Israel-Hass in München: Jüdin berichtet von Angst und Anfeindungen
Bianca hat den Hass selbst erlebt – sie und ihre Familie. «Mein Nachbar hat mich angepöbelt und eine dreckige Jüdin genannt», sagt die 43-jährige Münchnerin, die nur ihren Vornamen nennen will. Ihre Tochter sei in der Schule als «Kindermörderin» beschimpft worden.
All diese Erfahrungen habe sie als Jüdin in München gemacht, erzählt Bianca – und zwar seit dem 7. Oktober 2023, dem Tag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel. Fast 1200 Menschen wurden damals ermordet und 251 als Geiseln verschleppt. Als Reaktion auf das Massaker griff Israel den Gazastreifen an und tötete dort Zigtausende Palästinenser. Das führte auch in Deutschland zu Protesten sowie zu einem «Hass auf Israel und einem Hass auf Juden», sagt Bianca. Und genau deshalb ist sie am Sonntag zum Königsplatz gekommen.
Dort haben sich am Abend Tausende Menschen zu einer Demonstration unter dem Titel «Dach gegen Hass» eingefunden. Diesen Namen trägt ein Bündnis von mehr als 200 Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, das der Münchner Wirtschaftswissenschaftler Guy Katz geschlossen hat. Der 43-Jährige hat kürzlich eine Petition gegen Antisemitismus gestartet – einen Fünf-Punkte-Plan mit konkreten Massnahmen gegen Judenhass.
Judenhass: «Wir schaffen es nicht allein»
«Ab ins Gas!» Oder: «Euch hat man damals nicht ganz erledigt.» Derlei Hassbotschaften seien Jüdinnen und Juden in Deutschland ausgesetzt, berichtet Guy Katz, der selbst zahlreiche Morddrohungen erhalten hat. «Wir sind nur 0,2 Prozent der Bevölkerung, wir schaffen es nicht allein», betont Katz. Vielmehr bräuchten Jüdinnen und Juden die Unterstützung der breiten Gesellschaft, und deshalb sei man heute am Königsplatz. «Ein Ort, der einst Bühne für Hass war», sagt Guy Katz in Erinnerung an die Naziparaden just an diesem Ort.
Im Vorfeld der Kundgebung hatte Guy Katz auf bis zu 10'000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehofft. Ganz so viele sind bei widrigem Wetter nicht gekommen, und doch ist der Platz vor den Propyläen gut gefüllt – auch mit politischer Prominenz. «Wir in Bayern sagen Nein zu Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden. Und wir sagen Ja zu jüdischem Leben in unserem Land», betont Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Dieser hat zusammen mit der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, die Schirmherrschaft der Veranstaltung übernommen. Der Antisemitismus sei «so stark wie nie», mahnt Söder. Wenn einzelne Lokale heute jüdische Menschen zu unerwünschten Gästen erklärten, «dann ist das nicht weit weg von dem, was war. Und das darf nicht passieren.»
Fünf-Punkte-Plan zum Schutz jüdischen Lebens
Neben Söder sprachen Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) und Staatsministerin Kerstin Griese (SPD), die SPD-Chefin Bärbel Bas vertrat, die ihre Anreise wegen Drohnensichtungen über deutschen Flughäfen kurzfristig absagen musste. Ebenso zugegen waren Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, der es eine «bittere Wahrheit» nannte, «dass Jüdinnen und Juden wieder Angst haben in Deutschland».
Um hier gegenzusteuern, haben Guy Katz und seine Mitstreiter jenen Fünf-Punkte-Plan entworfen. Er fordert unter anderem mehr Bildung zu jüdischem Leben und Austauschprogramme mit Israel, aber auch gesetzliche Regelungen zum Schutz jüdischen Lebens und eine Erhöhung von dessen Sichtbarkeit. Die zugehörige Petition haben mehr als 30'000 Menschen unterzeichnet – was aus Katz' Sicht noch viel zu wenige sind. Er betont:
Judenhass in München als Grund für Auswanderung
Genau das fordert auch Bianca, die 43-jährige Jüdin aus München, die an diesem Abend auf dem Königsplatz steht, umgeben von Israelfahnen und selbstgemalten Schildern. Eines davon hat sie beschriftet – mit dem Satz:
Dass in Deutschland einmal ein solcher Judenhass grassieren würde, hätte sie vor dem Angriff der Hamas nicht für möglich gehalten, sagt sie. Inzwischen aber denke sie ernsthaft daran, nach Israel auszuwandern. «Ich bin wahnsinnig enttäuscht», sagt Bianca. «Ich warte jetzt noch ab, bis meine Tochter mit der Schule fertig ist. Und wenn sich die Situation dann nicht geändert hat, hisse ich die Segel.»