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Trump spricht Kapitol-Stürmer frei – darunter auch diese 2 Rechtsextremen

Trump schockiert mit Begnadigungen – auch diese 2 Rechtsextremen sind frei

Kurz nach der Begnadigung aller Straftäter der Kapitol-Attacke durch den neuen US-Präsidenten Donald Trump sind viele Verurteilte auf freiem Fuss. Diese triumphieren nun – darunter sind auch klar rechtsextreme Exponenten.
22.01.2025, 06:3622.01.2025, 08:00
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Darum geht es

An verschiedenen Orten im Land wurden in den ersten Stunden nach Trumps Amtseinführung Häftlinge entlassen, die wegen ihrer Beteiligung an dem gewaltsamen Sturm auf den Parlamentssitz vor vier Jahren schuldig gesprochen wurden. Darunter sind Leute, die damals brutal auf Polizisten und andere Sicherheitskräfte einprügelten. Das sorgt für Kritik und Unglauben.

Die Freilassung der Kapitol-Stürmer war eine der ersten Amtshandlungen Trumps:

Auch die bekanntesten Beschuldigten mit den höchsten Haftstrafen – die früheren Frontmänner der beiden rechtsradikalen Gruppen «Oath Keepers» und «Proud Boys», Stewart Rhodes und Henry «Enrique» Tarrio – kamen nur Stunden nach Trumps Amtsantritt frei. Sie äusserten sich mit Genugtuung. Wer sind die beiden Rechtsextremen?

Stewart Rhodes

Stewart Rhodes war einst Anwalt. Doch das ist lange her. Der 49-Jährige hat sich längst «gegen das System» gestellt und mit den «Oath Keepers» eine rechtsextreme amerikanische Anti-Regierungsmiliz gegründet.

Rhodes studiert an der Elite-Universität Yale Recht und schloss diese auch ab. Er arbeitete in der Folge als Anwalt in verschiedenen US-Bundesstaaten. Rhodes verlor das Vertrauen in die US-Regierung, unter anderem durch die Vorfälle am 11. September 2001. Er glaubt, dass es eine geheime Agenda der US-Regierung gibt und diese früher oder später das Kriegsrecht verhängen und Gewalt gegen die eigene Bevölkerung einsetzen wird. Deshalb gründete er 2009 die «Oath Keepers».

President Donald Trump supporter Oath Keepers founder Stewart Rhodes convicted on charges relating to the Jan. 6 riot at the U.S. Capitol, talks to reporters outside the DC Central Detention Facility, ...
Stewart Rhodes ist auf freiem Fuss.Bild: keystone

Rhodes ist der Ansicht, dass sich US-Bürgerinnen und -Bürger deshalb selbst organisieren müssen, um sich zu wehren, wenn es so weit ist. Er erklärte in der Vergangenheit unter anderem, dass der Holocaust hätte verhindert werden können, wenn die deutsche Bevölkerung sich selbst bewaffnet und Adolf Hitler ausgeschaltet hätte, bevor dieser ein totalitäres System errichtete.

Rhodes war einer der Drahtzieher des Kapitolaufstands – und wurde deswegen 2022 zu 18 Jahren Haft verurteilt. Seit gestern ist er auf freiem Fuss.

Henry Tarrio

Henry «Enrique» Tarrio ist in Miami in Florida aufgewachsen. Er hat Wurzeln in Kuba. Von 2018 bis 2021 befehligte er die «Proud Boys» als Anführer, eine ebenfalls rechtsextreme Miliz in den USA. Diese glauben an die Verschwörungserzählung, wonach insbesondere weisse Männer in der westlichen Kultur von der Auslöschung bedroht seien.

