Musks geplatzter Twitter-Deal – die Chronologie eines Scheiterns mit Ansage
Milliardär Elon Musk hat über einen Anwalt mitteilen lassen, dass er vom Twitter-Deal über 44 Milliarden US-Dollar zurücktreten will. Der Grund: Twitter habe «falsche und irreführende» Informationen über die Anzahl der Fake-Accounts auf dem Netzwerk veröffentlicht.
Die Nachricht kommt wenig überraschend. Ein Blick auf den Verlauf der gesamten Übernahme zeigt: Musks Pläne waren von Beginn an alles andere als gesichert. Eine Übersicht.
25. März
Musk startet eine Umfrage über seinen Twitter-Account: «Meinungsfreiheit ist für eine funktionierende Demokratie unabdingbar», schreibt der Milliardär. «Glaubt ihr, dass sich Twitter strikt an dieses Prinzip hält?» Später legt Musk nach und erklärt, dass das Ergebnis dieser Abstimmung wichtig sein werde. Die Twitter-Gemeinde wird hellhörig. Verfolgt der Tesla-Gründer etwa eigene Social-Media-Pläne?
Free speech is essential to a functioning democracy.Do you believe Twitter rigorously adheres to this principle?— Elon Musk (@elonmusk) March 25, 2022
4. April
Der Unternehmer hat tatsächlich entsprechende Pläne, wie Twitter bestätigt: Musk wird zum grössten Aktionär, teilt der Kurznachrichtendienst mit. Mitte März, zum Zeitpunkt seiner Umfrage, habe er etwa 73.5 Millionen Aktien von Twitter gekauft. Damit hält Musk einen Anteil von 9.2 Prozent der Stammaktien an dem Unternehmen, für die er gut 2 Milliarden Dollar bezahlt haben dürfte. Am folgenden Tag kündigt Twitter-Chef Parag Agrawal an, dass Musk in den Verwaltungsrat der Onlineplattform einziehen soll.
5. April
Musk lässt auf Twitter über die Einführung eines Bearbeitungsbuttons auf der Plattform abstimmen. Die nicht repräsentative Umfrage hat zwar keine direkten Konsequenzen. Doch durch die gerade erworbene Beteiligung am Unternehmen sichert er sich mehr Gehör beim Twitter-Management und damit mehr Einfluss auf das Netzwerk.
Do you want an edit button?
— Elon Musk (@elonmusk) April 5, 2022
10. April
Spätestens jetzt sind erste Spannungen zwischen Musk und Twitter spürbar. Parag Agrawal teilt mit, dass Musk sich gegen einen Sitz im Verwaltungsrat entschieden habe. «Ich denke, das ist das Beste», kommentiert der Twitter-Chef. Gleichzeitig ist der überraschende Rückzug für viele das erste öffentliche Signal für die Wankelmütigkeit des Milliardärs bei seinem Twitter-Deal.
13. April
Musk startet den Versuch einer feindlichen Übernahme: Er will alle Aktien von Twitter zu einem Stückpreis von 54.20 Dollar kaufen und die Onlineplattform von der Börse nehmen, wie aus einem am 13. April veröffentlichten Börsendokument hervorgeht. Twitter kündigt an, sich gegen eine Übernahme zur Wehr setzen zu wollen.
25. April
Es folgt der Paukenschlag: Twitter und Musk verkünden eine Vereinbarung zum Kauf der Onlineplattform für 44 Milliarden US-Dollar. Die Aktionäre sollen 54.20 Dollar je Aktie erhalten. Musk verspricht, er wolle Twitter «besser machen als jemals zuvor».
Kritiker befürchten, dass der streitbare Multimilliardär die Moderation von Inhalten etwa im Kampf gegen Hassbotschaften und bei der Verbreitung von Falschinformationen stark einschränken könnte. Musk ist ausserdem als bekennender Republikaner und Trump-Anhänger bekannt.
10. Mai
Die Kritiker sollten recht behalten: Musk sorgt mit der Ankündigung für Aufsehen, er wolle die Verbannung des früheren US-Präsidenten Donald Trump von Twitter zurücknehmen. «Ich würde das Verbot aufheben», sagt er mit Blick auf die Sperrung von Trumps Nutzerkonto nach der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar 2021.
13. Mai
Zwischendurch ist es plötzlich wochenlang ruhig um eine mögliche Übernahme. Erst am 13. Mai gibt es Neuigkeiten, als Musk überraschend einen vorübergehenden Stopp der Twitter-Übernahme ankündigt. Das Geschäft werde auf Eis gelegt, bis Details zur Berechnung der Zahl der Spam- und Fake-Konten bei dem Netzwerk vorlägen, heisst es. Musk stellt infrage, dass diese wirklich – wie von Twitter angegeben - weniger als fünf Prozent aller Konten ausmachen.
Zwar erscheint er Mitte Juni bei einer Frage-Antwort-Runde mit Twitter-Mitarbeitern noch zuversichtlich, den Deal mit dem Netzwerk machen zu wollen. Er ruft das Ziel aus, die Zahl der Nutzer auf «mindestens» eine Milliarde zu erhöhen. Aber längst sind Zweifel aufgekommen, ob die Übernahme wirklich stattfindet.
7. Juni
Der Tech-Milliardär droht das erste Mal mit dem Ausstieg aus der Übernahmevereinbarung mit Twitter. In einem Brief seiner Anwälte an Twitters Chefjuristin Vijaya Gadde heisst es, das Unternehmen weigere sich, ihm Daten für eigene Recherchen zur Zahl von Spam- und Fake-Accounts zu liefern. Dies sei ein Verstoss gegen die Vereinbarung. Deswegen behalte er sich vor, aus dem Deal auszusteigen.
Dann ist wieder lange Zeit nichts zu hören von Musk und seinem Twitter-Deal. Der Milliardär und Viel-Twitterer macht zwischenzeitlich sogar eine für ihn ungewöhnlich lange Pause. Und wieder drängt sich der Gedanke auf, dass er das Interesse am Kauf von Twitter verloren haben könnte.
7. Juli
Erst am 7. Juli gibt es Neuigkeiten: Ein Kauf von Twitter werde immer unwahrscheinlicher, berichtet die «Washington Post». Die Übernahme sei «ernsthaft gefährdet», heisst es. Die Zeitschrift beruft sich auf «drei mit der Angelegenheit vertraute Personen». Demnach habe Musks Team die Gespräche über die Finanzierung des 44-Milliarden-Deals eingestellt – darunter auch mit einem potenziellen Geldgeber.
8. Juli
Einen Tag später ist es amtlich und Musk lässt den Deal platzen. In einem von der US-Börsenaufsicht veröffentlichten Schreiben werfen seine Anwälte Twitter vor, gegen die im April besiegelte Übernahmevereinbarung verstossen und «falsche und irreführende» Angaben gemacht zu haben. Twitter-Verwaltungsratschef Bret Taylor kündigt an, Musk vor Gericht zu einer Übernahme der Plattform zwingen zu wollen.
Das juristische Nachspiel könnte langwierig und teuer werden. Ob sich Musk zur Übernahme von Twitter zwingen lässt, ist unklar. Das Unternehmen dürfte aber zumindest versuchen, von Musk die bei einem Bruch der Vereinbarung vorgesehene Vertragsstrafe von bis zu einer Milliarde Dollar zu erhalten.
Wie auch immer der Streit zwischen Musk und Twitter ausgehen wird: Am Ende kann niemand behaupten, dass der Deal überraschend geplatzt sei. Die Zeichen waren von Anfang an eindeutig.
Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

