Er kämpfte in der Ukraine, doch nun soll er von einem Erschiessungskommando hingerichtet werden. Viktor Sewalnew verbüsste laut Angaben der Menschenrechtsorganisation «Gulagu» in Russland eine vierjährige Haftstrafe wegen Körperverletzungen und meldete sich dann offenbar freiwillig für die Front in der Ukraine.
Nachdem er mit anderen Häftlingen einer Einheit der selbsternannten Volksrepublik Luhansk zugeteilt und dann bei Kämpfen im Donbass angeblich mehrfach verletzt wurde, soll er laut «Gulagu» mit seiner Einheit von der Front geflohen sein. Daraufhin habe sich die Frau des 43-Jährigen bei der Menschenrechtsorganisation gemeldet.
Ihr Mann soll von der russischen Armee aus einem Krankenhaus abgeholt worden sein. Sewalnew drohe nun ein Todesurteil durch Erschiessen.
1/ The Russian prisoners' rights group Gulagu Net reports that a convict named Viktor Anatolyevich Sevalnev has been taken from his hospital bed, where he was being treated for battle wounds, to be shot after the unit he was commanding retreated from the front line. ⬇️ pic.twitter.com/zSmhQR5x47
— ChrisO_wiki@mastodon.social (@ChrisO_wiki) November 21, 2022
Ob die Geschichte des russischen Häftlings wirklich authentisch ist, kann schwer überprüft werden. Beide Seiten nutzen Desinformation als eine zentrale Waffe im Krieg. Fest steht: Derartige Berichte aus dem Donbass sind kein Einzelfall. Es häufen sich abgehörte Telefonate und Berichte russischer Soldaten, die vor allem eines nahelegen: Der Blutzoll der russischen Armee, um die Front im Osten der Ukraine halten zu können, ist gross.
Aber ist damit auch ein Rückzug Russlands oder gar eine russische Niederlage wahrscheinlicher? Das ist bisher Wunschdenken im westlichen Bündnis, aber bislang hat sich der Kreml und insbesondere der russische Präsident Wladimir Putin von seinen Kriegszielen nicht verabschiedet. Im Gegenteil: Seine Taktik scheint darauf zu zielen, den Durchhaltewillen der Ukraine und ihrer westlichen Unterstützer zu brechen.
Aufgrund der aktuellen militärischen Unterlegenheit der russischen Armee lässt Putin die Infrastruktur der Ukraine beschiessen. So schoss Russland am Mittwoch etwa 70 Raketen auf die Ukraine ab. Zwar hat die Ukraine laut Luftwaffenangaben 51 Raketen und fünf Drohnen abgefangen. Doch die übrigen Geschosse töteten zehn Menschen und richteten einmal mehr schwere Schäden am Stromnetz an.
Die Kernkraftwerke des Landes wurden abgeschaltet, die meisten Wärme- und Wasserkraftwerke fielen aus, wie das Energieministerium mitteilte. Es kam zu grossflächigen Blackouts. Die Ukraine erlebt derzeit dunkle und kalte Nächte.
Putins Kriegsverbrechen sind allerdings eher als Verzweiflungstaten zu werten. «Die Besatzer tun alles, damit Menschen leiden, damit wir einander nicht einmal fühlen oder sehen», sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte am Mittwoch Putins erbarmungsloses Vorgehen. «Ein Krieg, den er auf dem Schlachtfeld gar nicht mehr gewinnen kann, so viel scheint klar», so der Kanzler.
Die Ukraine erlebt aktuell den Abnutzungskrieg, den viele Militärexpertinnen und -experten bereits im Frühsommer befürchtet hatten. Die Frontverläufe verändern sich nur minimal, beide Seiten erleiden hohe Verluste. Die Folge: Am Ende wird wohl die Partei den Krieg gewinnen, die mehr Ressourcen aufbringen kann.
Und eben dabei sieht es düster für Putin aus. Die Ukraine wird weiter von einer grösstenteils geeinten westlichen Front unterstützt. Allein die USA stellten am Mittwoch erneut 400 Millionen US-Dollar für militärische Unterstützung bereit. Für Kiew ist die westliche Unterstützung überlebenswichtig und zum Ärger des Kreml-Chefs scheint diese Front bislang nicht wirklich zu bröckeln.
Mit dem Raketenterror gegen die Ukraine zielt Russland vor allem auch auf die westliche Solidarität. Im Angesicht des Leids der Zivilbevölkerung und einer neuen drohenden Flüchtlingswelle nach Europa sollen Washington, Berlin und Paris die ukrainische Führung zu Zugeständnissen bewegen.
Doch dieser Plan geht nicht auf. Putin, der schon die militärische Stärke der Ukraine sträflich unterschätzt hat, begeht den gleichen Fehler wieder: Er unterschätzt die Wehrhaftigkeit der ukrainischen Zivilbevölkerung und die Widerstandsfähigkeit der westlichen Gesellschaften. Der Kreml-Chef erhoffte sich höchstwahrscheinlich Revolten der Menschen in der Ukraine aufgrund der Blackouts, massive Proteste in Europa aufgrund der Energiepreise und eine Quittung für US-Präsident Joe Biden bei den Zwischenwahlen in den Vereinigten Staaten.
