Robert wer? Diese Frage dürften sich viele Katholiken und Anders- oder Ungläubige gestellt haben, als der Name des neuen Papstes am Donnerstagabend auf dem Balkon der Peterskirche verkündet wurde. Den US-Kardinal Robert Francis Prevost hatten nur wenige auf der Rechnung, obwohl er in den Papabile-Prognosen teilweise genannt worden war.
Seine Wahl ist eine Überraschung, aber keine Sensation. Als Koordinator der weltweiten Bischöfe hatte Prevost eine Schlüsselrolle im Vatikan. Man kannte ihn, und das war ein grosser Vorteil in einem Konklave mit sehr vielen «Neulingen». Weil sich die Favoriten wohl wieder einmal «neutralisiert» hatten, bot er sich als Kompromisskandidat regelrecht an.
Vorerst ist das nur eine Vermutung, der genaue Ablauf des Konklaves dürfte wie immer irgendwann durchsickern. Doch der 69-Jährige, der sich Leo XIV. nennt, hat tatsächlich ein fast ideales Profil. Er wurde in Chicago geboren, hat aber die meiste Zeit seiner klerikalen Laufbahn als Missionar und Bischof in Peru verbracht und wurde dort auch eingebürgert.
Es ist bezeichnend, dass sich Leo in seiner relativ langen Antrittsrede neben Italienisch nur auf Spanisch, aber nicht auf Englisch äusserte. Man könnte dies sogar als Abgrenzung von den Trumpisten interpretieren. Dazu passt, dass Prevost sich auf X deutlich von der eigenwilligen Interpretation von Nächstenliebe des Konvertiten J.D. Vance distanziert hatte.
Der reaktionäre Flügel sei «unter den Rädern des Konklaves zermalmt» worden, schrieb der Vatikankenner Martin Gak auf X. Er zeigt sich optimistisch: «Wenn dies ein mutiger Papst ist, könnte der erste amerikanische Papst die Reformen vorantreiben und eine moralische Kirche mit einem massiven politischen Fussabdruck wiederherstellen.»
Sind diese Hoffnungen berechtigt? Zweifel sind angebracht. Ein deutscher Kirchenvertreter, der in den vergangenen Monaten öfter mit dem neuen Pontifex zu tun hatte, beschrieb ihn gegenüber dem «Spiegel» als «sehr sympathisch, sehr aufmerksam, ein bisschen trocken, aber nicht ohne Charisma». Leo XIV. selbst erklärte, er wolle «Brücken bauen im Dialog».
Beobachter erwarten, dass er den Kurs seines Vorgängers Franziskus fortsetzen wird, nur ruhiger als der impulsive Argentinier. Und traditioneller. Er dürfte auch wegen seiner Arbeit in Peru das Engagement für Bedürftige und Benachteiligte weiterführen, ohne die ostentative Art, mit der sich Franziskus als «Papst der Armen» inszeniert hatte.
Dazu passt Robert Prevosts Namenswahl. Leo XIII., der letzte Träger dieses Namens, ging als «Arbeiterpapst» in die Geschichte ein. Er war von 1878 bis 1903 im Amt und engagierte sich für das in der Frühindustrialisierung ausgebeutete Proletariat. Seine Enzyklika «Rerum novarum» gilt als Meilenstein in der Etablierung der katholischen Soziallehre.
Was aber ist mit Reformen innerhalb der Kirche? Papst Franziskus hat in dieser Hinsicht viele Erwartungen enttäuscht. Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle und die Anerkennung der LGBTQ-Community erfolgten halbherzig. Und die heissen Eisen wie die Abschaffung des Zölibats und die Priesterweihe für Frauen hat Franziskus nie ernsthaft angepackt.
Mit Leo XIV. eröffne sich «ein Fenster der Hoffnung», teilte der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) mit. «Die Stimmen von Frauen in der Kirche dürfen nicht länger überhört oder auf symbolische Rollen oder Verwaltungsaufgaben reduziert werden», heisst es. Es erstaunt nicht, dass solche Forderungen gerade aus der Schweiz zu vernehmen sind.
In unserem Land war der Reformeifer nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil besonders ausgeprägt. Er manifestierte sich etwa in der denkwürdigen Synode 72. Ihre Beschlüsse stiessen in Rom auf taube Ohren, doch als Papst Johannes Paul II. 1984 die Schweiz besuchte, wurde er damit konfrontiert, zum Erstaunen vieler ausländischer Beobachter.
Als der damals schon kranke Pontifex 20 Jahre später erneut in die Schweiz reiste, zum Jugendtreffen in Bern, war davon kaum etwas geblieben. Denn unter dem erzkonservativen Polen war die Aufbruchstimmung zum Erliegen gekommen. Ich hatte damals im Vorfeld mit mehreren Reformern von einst gesprochen und erlebte viel Resignation und Frustration.
Der Reformstau während des sehr langen Pontifikats von Johannes Paul hatte nachhaltige Folgen. Er dauert bis heute an, und Besserung ist nicht in Sicht, denn viele reformfreudige Katholiken haben sich zurückgezogen oder sind gar ganz aus der Kirche ausgetreten. Wer den Glauben heute noch praktiziert, tut dies in der Regel im Sinne des Vatikans.
Gerade im Globalen Süden, wo die katholische Kirche noch immer wächst, wird eine rigide Sexualmoral gepredigt. Die daraus resultierenden Missbräuche werden unter den Teppich gekehrt und kaum aufgearbeitet. Auch der neue Papst ist mit entsprechenden Vorwürfen konfrontiert. Seiner Wahl im Konklave stand dies offensichtlich nicht im Weg.
Wer weiss, vielleicht überrascht Leo XIV. alle. Er könnte ein zweiter Johannes XXIII. werden, der 1958 als scheinbar harmloser «Übergangspapst» gewählt worden war und die Kirche mit dem Konzil stärker erneuerte als seine Vorgänger während Jahrhunderten. Wahrscheinlich ist das nicht. Faktisch ist der Reformzug in der katholischen Kirche längst abgefahren.
Disclaimer: Der Autor dieser Zeilen stammt aus einer katholischen Familie mit Priestern und Ordensleuten, ist jedoch aus der Kirche ausgetreten und betrachtet sich heute als Agnostiker.
Mit all dem was der Mensch heute weiss ist diese Geschichte und die darum gebaute Welt so was von veraltet und mann muss schon beide Augen zudrücken noch daran zu glauben.
Wenn wenigstens Religionen uns zu besseren Menschen machen würde, was eventuell einmal das Zeil gewesen ist. Aber auch dies kann man wohl als gescheitert betrachten.