Skeptischer Optimist
Das AIPAC Politiker kauft ist kein Klischee, sondern unbestreitbarer Fakt. Die amerikanische jüdische Gemeinde sollte sich von dieser Praxis distanzieren, statt die anti-Semitismus Keule hervor zu holen.
Für Donald Trump läuft es mies. Da war der Regierungs-Shutdown, für den eine Mehrheit der Amerikaner den Präsidenten verantwortlich machte. Ebenfalls eine Mehrheit lehnt den Bau einer Grenzbefestigung im Süden ab, die Trump durchstieren will. Der gescheiterte zweite Gipfel mit Kim Jong Un offenbarte sein amateurhaftes Verständnis von Diplomatie.
Dazu mehren sich die Indizien, dass der unüblich lange Wirtschaftsboom sein Limit erreicht haben könnte. Das Budget- und das Handelsbilanzdefizit der USA nehmen zu, gleichzeitig scheint Trump bei seinem grossmäulig erklärten «Handelskrieg» mit China einzuknicken. Die Anhörung seines Ex-Anwalts Michael Cohen vor einem Kongress-Ausschuss hinterliess einen verheerenden Eindruck.
Das Hearing war ein Triumph für die neue demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus. Die Freude hielt nicht lange. Diese Woche hatte Trumps Gegenspielerin Nancy Pelosi – in Personalunion Vorsitzende der grossen Parlamentskammer und Chefin der demokratischen Fraktion – vielmehr alle Hände voll zu tun, um ihre zerstrittene Partei zusammenzuhalten.
Die Kontroverse ausgelöst hat die Abgeordnete Ilhan Omar aus Minnesota, eine von zwei Muslimas, die im letzten November ins Repräsentantenhaus gewählt worden waren. Sie hat Israel und dessen mächtige US-Lobbyorganisation AIPAC wiederholt kritisiert. Nun liess sie sich auf Twitter zu Aussagen hinreissen, die als antisemitisch eingestuft wurden.
Erst behauptete Omar, die israelfreundliche Politik der USA sei durch das Geld von AIPAC beeinflusst. Das erinnerte an das üble Klischee der reichen Juden, die sich mit Geld alles kaufen können. Ilhan Omar entschuldigte sich dafür, nicht aber für den Vorwurf an die jüdische Abgeordnete Nita Lowey, sie würde «einem fremden Land die Treue schwören» – gemeint ist Israel.
Ihr Parteikollege Eliot Engel aus New York sprach von einer «üblen antisemitischen Verleumdung». Tatsächlich liess Omar das Stereotyp der «gespaltenen Loyalität» aufleben, das die Juden in ihrer leidvollen Geschichte begleitet hat. Und auf das sie hochgradig sensibel reagieren. Denn von der Unterstellung, Juden seien «Volksschädlinge», führt ein direkter Weg in den Holocaust.
Our democracy is built on debate, Congresswoman! I should not be expected to have allegiance/pledge support to a foreign country in order to serve my country in Congress or serve on committee. The people of the 5th elected me to serve their interest. I am sure we agree on that! https://t.co/gglAS4FVJW
— Ilhan Omar (@IlhanMN) 3. März 2019
Die Republikaner und ihr angezählter Präsident reagierten mit Genugtuung auf den Tumult bei den Demokraten. Der texanische Senator John Cronyn bezeichnete ihn als «Geschenk». Ähnlich sehen es US-Medien: «Omar hilft Trump aus der Patsche», titelte das Online-Magazin Politico. «Nur etwas kann Trump jetzt retten: die Demokraten», lästerte «Washington Post»-Kolumnist Dana Milbank.
Jüdische Abgeordnete forderten von Nancy Pelosi eine Resolution, die Antisemitismus eindeutig verurteilt. Am Ende resultierte am Donnerstag ein handzahmes Papier, dass Vorurteile und «hasserfüllte Ausdrücke von Intoleranz» gegen alle möglichen Gruppen anprangert. Der jüdische Republikaner Lee Zeldin aus New York bezeichnete die Resolution als «rückgratlos und widerlich».
Parteikollegen machten sich darüber lustig. Man habe «die Mormonen, die Wiccas und die Zeugen Jehovas vergessen», meinte der Abgeordnete Doug Collins. Dabei sind die Republikaner in Sachen Antisemitismus und Rassismus alles andere als vorbildlich, angefangen bei Donald Trump, der sich während der Ausschreitungen in Charlottesville als Neonazi-Versteher inszenierte.
Gleichzeitig stehen die Republikaner geschlossen hinter ihrem einst ungeliebten Präsidenten, auch wenn sie dabei ihre Werte verraten. Während die Demokraten ihre Divergenzen offen ausleben. Das gilt auch für einen weiteren Aspekt. Ilhan Omar gehört zu den «jungen Wilden» um Alexandria Ocasio-Cortez, die seit den Midterms die amerikanische Politik aufmischen.
Altgediente demokratische Abgeordnete verfolgen dieses Treiben mit Unbehagen bis Widerwillen. Im Kongress gilt eigentlich ein strenges Anciennitäts-Prinzip. Wer neu anfängt, muss erst einmal hinten anstehen und sich dann sukzessive nach oben arbeiten. Die Neulinge um Ocasio-Cortez, die den Umgang mit Social Media virtuos beherrschen, scheren sich keinen Deut darum.
Mit radikalen Ideen wie einem Green New Deal oder einer Öffnung der staatlichen Senioren-Krankenkasse Medicare für alle haben sie die Partei bereits nach links getrieben, nicht nur zur Freude der Nomenklatura um Nancy Pelosi. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses versucht, die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen, mit gutem Grund.
Zur Erinnerung: Demokraten mit einem linken «Sanders-Profil» haben bei den Midterms in allen umkämpften Wahlkreisen gegen die Republikaner verloren, wenn auch teilweise knapp. Linke Ideen mögen in den USA zunehmend in den Mainstream vordringen und von demokratischen Präsidentschaftskandidaten vertreten werden. Aber sie sind kein sicheres Erfolgsrezept.
Die Präsidentschaftswahl 2020 wird nicht in der «Volksrepublik Berkeley» entschieden oder in den Bars am Union Square in Manhattan, in denen Alexandria Ocasio-Cortez noch vor einem Jahr hinter dem Tresen stand. Sondern in den ausgebluteten Industriegebieten von Allentown (Pennsylvania) oder Flint (Michigan). Dem Sieg in diesen Regionen verdankt Trump seine knappe Wahl 2016.
Für die Demokraten steht einiges auf dem Spiel. Sie riskieren, dass etwa die Juden, eine ihrer treusten Wählergruppen, wegen der Antisemitismus-Kontroverse zu Hause bleiben. Oder dass Mitte-Wähler durch den «Sozialismus» abgeschreckt werden. Die Republikaner wittern bereits Morgenluft. Sie sehen eine Chance, die bei den Midterms verlorenen Suburbs zurückzuerobern.
Es dauert noch fast ein Jahr, bis die «heisse Phase» der Präsidentschaftswahl beginnt. Und die Demokraten haben ein starkes Bewerberfeld. Ihre Chance, Donald Trump aus dem Weissen Haus zu verjagen, ist mehr als intakt. Derzeit aber kann der bedrängte Präsident aufatmen. Wenn die Demokraten so weiter machen, verhelfen sie ihm gar noch zur Wiederwahl.