Doch all das blieb aus. Putin scheint sich erneut verrechnet zu haben.
Darüber hinaus ist die psychologische Komponente momentan auf der Seite der Ukraine. Im Herbst konnte sie eine erfolgreiche Gegenoffensive im Nordosten und im Süden starten. Sie zwang Russland zum Rückzug aus der strategisch-wichtigen Stadt Cherson. Seit Monaten sind die russischen Truppen in der Defensive, begleitet von ständigen Nachrichten über Misserfolge und Rückschläge.
In diesem Krieg könnte das Durchhaltevermögen der entscheidende Faktor werden. Die Menschen in der Ukraine glauben an ihren Sieg, sie sind in der Offensive und motiviert, ihr Land zu verteidigen. Sie haben Resilienz entwickelt, und mit der ist es wahrscheinlich, dass sie, die ohnehin harte Winter gewöhnt sind, auch diese Kälteperiode überstehen – notfalls ohne Strom.
Four enemies of the russian missile arsenal:
— Oleksii Reznikov (@oleksiireznikov) November 22, 2022
brilliant Ukrainian air defense forces; inept russian missile forces; sanctions;
time.
Let's demilitarize the terrorist state to live in peace! pic.twitter.com/ndttmXCc22
Dagegen könnte die Kriegsmüdigkeit in Russland für Putin zu einem immer grösseren Problem werden. Laut Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden mittlerweile geschätzt mindestens 85'000 russische Soldaten in der Ukraine getötet oder durch Verletzungen kampfunfähig. Zwar sind die Verluste auf ukrainischer Seite wahrscheinlich viel höher, aber die Verteidiger können mittlerweile auf viele Freiwillige zurückgreifen, die in den vergangenen Monaten ausgebildet wurden.
Die russische Armee hat wahrscheinlich ausserdem Materialprobleme. Niemand weiss wirklich, wie viel Ausrüstung und Waffen Russland noch in seinen Arsenalen hat. Doch auf dem Gefechtsfeld ist Experten zufolge zu beobachten, dass es den russischen Truppen vor allem an Mikrochips und Halbleiter für moderne Lenkwaffen fehlt. Die Ukraine geht davon aus, dass Russland schon mehr als 87 Prozent seiner Iskander-Raketen verschossen hat und nun auf umfunktionierte S-300-Geschosse zurückgreifen muss. Die USA sehen dagegen «erhebliche Engpässe» bei der russischen Artillerie-Munition.
Das bedeutet: Materialengpässe könnten die Terrorstrategie Putins gefährden, sofern Russland nicht Nachschub aus dem Iran oder aus Nordkorea bekommen würde. Teheran stellte Lieferungen von Raketen bereits in Aussicht.
Im Winter sind zumindest keine grossen Entscheidungen auf dem Schlachtfeld zu erwarten. Russland verlegte zwar viele der Truppen aus Cherson in den Donbass. Bislang konnten russische Offensiven dort aber von der Ukraine weitgehend erfolgreich abgewehrt werden. Die ukrainische Armee steht im Süden nun allerdings vor dem Dnipro, einem grossen natürlichen Hindernis für die Fortsetzung der Gegenoffensive.
Zu erwarten sind erbitterte Artilleriegefechte mit dem beschränktem Einsatz von Panzern, weil diese ausserhalb von Strassen im ukrainischen Matsch in dieser Jahreszeit versinken. Militärisch sind die Möglichkeiten deshalb bis zum Frühjahr beschränkter.
Die Kämpfe um das Durchhaltevermögen könnten nun erst richtig beginnen. Die US-Denkfabrik «Institute for the Study of War» rechnet damit, dass der Kreml mit einer Operation unter falscher Flagge einen ukrainischen Angriff auf Südrussland inszenieren könnte. Putins Ziel dabei könnte es laut der Analyse sein, die Kriegsmoral in Russland wieder zu stärken, indem er vorgibt, angegriffen worden zu sein, und die Verteidigung des Landes beschwört. Doch Anzeichen dafür gibt es bisher nicht.
In jedem Fall muss der russische Präsident zwischen kriegsmüden und nationalistischen Kräften in seinem Land vermitteln. Ein Drahtseilakt.
(t-online)
Er wird wohl seine Revolte und Proteste noch erleben, aber nicht im Westen sondern in Russland selber.
Seine Aktionen in der Ukraine fördern die Solidarität mehr, als sie sie zerschlagen.
Aber was weiss ein Unmensch von Menschlichkeit.
Sogar Toqajew u. Lukaschenko sagen in aller Öffentlichkeit, dass RU den Krieg, der für den Kreml nicht zu gewinnen ist, einstellen soll.
Und auch die Hetzer im russ. TV haben feststellen müssen, dass aus China nichts zu erwarten ist, und dass RU den Krieg in der UA nicht gewinnen kann, da die Unterstützung aus dem Westen 1000-fach potenter ist, als der Support aus Syrien, Iran u. Nordkorea.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis im Kreml ein "schwarzer Schwan" auftaucht, denn je länger der Krieg dauert, desto länger wird es gehen, dass sich RU jemals davon erholen kann.