In den drei Jahren, in denen der rechtsextreme Jair Bolsonaro Präsident Brasiliens war, stieg die Abholzung des Regenwaldes um 60 Prozent an. Die Viehzucht und Bepflanzung in illegalen Gebieten florierte, während der Lebensraum der indigenen Bevölkerung immer mehr schrumpfte. Bolsonaro sah darin nie ein Problem. Im Gegenteil.
So sagte er etwa 2015, vier Jahre bevor er zum Präsidenten gewählt wurde:
Seiner Meinung nach «besetzten» die Indigenen wertvolles Land, dessen Ressourcen im «Interesse der Nation» genutzt werden sollten. Die Nutzung des Amazonas wurde deshalb während seines Wahlkampfes 2018 zu seinem erklärten Ziel. Dass er es damit Ernst meinte, verdeutlichte er gleich an seinem ersten Arbeitstag als neuer Präsident: Er entliess die Funai aus dem Justizministerium. Das ist die nationale Behörde, welche für die Einhaltung indigener Rechte zuständig ist. Für Bolsonaro bloss ein Hindernis, dass es aus der Welt zu schaffen galt. Deswegen entzog er der Funai auch die Verantwortung, die traditionellen Lebensräume der indigenen Bevölkerung zu identifizieren und übertrug sie stattdessen dem Landwirtschaftsministerium.
Auch wenn dieser Entscheid wenige Monate später vom Obersten Gericht rückgängig gemacht wurde, liess sich Bolsonaro nicht von seinem Ziel abbringen. Er schränkte die Rechte der Indigenen mit anderen Mitteln ein, begrenzte den Einfluss der Umweltministerien oder schleuste dort seine eigenen Mitarbeitenden ein. Auf diese Weise trieb er die Abholzung und den illegalen Bergbau während seiner Amtszeit wieder in neue Rekordhöhen. Allein im Jahr 2022 wurden im Amazonasgebiet rund 11'568 Quadratkilometer Waldfläche abgeholzt.
Der Amazonas-Regenwald speichert erhebliche Mengen des Treibhausgases CO₂ und besitzt eine Schlüsselrolle für das Weltklima und die Artenvielfalt. Er gilt als eines der sogenannten Kippelemente, die das Klima auf der Welt aus dem Gleichgewicht bringen können.
Schätzungen zufolge könnte für das Erreichen des Kipppunktes ein Verlust von 20 bis 25 Prozent der Walddecke im Amazonasbecken ausreichen. Riesige Wüsten könnten eine Folge sein – und die weltweite Zunahme von Dürren und Überschwemmungen. Schätzungen zufolge ist der Amazonas in den vergangenen 50 Jahren aufgrund menschlicher Aktivität bereits um 17 Prozent geschrumpft. Viel fehlt also nicht mehr, bis der Kipppunkt von 20 bis 25 Prozent erreicht ist.
Einige Forschende argumentieren sogar, dass dieser Punkt bereits überschritten worden sei. So zeigten Studien aus dem Jahr 2021, dass der Amazonas, die Lunge der Erde, mittlerweile mehr CO₂ in die Atmosphäre abgibt als er abbaut.
Bei seinem Amtsantritt Anfang Jahr stand Lula vor einer Mammutaufgabe und die internationale Politik beobachtete ihn mit grosser Erwartung: Er soll den Amazonas aus den von Bolsonaro angelegten Fesseln befreien.
Dass er sich dessen bewusst war, machte er gleich an seinem ersten Amtstag deutlich. Denn so wie Bolsonaro mit dem Schlag gegen die Funai an seinem ersten Arbeitstag die Tonalität für seine Politik setzte, tat dies auch Lula – allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Er erliess sofort sechs Dekrete, mit denen er Massnahmen rückgängig machte, die von Bolsonaro zu erleichterten Abholzung eingeführt worden waren. Sein Signal war klar: So geht es nicht weiter.
