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Soft Girl statt Girl Boss: Was hinter dem Social-Media-Trend steckt

«Soft Girls» bleiben zuhause – dieser Trend setzt sich ausgerechnet in Schweden durch

Ein Trend, den Job aufzugeben, um «ein Leben in Leichtigkeit» zu führen, ist in Schweden – eigentlich einem Land mit starken feministischen Werten und Gleichberechtigung – zum Politikum geworden.
05.12.2024, 16:29
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Subventionierte Kinderbetreuung, geteilter Elternurlaub, eine hohe Frauenquote in politischen Ämtern:
Schweden gilt als Vorreiter der Gleichberechtigung. Das skandinavische Land ist aber auch für seine ausgewogene Work-Life-Balance bekannt.

Trotzdem schliessen sich gemäss mehreren Medienberichten neuerdings viele Schwedinnen einem Social-Media-Trend an: dem sogenannten «Soft-Girl»-Lebensstil.

Dabei stehen «Selbstfürsorge» und «Weiblichkeit» im Vordergrund. Frauen verabschieden sich von ihren Jobs, um «ein Leben in Leichtigkeit» zu leben. Der Unterhalt wird dabei vom Partner oder vom Ehemann bezahlt. Der Wandel spiegelt sich meist auch in ihrer Kleidung wider: Sanfte pastellfarbene Töne und verspielte Accessoires sollen den Lebensstil unterstreichen.

Der Trend kann als Gegengewicht zum «Girl-Boss»-Phänomen betrachtet werden. Diese steht für starke, unabhängige Frauen, die sich in einer patriarchalen Welt durchsetzen und Karriere machen. Den Begriff hat Sophia Amoruso 2014 mit ihrem Buch #GIRLBOSS bekannt gemacht.

Kein Mikrotrend

Der Trend erregte im letzten Jahr Aufmerksamkeit, als 15- bis 24-Jährige in Schweden in einer Jugendbarometer-Umfrage ihre Trends für 2024 angaben. Dieses Jahr gaben 14 Prozent der Mädchen an, sich dem Trend angeschlossen zu haben.

Auf Instagram gibt es mehr als 2 Millionen Beiträge zum «Soft-Girl»-Trend.
Auf Instagram gibt es mehr als 2 Millionen Beiträge zum «Soft-Girl»-Trend. bild: watson

«Es geht darum, sich von diesem Girl-Boss-Ideal zu lösen, das wir seit vielen Jahren beobachten und das sehr, sehr hohe Anforderungen an den Erfolg in jedem Aspekt des Lebens stellt», erklärt Johanna Göransson, Forscherin des schwedischen Jugendbarometers gegenüber BBC.

Es gibt keine genauen Zahlen darüber, wie viele Frauen tatsächlich ihren Job aufgegeben haben, um von ihrem Partner zu leben. Göransson schätzt den Anteil jedoch als gering ein.

Trend erreicht Politik

Trotzdem hat der Trend bereits die politische Bühne erreicht. Gudrun Schyman, Mitbegründerin einer feministischen Partei, empfindet den Trend als «gefährlich» und bezeichnet ihn als «Rückschritt für die Gleichberechtigung».

Einblick ins «Soft-Girl»-Universum auf TikTok.
Einblick ins «Soft-Girl»-Universum auf TikTok.bild: watson
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Man wisse nicht, wie viele Frauen tatsächlich ihren Job aufgeben, um auf Kosten ihres Partners zu leben. Der Anteil dürfte aber wahrscheinlich klein sein. Sie nimmt an, dass junge Schwedinnen durch die rechte Koalitionsregierung des Landes sowie durch rechte Strömungen in Europa und den USA dazu verleitet werden, zu traditionellen Rollenbildern zurückzukehren.

«Junge Frauen von heute tragen nicht mehr die Geschichte in sich wie ihre Vorgängerinnen, die für ihre Rechte kämpfen mussten – das Recht auf Arbeit, ein eigenes Gehalt und wirtschaftliche Unabhängigkeit.»
Gudrun Schyman

Die schwedische Influencerin und Hausfrau Vilma Larsson zelebriert den Trend in den sozialen Medien. «Ein Soft-Girl zu sein, bedeutet für mich, dass ich mich gut fühle, mit deinem Leben zufrieden und nicht gestresst bin. Ich bin heute glücklicher als je zuvor,» sagt Larsson gegenüber schwedischen Medien. Während ihr Partner arbeitet, macht sie Sport, liest, trinkt Kaffee oder kocht.

(cst)

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209 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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uhl
05.12.2024 16:50registriert Februar 2019
Nur weil das ein Social Media-Trend ist, ist es nicht neu. Menschen, die sich einen reichen Partner oder eine reiche Partnerin zu angeln versuchen, um dem Nichtstun zu frönen, gibt es schon ewig.
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Helena Huggentobler
05.12.2024 16:58registriert August 2022
Also haben die Frauen entdeckt, dass Ausbildung, Arbeit und Karriere kein Zuckerschlecken sind und lassen wieder die Männer machen? Cool!
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Vogman
05.12.2024 16:52registriert Mai 2020
Ich verstehe das ganze "ich muss Karriere machen"-Dings eh nicht. Wenn meine Frau so viel verdienen würde wie ich, wäre ich schon lange zu Hause :-)
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