FILE - Proud Boys leader Henry "Enrique" Tarrio wears a hat that says The War Boys during a rally in Portland, Ore., Sept. 26, 2020. Tarrio, the former top leader of the Proud Boys, will rem ...
Und Henry Tarrio ebenfalls.Bild: keystone

Tarrio hatte bereits vor den Ereignissen am Kapitol einen Bezug zu Donald Trump, er sass nämlich auch dem Ableger der Organisation «Latinos for Trump» in Florida vor und kandidierte für Republikaner erfolgslos bei lokalen Wahlen.

Auch Tarrio gilt als einer der Drahtzieher des Kapitol-Sturms. Er wurde 2023 zu 22 Jahren Haft verurteilt – die längste Strafe aller Beteiligten. Nun ist auch Tarrio auf freiem Fuss nach der Begnadigung durch Trump.

Rhodes und Tarrio waren zwar selbst nicht bei der Randale dabei. Sie orchestrierten aber aus dem Hintergrund ihre Leute, die teils in voller Kampfausrüstung am Kapitol erschienen und die Attacke lange vorbereitet hatten. Sowohl Rhodes als auch Tarrio wurden unter anderem wegen «aufrührerischer Verschwörung» schuldig gesprochen – ein Straftatbestand, der in der Justizgeschichte der USA zuvor nur selten zum Einsatz kam.

Ihnen wurde vorgeworfen worden, ein Komplott geschmiedet zu haben – mit dem Ziel, den Machtwechsel nach der Präsidentenwahl 2020 mit Gewalt zu verhindern. Nun sind sie freie Männer.

Die Rechtsextremen feiern

Tarrio äusserte sich kurz nach seiner Freilassung in einem Interview mit dem rechten Verschwörungstheoretiker Alex Jones. Er sei sprachlos vor Freude, sagte der Rechtsextremist da. «22 Jahre sind keine kurze Strafe. (...) Trump hat mir buchstäblich mein Leben zurückgegeben.» Mit Blick auf die Haft für ihn und andere «Proud Boys» sagte er:

«Wir sind durch die Hölle gegangen. Und ich sage euch, das war es wert.»

Auch Rhodes tauchte kurz nach seiner Freilassung aus einem Gefängnis im Bundesstaat Maryland vor einer Haftanstalt in der Hauptstadt Washington auf, um seine Solidarität mit anderen Häftlingen zu bekunden. «Präsident Trump hat das Richtige getan», sagte der Mann mit der markanten Augenklappe dort und beklagte, er und die anderen hätten keinen fairen Prozess bekommen.

Empörung bei den Demokraten

Trumps rigorose Total-Begnadigung von allen aberhunderten Straftätern vom 6. Januar 2021 überraschte selbst Leute aus seinem Umfeld. Hochrangige Demokraten und Ex-Polizisten reagierten empört und höchst alarmiert. Trump rechtfertigte seine Entscheidung und sagte, viele Strafen seien «lächerlich» und «exzessiv» gewesen. Sein Schritt beweist einmal mehr, dass der Republikaner keinen Tabubruch scheut. Es zeigt aber auch, wie lädiert das amerikanische Justizsystem ist – und wie gefährdet die amerikanische Demokratie.

In den USA fühlt sich mit Trump an der Macht mancher zurück in den «Wilden Westen» versetzt. Der Polizist Michael Fanone, der am 6. Januar 2021 am Kapitol im Einsatz war, niedergeknüppelt und mit einem Elektroschocker malträtiert wurde, sagte dem Sender CNN, er habe nach der Begnadigung seiner Peiniger nun Angst um seine Sicherheit und die seiner Kinder.

Der Hintergrund

Am 6. Januar 2021 hatten Anhänger des damaligen Präsidenten Trump den Parlamentssitz in Washington gewaltsam gestürmt. Dort war der Kongress an jenem Tag zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentenwahl 2020 gegen Trump formal zu bestätigen. Trump hatte seine Unterstützer zuvor in einer Rede und über Wochen zuvor mit unbelegten Behauptungen angestachelt, ihm sei der Wahlsieg durch Betrug gestohlen worden. Infolge der Krawalle kamen damals fünf Menschen ums Leben.

