Die scharfe Kritik von Konsumentenschützern und Umweltorganisationen an den Ergebnissen des Diesel-Gipfels von Politik und Autoindustrie reisst nicht ab.
«Wir brauchen einen zweiten, einen echten Autogipfel», verlangte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller am Donnerstag.
Aus der Politik kam die Warnung an die Autobranche, die Beschlüsse des Gipfels seien ein «erster Schritt» gewesen – auch Nachrüstungen von Diesel-Fahrzeugen seien nicht vom Tisch.
Der Diesel-Gipfel von Bund, Ländern und Chefs der grossen Autobauer hatte am Mittwoch Software-Updates für rund fünf Millionen Diesel-Fahrzeuge vereinbart. Ein Grossteil davon wurde aber bereits im Rahmen früherer Rückrufaktionen der Hersteller in die Werkstätten zurückgeholt.
Ausserdem wollen VW, Daimler und BMW 250 Millionen Euro in einen Fonds einzahlen, mit dem den Kommunen bei der Modernisierung ihrer Verkehrssysteme geholfen werden soll. Noch einmal so viel Geld steuert der Bund bei.
«Die Einigung auf die Software-Nachbesserung und einen kleinen Fonds sind nicht die erforderlichen Schritte, um eine Verkehrswende einzuleiten», kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, in der «Rheinischen Post».
Der Gipfel habe die Erwartungen nicht erfüllt, bilanzierte VZBZ-Chef Müller. «Zurück bleiben ratlose Verbraucher. Sie stehen da ohne Garantie, dass der Stickoxidausstoss signifikant gesenkt und Fahrverbote vermieden werden.»
Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, nannte das Treffen eine «reine Showveranstaltung». Es gehe nur darum, «zu versuchen, sich über die Bundestagswahl am 24. September zu retten», sagte er der «Passauer Neuen Presse». Im ZDF-«Morgenmagazin» kündigte Resch an, dass die Umwelthilfe ihre Klagen für bessere Luft in den Städten fortsetzen werde.
Greenpeace projizierte am Donnerstagmorgen nach eigenen Angaben unter Anspielung auf die Abkürzung für Stickoxide den Slogan «Aktenzeichen NOx ungelöst» zusammen mit einer Silhouette von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel auf das Kanzleramt. «Der Gipfel hat kein einziges Problem gelöst», sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan.
Aus der Politik kamen deutliche Warnungen an die Autokonzerne, dass weitere Schritte folgen könnten. Bundesjustizminister Heiko Maas schloss Fahrverbote nicht aus. «Die gesetzlichen Vorgaben zur Luftreinhaltung gelten», sagte er der «Bild»-Zeitung. «Wir wollen Fahrverbote vermeiden, aber sie sind nicht völlig vom Tisch», sagte auch Städtetagspräsidentin Eva Lohse der «Rheinischen Post».
Wirtschaftsstaatsekretär Matthias Machnig bezeichnete die Beschlüsse des Gipfels als «ersten Schritt», dem weitere folgen müssten. Auch Aufrüstungen bei Fahrzeugen, bei denen das technisch möglich sei, blieben eine Option, sagte er im «Morgenmagazin».
Ähnlich äusserte sich Stephan Weil, Ministerpräsident des Bundeslandes Niedersachsen, im NDR: «Die Industrie hat da Bedenken, aber die Diskussion ist deswegen noch nicht vorbei.» Technische Umrüstungen, wie etwa den Einbau grösserer Harnstofftanks zur Abgasreinigung, hatte die Industrie auf dem Gipfel entschieden abgelehnt.
«Die Automobilindustrie muss jetzt dafür sorgen, dass die Dieselfahrzeuge auf der Strasse bleiben können», mahnte Unionsfraktionschef Volker Kauder die Branche in der «Passauer Neuen Presse». «Die Automobilbranche muss von ihrem hohen Ross herunter und wieder mehr ihrer Verantwortung für die Gesellschaft und für ihre Kunden gerecht werden.»
Grünen-Chef Cem Özdemir bezeichnete die Ergebnisse des Gipfels ebenfalls als «zu wenig». Nötig wäre eine Verpflichtung der Automobilindustrie gewesen, dass sie «Hardware-Lösungen hinzufügt», sagte er in Berlin. (sda/afp)