Bei seiner Antrittsrede verkündete er grosse Pläne:
Es ist nicht das erste Mal, dass Lula der Abholzung den Kampf ansagt. Als er seine Präsidentschaft 2004 zum ersten Mal angetreten war, hatte sich die Abholzung im brasilianischen Regenwald auf einem Rekordhoch befunden. In seinen darauffolgenden 7 Amtsjahren gelang es ihm, die Abholzung um fast 75 Prozent zu senken.
Ein weiteres Zeichen setzte er mit dem Schaffen eines neuen Ministeriums für indigene Völker. Nur elf Tage nach seinem Amtsantritt wurde die Indigenen-Anführerin Sônia Guajajara als dessen Vorsteherin vereidigt und schrieb damit als erste indigene Ministerin Brasiliens Geschichte.
Lula hielt sich an seine Versprechungen: Drei Wochen nach Amtsantritt im Januar 2023 führte er die ersten Anti-Abholzungs-Razzien im Regenwald durch. Reuters begleitete das dafür zuständige Bundesweltamt Ibama (Brasilianisches Institut für Umwelt und erneuerbare natürliche Ressourcen) auf einer solchen Razzia im Bundesstaat Para.
Bevor die Gruppe loszog, machten sie mithilfe von Satellitenbildern zuerst diejenigen Zonen ausfindig, in denen Holzfäller und Viehzüchter vor Kurzem illegal den Wald gerodet hatten. Dann ratterten sie 12 Stunden lang über illegale Strassen, die durch indigene Reservate führten, bis sie die fünf lokalisierten, abgeholzten Gebiete erreichten.
Sie alle lagen im Cachoeira Seca Reservat, in dem Abholzung strengstens verboten ist. Vier der Gebiete waren bereits komplett verlassen und es machte nicht den Anschein, als würde die gerodete Fläche für Vieh oder Bepflanzung genutzt werden. Die Beamten vermuteten deshalb, dass die illegalen Viehzüchter ihre Arbeit im Oktober aufgegeben hatten, als Lula die Wahl gewann. Sie hätten gewusst, dass Lula die Gesetze verschärfen und ihnen nicht erlauben würde, illegal abgeholztes Gebiet zu nutzen, so Givanildo dos Santos Lima, der Leiter der Razzia. Er ist überzeugt:
Im fünften Gebiet hatten die Viehzüchter noch nicht aufgegeben. Die Beamten stiessen auf ein gerodetes Feld mit einer Fläche von 57 Fussballfeldern, sowie ein neu gebautes Haus und Essensvorräte. Die Viehzüchter schienen kurz vor Ankunft der Beamten geflohen zu sein. Kein Problem, so dos Santos Lima. Sie würden später mit einem Helikopter vorbeikommen und die Viehzüchter bei frischer Tat ertappen.
Mit der Natur leiden auch die indigenen Bewohner unter der illegalen Abholzung des Regenwaldes. Nebst dem schwindenden Lebensraum stellt auch die Vergiftung ihres Lebensraums ein grosses Risiko für sie dar. Illegale Goldgräber – die neben den Viehzüchtern und Holzfällern die Wälder roden – benötigen nämlich Quecksilber, um das geschürfte Gold aus Sedimenten oder Gestein zu lösen. Das toxische Schwermetall verseucht dabei Wasser und Böden und gelangt so in die Nahrungskette. Tiere sterben an den Vergiftungen oder geben diese nach ihrem Verzehr an die Indigenen weiter. Die Indigenen haben dadurch zunehmend Schwierigkeiten, sich zu ernähren. Zudem werden sie immer wieder von Goldgräbern in der Region bedrängt und angegriffen.
