In der Welt des Trumpismus hat eine Devise viel Gewicht: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? In der Corona-Krise treibt der US-Präsident sie auf die Spitze. «Wir müssen das loswerden, wir müssen diesen Krieg gewinnen, und im Idealfall schnell», sagte Trump am Dienstag im Weissen Haus. Es gehe nicht nur um die Wirtschaft, «sondern das Leben vieler Menschen».
Es ist die spektakuläre Kehrtwende eines Präsidenten, der die Gefahr durch das Coronavirus erst ignoriert und dann kleingeredet hat. Ende Januar antwortete er auf die Frage eines Reporters zu der Gefahr einer Pandemie, man habe die Lage «total unter Kontrolle». Bereits damals hatte das Gesundheitsministerium vergeblich versucht, Trump vor genau dieser Gefahr zu warnen.
Ende Februar sagte er, das Virus werde «wie durch ein Wunder» verschwinden. Bei einem Wahlkampfauftritt in South Carolina bezeichnete der Präsident die Kritik von Demokraten und Medien an seinem Krisenmanagement als «Scherz». Und noch im März argumentierte er via Twitter, eine «normale» Grippewelle sei gefährlicher als die Lungenkrankheit Covid-19.
As Trump pivots to coronavirus crisis mode, let’s not forget the months of downplaying and denial. pic.twitter.com/gH1xZAHXm5
— The Recount (@therecount) March 17, 2020
Das Virus aber ist ein Feind, den Trump nicht als «Hexenjagd» dämonisieren kann. Das scheint ihm gedämmert zu haben, denn die Fakten sprechen eine grimmige Sprache: Am Dienstag erreichte das Coronavirus mit West Virginia den 50. und letzten US-Bundesstaat. Mindestens 100 Personen sind bislang laut «Washington Post» gestorben, und die Zahl dürfte rasch weiter ansteigen.
Zahlreiche Städte und Regionen haben ähnlich drastische Massnahmen ergriffen wie in Europa. Schulen, Läden, Theater und Restaurants wurden geschlossen, das öffentliche Leben steht weitgehend still. In San Francisco hat Bürgermeisterin London Breed eine Ausgangssperre verhängt. Die Menschen müssten zu Hause bleiben, «ausser für grundlegende Bedürfnisse».
Auch wirtschaftlich soll schnell gehandelt werden. Finanzminister Steve Mnuchin schlägt dem Kongress ein «Rettungspaket» über eine Billion Dollar vor, mit ausdrücklicher Unterstützung von Präsident Trump. 250 Milliarden Dollar sollen als Checks direkt an die amerikanische Bevölkerung ausbezahlt werden. Damit würde faktisch das berüchtigte «Helikoptergeld» eingeführt.
Im Gleichschritt mit Donald Trump haben auch viele treue Gefolgsleute einen Sinneswandel vollzogen. Das gilt nicht zuletzt für seinen Haussender Fox News. Die «Washington Post» hat ein Video zusammengestellt, das zeigt, wie die Moderatorinnen und Moderatoren nach Trumps Ausrufung des nationalen Notstands am letzten Freitag ihre Tonalität innerhalb weniger Tage auf den Kopf gestellt haben.
Manche Republikaner hatten es auch dann noch nicht kapiert. Politiker forderten die Bevölkerung auf, weiterhin auswärts essen zu gehen. Senator John Cronyn aus Texas postete ein Foto mit einem Glas Corona-Bier (!) in einem Restaurant. Der frühere Sheriff des Landkreises Milwaukee behauptete, der Finanzinvestor und Philanthrop George Soros stecke hinter der Virus-Panik.
Wie sehr Trumps Realitätsverweigerung zur republikanischen Basis durchgedrungen ist, zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage des öffentlich-rechtlichen National Public Radio (NPR). Nur 40 Prozent der Republikaner bezeichneten das Coronavirus als reale Bedrohung. Im Februar waren es noch 72 Prozent. 74 Prozent erklärten, sie vertrauten den Informationen von Präsident Trump.
Sie werden nun seiner Kehrtwende folgen, denn auch Trumps Fans kümmern sich nicht um sein Geschwätz von gestern. Am Montag behauptete der Präsident, das Virus sei «aus dem Nichts» gekommen: «Wir haben ein Problem, über das vor einem Monat noch niemand nachgedacht hat.» Seinem Krisenmanagement gab er die Note 10: «Ich denke, wir haben grossartige Arbeit geleistet.»
Dass so ein Verhalten schlimmer ist als anderen Leuten das Klopapier weg zu kaufen...
Deutlich schlimmer, dass das Konsequenzen haben muss...