In der bald viermonatigen Amtszeit von Donald J. Trump als US-Präsident gibt es eine Konstante: Immer wenn man glaubt, es könne nicht schlimmer werden, gelingt es ihm, noch eine Schaufel draufzulegen. Diese Woche war dies der Fall, als er FBI-Direktor James Comey entliess.
Die Bestürzung ausserhalb von Trumps Fangemeinde war gross: Von einer Verfassungskrise war die Rede, von Zuständen wie in einer Bananenrepublik. Leute, die den Präsidenten näher kennen, schlossen sich dieser Beurteilung an, waren aber überhaupt nicht erstaunt. Barbara Res, eine ehemalige Vizepräsidentin von Trumps Unternehmen, bezeichnete Comeys Rauswurf gegenüber Politico als «empörend». Schockiert aber sei sie nicht.
Ein ehemaliges Mitglied von Trumps innerem Kreis bezeichnete die Entlassung als «Akt des Wahnsinns, aber so funktioniert er». Ein früherer politischer Mitarbeiter meinte, Trumps Vorgehen entspreche voll und ganz seinem Verhaltensmuster. Trump-Biographin Gwenda Blair bezeichnete die Schamlosigkeit seines Vorgehens als erstaunlich «und erstaunlich konsistent». Trump überlege andauernd, «wie er die Schachfiguren zu seinem Vorteil bewegen kann».
Ein Ausdruck wird in Zusammenhang mit dem 70-jährigen Trump immer wieder verwendet: Narzisst. Psychologen hatten bereits im Wahlkampf vor seiner Persönlichkeitsstruktur gewarnt und dabei teilweise Standesregeln verletzt, die Ferndiagnosen verbieten. Narzissten sind Menschen, die vollständig auf sich selbst bezogen sind. Ihr Denken und Handeln dient nur den eigenen Zielen. Von ihren Mitmenschen erwarten sie Bewunderung und Unterordnung.
Donald Trump, der einst mit einem hübschen Startkapital von Papa Fred ins Immobiliengeschäft in New York eingestiegen war, hat zeitlebens praktisch nur für sich selbst gearbeitet. Sein Arbeitsumfeld sei «von Konkurrenzdenken und Chaos» geprägt gewesen, schreibt Politico. Dabei habe Trump stets und in erster Linie darauf geachtet, sich selbst zu schützen, sagte Jack O'Donnell, ein ehemaliger Manager von Trumps Casinos in Atlantic City.
Die Loyalität seiner Mitarbeiter sei für Donald Trump ein zentrales Anliegen gewesen, schreibt die «New York Times». Die Zeitung berichtet über ein Abendessen mit James Comey, das sieben Tage nach der Vereidigung des Präsidenten stattfand. Dabei habe Trump von Comey genau das verlangt: Loyalität. Doch der Direktor der Bundespolizei muss in erster Linie unabhängig sein. James Comey habe ihm nur Ehrlichkeit garantiert, so die «New York Times».
Das Weisse Haus bestreitet diese Version, die von zwei Quellen bestätigt wird. Trump behauptete im Interview mit dem Fernsehsender NBC, er habe Comey nur gefragt, ob gegen ihn ermittelt werde. Allein mit dieser Frage bewegte er sich in einer juristischen Grauzone. Comey habe ihm versichert, dies sei nicht der Fall. Offenbar tat er dies zwei weitere Male, wie Trump in seinem Entlassungsschreiben festhielt. Auch diese bizarre Passage sagt einiges aus über seinen Narzissmus.
In Donald Trumps Welt ist Eigennutz die grösste aller Tugenden. Das bestätigte Tony Schwartz, der Trumps Buch «The Art of the Deal» als Ghostwriter verfasst hatte, vor einigen Tagen bei einem Auftritt an der Universität St.Gallen. Das Psychogramm, das er von seinem ehemaligen Auftraggeber zeichnete, habe dem Publikum «die Haare zu Berge» stehen lassen, schreibt die NZZ.
Schwartz schilderte Trumps gestörtes Verhältnis zu Wahrheit und Fakten. Schon bei der Arbeit zum 1987 erschienenen Buch habe er eigentlich nie jemanden gefunden, der ihm Trumps Version der Ereignisse hätte bestätigen können. Trump sei alles andere als eine Führungspersönlichkeit. Er sei nicht nur hochgradig ignorant, sondern habe kein Gewissen, keine Werte und keine Empathie, weil er völlig auf sich selber fixiert sei.
Seine Entscheidungen seien stets von zwei Motiven geprägt gewesen: Vergeltung und Eigeninteresse, schreibt Politico. Was exakt zum Rauswurf von James Comey passt. Strategisches Denken ist Donald Trump fremd, er handelt intuitiv, aus dem Bauch heraus. Er hat sich selbst als instinktgetrieben bezeichnet. «Wenn jemand eine Idee hat, sagt er: ‹Mach einfach›», erklärte seine einstige Vizepräsidentin Barbara Res. Die Idee werde weder ausgestaltet noch konkretisiert.
«Sein Motto heisse nicht ‹Anlegen, Zielen, Schiessen›, sondern ‹Anlegen, Schiessen, Zielen›», sagte Trumps früherer Pressebetreuer Alan Marcus. Mit seiner Methode Schnellschuss ist er verschiedentlich auf die Nase gefallen und nur knapp dem Bankrott entkommen. Heute aber steht ungleich mehr auf dem Spiel als in seinem früheren Leben als Immobilien- und Casinomogul.
Donald Trumps Weltbild ist geprägt vom Sozialdarwinismus. «Der Mensch ist das bösartigste aller Tiere», sagte er schon 1981 dem Magazin «People». Im Buch «Think Big» von 2007 äusserte er sich noch deutlicher: «Die Welt ist ein schrecklicher Ort.» Wenn man ganz oben sei, wollten einem schon die Freunde alles abknöpfen. «Unsere Feinde sind noch schlimmer! Man muss sich beschützen im Leben.»
Das Psychogramm, das sich aus diesen Elementen ergibt, ist verheerend: Der Führer der freien Welt ist ein paranoider Egomane, der aus dem Bauch heraus entscheidet und überall Feinde wittert. Bislang wird Donald Trump von den «Checks and Balances» der amerikanischen Demokratie in Schach gehalten. Aber wie lange noch?
Ex-Ghostwriter Tony Schwartz skizzierte in St. Gallen ein düsteres Bild. Trump könne irgendwann einen Vorwand finden, um Notrecht einzuführen und die Pressefreiheit einzuschränken. Und wenn er sich von einem ausländischen Staatschef gedemütigt fühle, sei alles möglich. Seine Reaktionen auf die Provokationen von Kim Jong Un und den Giftgasangriff in Syrien lassen schon einmal nichts Gutes erahnen.