Wie in Europa ist auch in den USA die Zuwanderung ein permanenter Zankapfel der Politik. Seit Jahrzehnten bemühen sich Demokraten und Republikaner immer und immer wieder, eine überparteiliche Lösung auszuhandeln – um regelmässig auf der Zielgeraden zu scheitern.
Jetzt aber böte sich eine Gelegenheit, von der alle ausgegangen sind, dass sie auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt worden sei. Präsident Joe Biden ist grundsätzlich bereit, ein Gesetz zu unterschreiben, das seit Monaten im Senat zwischen den beiden Parteien ausgehandelt wird. Es sieht eine massive Verschärfung der bisherigen Zuwanderungs-Praxis vor: Die Asylanträge sollen deutlich speditiver behandelt, abgewiesene Asylanten schneller ausgewiesen und das Grenzpersonal deutlich aufgestockt werden. Biden erklärt sich gar bereit, die Grenzen sofort schliessen zu lassen, sollten mehr als 5000 Menschen sie an einem Tag überqueren wollen.
Für die Konservativen muss sich dieses Entgegenkommen des Präsidenten und seiner Partei anfühlen, wie wenn Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Bisher schien es unmöglich, dass der progressive Flügel der Demokraten dazu je seine Einwilligung geben würde.
Was hat zu diesem Gesinnungswandel geführt? Tatsächlich ist die Situation an der Grenze zu Mexiko so chaotisch geworden, dass niemand mehr die Augen davor verschliessen kann. Allein im Dezember haben sie rund 250’000 Menschen überquert. Seit der Aufhebung des Corona-Lockdowns waren es Millionen.
Erschwerend hinzu kommt, dass die Gouverneure der konservativen Grenzstaaten dazu übergegangen sind, die Immigranten mit Bussen in die linken Städte karren zu lassen. In New York und in Chicago hat sich die Situation so dramatisch zugespitzt, dass auch die demokratischen Bürgermeister dem Präsidenten in den Ohren liegen, endlich etwas gegen den Zuwanderungsstrom zu unternehmen.
Dazu gesellt sich eine typische Unsitte der amerikanischen Politik, verschiedene inhaltlich miteinander überhaupt nichts zu tun habende Tatbestände im gleichen Gesetz zu verknüpfen. Im vorliegenden Fall sind die Militärhilfen an die Ukraine und Israel mit dem verschärften Immigrationsgesetz verbandelt worden. So hoffen die Demokraten, den wachsenden Unmut der Republikaner gegen die Unterstützung von Wolodymyr Selenskyj durch den Kongress boxen zu können. Eigentlich paradox, denn sowohl im Kongress als auch in der Bevölkerung unterstützt nach wie vor eine Mehrheit diese Hilfen.
Wie auch immer, das überparteilich ausgehandelte Gesetz schien im Senat kurz vor dem Durchbruch zu stehen. Da wandelte sich Mitch McConnell, Chef der republikanischen Minderheit, plötzlich zum Bedenkenträger. Im vertrauten Kreis erklärte er, man müsse wohl nochmals über die Bücher, das politische Klima habe sich verändert.
Mike Johnson, Mehrheitsführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus und ein zwielichtiger Frömmler, ging gar noch einen Schritt weiter. Sollte das Gesetz vom Senat in die Abgeordnetenkammer überwiesen werden, sei es tot, bevor darüber auch nur ein Wort diskutiert worden sei. Mit anderen Worten: Der Speaker wird über das Gesetz gar nicht erst abstimmen lassen. Dass er dazu bemächtigt ist, ist übrigens eine weitere Unsitte der amerikanischen Politik.
Warum aber verweigern die Republikaner das Geschenk, das ihnen auf dem Serviertablett präsentiert wird und für das sie seit Jahrzehnten gekämpft haben? Logisch heisst die Antwort «Donald Trump». «Als Anführer unserer Partei erkläre ich, dass es null Chancen gibt, dass ich dieses schreckliche Gesetz unterstützen werde, denn es verrät Amerika», erklärte der Maximum Leader am Samstag an einer Wahlkampfveranstaltung in Las Vegas. «Ich werde dieses Gesetz bis zum Letzten bekämpfen. Viele Senatoren nehmen mir das übel. Ich sage, das ist okay. Bitte, bitte schiebt mir das in die Schuhe.»
Nun ist Trump zwar ein notorischer Lügner, seine Motive jedoch sind meist offensichtlich. So auch diesmal. Der Ex-Präsident will auf keinen Fall, dass an der Grenze zu Mexiko Ruhe einkehrt. Er braucht das Chaos, denn genau das will er ins Zentrum seiner Wahlkampagne stellen. Eine andere Option hat er nicht. Die Wirtschaft läuft immer besser, und die Ausgangsbefragungen nach den Vorwahlen in New Hampshire und Iowa haben ergeben, dass Trump bei den unabhängigen Wählerinnen sehr schlecht abschneidet. Zudem werden ihm die Demokraten das Thema Abtreibung in den kommenden Monaten bis zum Gehtnichtmehr um die Ohren hauen.
Der Ex-Präsident mag sich in den nationalen Umfragen auf Augenhöhe mit Biden befinden – doch diese Umfragen besagen zum jetzigen Zeitpunkt wenig bis nichts. Die meisten Amerikaner beginnen erst jetzt, sich mit den Wahlen zu befassen. Sie stellen fest, dass der Untote Trump immer noch sein Unwesen treibt und sind darob keineswegs erfreut. Deshalb braucht der Ex-Präsident auch dieses Jahr wieder Karawanen von verarmten Menschen aus Süd- und Mittelamerika, die angeblich eine Invasion planen und das «Blut der Amerikaner verunreinigen» wollen.
Es wird ein langer und schmutziger Wahlkampf werden. Die Tatsache, dass nur ein Wunder das Rückspiel Trump gegen Biden verhindern kann, macht es nicht besser. Bereits jetzt zerbrechen sich die Strategen in beiden Lagern die Köpfe darüber, wie sie es verhindern können, dass sie die Wählerinnen und Wähler zu Tode langweilen.
Bei einfachen Gemütern mag er politisch wohl noch eine Rolle spielen. Moralisch und juristisch ist Trump allerdings erledigt. Aber klar, er und die Trump-Fanboys werden sich bis zuletzt an den letzten Strohhalm klammern... Dieser ist allerdings dermassen klitschig, dass Trump demnächst in den tiefsten Stumpf abgleiten wird – einfach dahin, wo dieser eklige Typ hingehört. Wäre ja gelacht, wenn dieser schmierige Typ die Demokratie weiter gefährden könnte.
Moscow Mitch lebt noch? War der nicht vor ein paar Wochen komplett weggetreten und irrte im Raum herum?