Manche der Randalierer wurden für kleinere Straftatbestände angeklagt – etwa dafür, dass sie unrechtmässig in das Kapitol eindrangen, sich Polizisten widersetzten, Scheiben einschlugen, Gegenstände im Gebäude zerstörten oder stahlen. Andere wurden wegen schwerer Straftaten verurteilt, etwa weil sie mit Stöcken, Metallstangen oder Fäusten Polizisten niederprügelten oder von langer Hand die Attacke zur Sabotage des Machtwechsels geplant hatten.

Trump hatte von Anfang an versprochen, verurteilte Anhänger von damals zu begnadigen. Er betonte aber mehrfach, er wolle sich jeden Einzelfall anzuschauen. Sein Vizepräsident J.D. Vance sagte noch wenige Tage vor der Amtseinführung in einem Fernsehinterview: «Wer an dem Tag Gewalt begangen hat, sollte natürlich nicht begnadigt werden.» Sein Chef sah das offenkundig anders und ordnete an, alle freizulassen – egal ob Gewalttäter oder nicht.

Zweifel am System

Trumps Entscheidung wirft aber auch die Frage auf, wie es um Amerikas Justizsystem bestellt ist. Ein US-Präsident hat zwar per Verfassung die Befugnis, die Strafen von Tätern, die nach Bundesrecht verurteilt wurden, zu verkürzen oder Verurteilte ganz zu begnadigen – auch nachträglich, also nach dem Verbüssen einer Strafe.

Dass Trump diese Befugnis aber nutzt, um Gewalttäter freizulassen, die amerikanische Polizeibeamte verletzt haben und die – angeheizt durch ihn selbst – versuchten, den friedlichen und demokratischen Machtwechsel in den USA zu stoppen, ist beispiellos.

Nachfragen dazu weicht Trump aus und gibt sich ahnungslos, wer genau begnadigt worden sei. Und: Er zeigt auf seinen Amtsvorgänger Biden.

Der hatte kurz vor Schluss seiner Amtszeit seinen Sohn, seine Geschwister und deren Ehepartner präventiv begnadigte, ebenso demokratische Abgeordnete und ehemalige Regierungsleute – um den Sohn vor einer Haftstrafe und alle anderen vor möglicher Strafverfolgung durch Trumps Regierung zu schützen. Dabei hatte der Demokrat das zuvor kategorisch ausgeschlossen und präventive Begnadigungen vor Jahren noch als falsch kritisiert. Seine Kehrtwende hat nicht gerade zum Vertrauen in die Gerechtigkeit der US-Justiz beigetragen.

Das System ist per se sehr politisiert. Präsidenten wählen Richter für Bundesgerichte und den Supreme Court aus und liefern sich einen Wettlauf, wer mehr Nominierungen in einer Amtszeit schafft, weil es für die Durchsetzung ihrer Politik sehr hilfreich ist, auf wohlgesonnene Richter zu treffen, wenn ihre Entscheidungen juristisch angefochten werden. Dabei bräuchten die USA gerade jetzt mehr denn je ein Justizsystem, das über jeden Zweifel erhaben ist. (sda/dpa/con)

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230 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Haarspalter
22.01.2025 07:12registriert Oktober 2020
„Vizepräsident J.D. Vance sagte noch wenige Tage vor der Amtseinführung…“

J..D. Vance muss sehr schnell lernen, dass er ab sofort überhaupt nichts mehr zu sagen hat.

Seine Rolle wird es sein, als „Mr Blue Eyes“ im Hintergrund zu strahlen, wenn sein Chef mit der Dampfwalze über das Land fährt.
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GeländeLümmel
22.01.2025 07:01registriert Oktober 2022
Der Film "The Purge" ist nicht weit von der Realität entfernt.
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Sarkasmusy
22.01.2025 07:05registriert Dezember 2020
Trump und Musk auf einer Linie, gute Nacht USA.
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