Donald Trump und seine MAGA-Meute beklagen sich unablässig darüber, dass Präsident Joe Biden, sein Justizdepartement, die Demokraten und die Mainstream-Medien ihn mit illegalen und undemokratischen Mitteln daran hindern wollten, wieder ins Weisse Haus einzuziehen. Typisch dafür seien die Klagen in mehreren Bundesstaaten, die ihm gar verbieten wollen, überhaupt zur Wahl anzutreten.
Tatsächlich sind in mehreren US-Bundesstaaten solche Klagen hängig. In Colorado hat das regionale Oberste Gericht dieser Klage sogar stattgegeben. Sie stützt sich auf den dritten Abschnitt des 14. Verfassungszusatzes. Darin wird festgehalten, dass niemand, der an einem Umsturzversuch beteiligt war oder diesen gefördert hat, je wieder eine Stellung im Staat besetzen darf. Dieser Verfassungszusatz ist nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg geschaffen worden. Er hatte damals das Ziel, die Rebellen der Südstaaten von der Regierung fernzuhalten.
Die Propaganda von Trump, unterstützt durch die konservativen Medien, zeigt Wirkung. Der Glaube, dass eine undemokratische «Hexenjagd» gegen den Ex-Präsidenten im Gange sei, ist weit verbreitet. Auf den ersten Blick scheint dies auch logisch zu sein. Nur der politische Gegner kann schliesslich ein Interesse daran haben, dass der Ex-Präsident gar nicht erst antreten darf. Doch dieser Eindruck ist falsch. Weder Biden noch die Demokraten stehen hinter dieser Klage. Es sind vielmehr überzeugte Republikaner. Das zeigt ein Porträt einer mutigen 91-jährigen Frau in der «Washington Post».
Norma Anderson ist seit sie politisch denken kann Republikanerin. Sie glaubt an die Grundsätze der Grand Old Party – schwacher Staat, möglichst viel Eigenverantwortung – und hat sich 1964 gar für den damals als äusserst konservativen Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater ins Zeug gelegt.
1986 gewann sie einen Sitz im Abgeordnetenhaus des Bundesstaates Colorado. Sie galt als konservativ und als jemand, der sich durchzusetzen weiss. Dick Wadhams, ein ehemaliger Kollege, beschreibt sie wie folgt: «Wenn sie sich einmal für eine Sache entschieden hatte, dann stand sie dazu. Sie schwankte nicht. Deshalb war sie auch bei den Republikanern sehr beliebt. Sie war stark. Niemand trieb Spiele mit Norma.»
Mit Trump konnte sich Anderson jedoch nie anfreunden. 2016 und 2020 wählte sie deshalb unabhängige Kandidaten. 2018 verliess sie gar kurz die GOP, kehrte aber wieder zurück. Als sie angefragt wurde, ob sie bei der Klage gegen den Ex-Präsidenten mitmachen würde, sagte sie sofort zu. «Er hat versucht, eine verlorene Wahl umzudrehen», lautet ihre simple Begründung.
Neben Anderson sind weitere Vertreter der Republikaner in Colorado im Klageteam, darunter eine Lehrerin, ein ehemaliger Mitarbeiter eines republikanischen Gouverneurs, ein ehemaliger Direktor des Boys & Girls Club und eine konservative Kolumnistin der «Denver Post».
All diese Republikaner gehen ein grosses Risiko ein. Sie werden von ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen nicht nur geächtet, sie werden auch bedroht. «Es gibt viele andere Republikaner, die nun denken, ich sei ein RINO (eine Republikanerin nur dem Namen nach)», sagt Anderson. «Mir ist das egal.» Ob sie denn keine Angst um Leib und Leben habe, wird sie weiter gefragt. «Mich erschreckt man nicht so leicht», lautet ihre gelassene Antwort.
Wie für die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner ist auch für Anderson die Verfassung extrem wichtig. Daher zählt sie darauf, dass der konservative Supreme Court ihrer Klage stattgeben wird, da er letztlich gar keine andere Wahl habe. Tatsächlich sind die Fakten eindeutig. Dass Trump an einem versuchten Aufstand gegen die Regierung teilgenommen hat, konnte die ganze Welt am Bildschirm mitverfolgen. Und der 14. Verfassungszusatz sagt nirgends, dass ein Ausschluss von den Wahlen einen Schuldspruch von einem Gericht voraussetzt.
Anderson kann sich zudem auf die Meinung von namhaften konservativen Verfassungsjuristen stützen. Einer davon ist Michael Luttig, ein führendes Mitglied der Federal Society, einer mächtigen Lobbygruppe von konservativen Juristen. Zwei weitere Mitglieder dieser Lobbygruppe, William Baude und Michael Paulson, haben gar in einer 126-seitigen Analyse ausführlich dargelegt, weshalb Trump von der Wahlliste gestrichen werden muss.
Umgekehrt haben viele Linke sich dagegen ausgesprochen, Trump auszuschliessen. Einige davon haben inzwischen ihre Meinung geändert. Einer davon ist E. J. Dionne in der «Washington Post». «Ich habe geglaubt, es sei das Beste für das Land, wenn Trump in einer fairen Wahl besiegt wird», stellt er nun fest. «Aber je mehr ich darüber gelesen und gehört habe, desto klarer wurde mir, dass der dritte Abschnitt sich genau gegen das richtet, was Trump getan hat.»
Trump wirft die ewige Frage auf, wie man als tolerante Gesellschaft mit intoleranten Mitgliedern umgehen soll. Wie immer auch der Supreme Court entscheiden wird – wahrscheinlich zugunsten des Ex-Präsidenten –, für Dionne ist die Antwort inzwischen klar. «Das Gericht würde ihn nicht disqualifizieren. Er hat sich selbst disqualifiziert.»
Sie ist - im Gegensatz zu vielen anderen Republikanern - nicht bereit ihre moralischen Standpunkte zu verraten nur um den nächsten Präsidenten zu stellen.
Sie stellt sich dem Hass und der Feindschaft der Ultra-Rechten - dazu gehört viel Mut und Leidensbereitschaft.
Ich ziehe meinen Hut vor dieser Frau.
Es wäre das beste für die westliche Welt, die USA, die Ukraine, Nato wenn der Trump Spuk übermorgen vom SCOTUS beendet wird.
Wenn die Richter eben Richter vom Format Norma sind, dann kommen sie zum og Schluss. Niemand steht über dem Gesetz.
Den Leuten, die eine Hexenjagt propagieren, braucht man nicht mehr mit Argumente kommen. Sowas wird gekonnt ignoriert.
Trotzdem vielen Dank für diesen Artikel, der auch so einiges richtig stellt.