Angesichts der humanitären und sanitären Krise wollte Lula sich vergangene Woche selbst ein Bild von der gesundheitlichen Situation machen. Dazu besuchte er die indigene Gemeinschaft der Yanomami im äussersten Norden des Landes. Das Territorium der Yanomami ist mit fast 10 Millionen Hektar in den Bundesstaaten Roraima und Amazonas eines der grössten Schutzgebiete für indigene Gemeinschaften in Brasilien. Mehr als 30'000 Yanomami, die auch im Nachbarland Venezuela beheimatet sind, leben dort.
Mais que uma crise humanitária, o que vi em Roraima foi um genocídio. Um crime premeditado contra os Yanomami, cometido por um governo insensível ao sofrimento do povo brasileiro.
— Lula (@LulaOficial) January 22, 2023
📸: @ricardostuckert pic.twitter.com/Hv5vrYw477
Trotz des eigentlichen Schutzgebietes leiden die Yanomami massiv unter der Ausbeutung des Regenwaldes. Eine offizielle Untersuchung in ihrem Gebiet hat ergeben, dass im vergangenen Jahr etwa hundert Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung, Lungenentzündung, Malaria oder anderen Infektionskrankheiten gestorben sind. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums waren darunter 67 Kinder unter einem Jahr. Zudem wurden 11'530 Malaria-Fälle registriert.
Lula äusserte sich nach seinem Besuch schockiert: «Es ist unmenschlich, was ich gesehen habe.» Sofort erklärte er im Yanomami-Gebiet den öffentlichen Gesundheitsnotstand und ordnete die Gründung eines Komitees an, um Massnahmen für die Versorgung der indigenen Bevölkerung zu diskutieren und zu ergreifen.
Govern of former president #Bolsonaro (2019-2022) #Brazil avoid #health support to #Yanomami #Amazon native people . #hunger & #disease as #Malaria . #Lula gov os supporting to them . Bolsonaro must be condemned as a criminal . Thousand of deaths . pic.twitter.com/Zn84sxla2D
— Julio Rezende, PhD (@JulioFDRezende) January 21, 2023
Beim Besuch schien Lula jedoch klar geworden zu sein, dass ihm dieses Vorhaben nur mit dem richtigen Personal gelingen wird. Umgehend entliess er 54 Beamte der Funai und des Gesundheitsministeriums.
Viele der Entlassenen waren Militärs, die in der Regierungszeit von Bolsonaro ernannt worden waren. Dies ging am Dienstag aus einer Mitteilung des neu geschaffenen Ministeriums für indigene Angelegenheiten hervor. Der Behörde wurde in der Mitteilung zur Last gelegt, ihrer wichtigsten Aufgabe nicht mehr nachgekommen zu sein, die Rechte der indigenen Bevölkerung zu garantieren. Stattdessen habe sie sich in einen «Feind der Indigenen» verwandelt.
Nach dem Tod der vielen indigenen Kinder im Yanomami-Reservat leitete Lula zudem Ermittlungen wegen «Genozid»-Verdachts ein. Dies gab Justizminister Flávio Dino am Dienstag im Fernsehen bekannt.
Die Ermittlungen richteten sich unter anderem gegen für das Gebiet zuständige Beamte. Lula tätigt damit einen wichtigen Schritt und ebnet den Weg für eine erfolgreiche Umsetzung der Massnahmen.
Seine Versprechen für den Regenwald und ihre Bewohner sind zwar gross, doch dass er seine Worte in Taten umsetzen kann, hat er während seiner letzten Amtszeit bewiesen. Auch wenn er diesmal erst noch die Steine, die ihm Bolsonaro in den Weg gelegt hat, wegräumen muss: Seine Taten nach nur einem Monat im Amt lassen hoffen, dass die Lunge der Erde bald wieder aufatmen kann.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen sda und dpa).
Es macht mich hässig. Es macht mich traurig.
Die Dummheit und die Arroganz der Rechtspopulisten.
Sie richten die Erde zu Grunde und verstehen nicht das die Naturvölker uns wohl überlegen sind.
Fresst doch euer Geld.
Die grosse Hoffnung auf bessere Zeiten - zum Glück hat Lula gewonnen !