Jahrelang hat der Anwalt Michael Cohen einem Unternehmer namens Donald Trump treu gedient. Als «Mann fürs Grobe» räumte er für ihn juristische Probleme aus der Welt. Um ihn zu beschützen, belog er den US-Kongress über den geplanten Bau eines Trump Towers in Moskau. Cohen wurde unter anderem aus diesem Grund zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
Am Mittwoch trat er erneut im Kapitol in Washington auf. Dieses Mal aber präsentierte sich der 52-Jährige geläutert: «Jetzt will ich die Wahrheit sagen», erklärte Cohen zu Beginn seines 30-minütigen Statements. Es folgte ein Rundumschlag, eine Generalabrechnung mit Trump, den er als «Rassisten, Betrüger und Schwindler» bezeichnete.
Wer die schillernde Karriere des US-Präsidenten einigermassen verfolgt hat, war nicht erstaunt. Die Deutlichkeit von Cohens Aussage und der Ablauf des mehr als fünfstündigen Hearings waren dennoch erhellend. Denn obwohl der Ex-Anwalt – ihm wurde die Zulassung entzogen – über einen mehr als zweifelhaften Ruf verfügt, wirkte sein Auftritt glaubwürdig.
Der wichtigste Grund ist, dass Michael Cohen nichts zu verlieren hat. Er muss am 6. Mai ins Gefängnis, um seine Haftstrafe anzutreten. Einen Straferlass werde er durch die Aussage nicht erhalten, sagte er auf die Frage eines republikanischen Abgeordneten. Man kaufte ihm ab, dass er keinen persönlichen Vorteil anstrebte, sondern sein Gewissen erleichtern wollte.
Gestützt wurde seine Glaubwürdigkeit zudem durch das Verhalten der Republikaner. Weil sie offenbar nicht in der Lage waren, seine Fakten zu widerlegen, spielten sie voll auf den Mann. Jim Jordan, der ranghöchste Republikaner im Ausschuss, bezeichnete Cohen seinerseits als «Betrüger, Lügner und verurteilten Straftäter», der gegen das Anwaltsgeheimnis verstossen habe.
Andere versuchten Cohen pekuniäre Motive nachzusagen. Sie verwiesen unter anderem auf den ominösen Beratervertrag mit Novartis über 1,2 Millionen Dollar, der den Finanzchef des Basler Pharmariesen den Job gekostet hat. Jordan unterstellte ihm zudem Rachsucht, weil er keinen Job im Weissen Haus erhalten habe. Cohen bestritt vehement, einen solchen angestrebt zu haben.
Insgesamt hinterliess der ehemalige Winkeladvokat in der zeitweise gehässigen Anhörung einen überzeugenden Eindruck. «Schämen Sie sich», sagte Cohen einmal an die Adresse von Jim Jordan. Umgekehrt bemühte er sich auch, die teilweise suggestiven Fragen der Demokraten («Glauben Sie, dass Trump zu geheimen Absprachen mit Russland fähig war?») abzuwehren.
Konnte er aber die «Smoking Gun» präsentieren, die Donald Trump aus dem Amt und vielleicht ins Gefängnis spedieren wird? So knackig Cohens Enthüllungen waren, juristisch sind sie von beschränktem Wert. Teilweise basieren sie auf Hörensagen. Das betrifft etwa das Telefongespräch, in dem Roger Stone angeblich Trump über die Veröffentlichung der Clinton-Mails durch Wikileaks informierte.
Der Check, den Trump ein halbes Jahr nach seinem Einzug ins Weisse Haus für Cohen ausgestellt hat, ist ebenfalls kein vollwertiger Beweis. Der Ex-Anwalt behauptet, es habe sich um eine Rückzahlung für das Schweigegeld an den Pornostar Stormy Daniels alias Stephanie Clifford gehandelt. Man glaubt Cohen, dass er unter Eid die Wahrheit sagt, aber vor Gericht dürfte diese Aussage wenig zählen.
Gleiches gilt für die Russland-Affäre. «Ich habe keinen direkten Beweis für geheime Absprachen von Trump oder seinem Wahlkampfteam mit Russland, aber es gibt starke Vermutungen», sagte Cohen. Man muss deshalb annehmen, dass er auch vor den Geheimdienstausschüssen von Senat und Repräsentantenhaus hinter verschlossenen Türen wenig zu sagen hatte.
Kann sein, dass die beiden Ausschüsse weitere Indizien finden. Letztlich aber hängt alles von der Untersuchung von Sonderermittler Robert Mueller in der Russland-Affäre ab. Sein Bericht, der demnächst vorliegen soll, wird mehr denn je über Donald Trumps Schicksal entscheiden.
Michael Cohens Auftritt war in erster Linie eine perfekte Show. Sie könnte den einen oder anderen Trump-Wähler ins Grübeln gebracht haben, was wohl eine Absicht der Demokraten war. Und sie erbrachte Einsichten in den unfassbaren Erfolg von Donald Trump: «In seiner Gegenwart fühlt man sich als Teil von etwas Grösserem, als ob man die Welt verändern könne», sagte Cohen.
Das erklärt zumindest teilweise, warum ein notorischer Hochstapler und Lügner sich so lange als brillanter Geschäftsmann und Dealmaker verkaufen konnte. Und warum er heute dort ist, wo er nie hätte hingelangen dürfen.