hasspartei geworden. Ihnen drohen bei der Bundestagswahl happige Verluste, doch immerhin können sie im Westen auf eine solide Stammwählerschaft zählen. Dramatisch ist die Lage für die FDP. Sie wurde im Osten regelrecht ausradiert und muss um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen.
Gewichtige Stimmen wie Parteivize Wolfgang Kubicki fordern offen den Koalitionsbruch. Sie gehen davon aus, dass die Liberalen sogar profitieren könnten, wenn sie der Ampel-Agonie ein Ende bereiten. FDP-Chef Christian Lindner wehrte sich bislang dagegen, auch weil er gerne Finanzminister ist. Am Montag aber stellte er SPD und Grünen ein Ultimatum.
Bis zum 21. Dezember müsse es entscheidende Beschlüsse zu den Themen Migration, Wirtschaftswachstum und Bundeshaushalt geben, forderte Lindner. Er liess offen, was sonst passieren könnte, doch das Timing macht Sinn. Eine Wahl im Winter möchte niemand in Deutschland. Platzt die Ampel kurz vor Weihnachten, gäbe es Neuwahlen im Frühjahr 2025.
Ein solches Szenario wird zunehmend wahrscheinlich, obwohl AfD und BSW auch auf Bundesebene erhebliche Gewinne verzeichnen dürften und die Regierungsbildung schwierig werden könnte. Ob Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat nominiert wird, ist alles andere als sicher. Am Ende macht er vielleicht doch den Biden, zugunsten von Boris Pistorius.
Von allen deutschen Politikern ist Habeck der einzige, der wirklich arbeitet, sich einsetzt und für die Bevölkerung da ist. Zudem hat er die Geduld und Ruhe, den Populisten mit Fakten den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Das habt ihr aber schön ausgedrückt ;-)
Ich hätte geschrieben:
"Bundeskanzler Olaf Scholz gilt in der Bevölkerung als unfähiger Angsthase und ist auf der Abschussliste."