Nicht nur die Tatsache, dass Donald Trump den FBI-Direktor völlig überraschend gefeuert hat, sondern die Art und Weise erregt die Gemüter der Amerikaner. Wenige Tage zuvor hatte er James Comey in einem Tweet noch ausdrücklich für seinen Mut bewundert und sich bei ihm bedankt, dass er ihn nicht persönlich in Verbindung mit der Untersuchung über die Machenschaften des russischen Geheimdienstes gebracht habe.
Einmal mehr stellt sich die Frage: Hat Trump ein ernsthaftes psychisches Problem? Die Frage ist keineswegs rhetorisch zu verstehen. Immerhin haben mehr als 50'000 professionell mit Psychiatrie beschäftigte Menschen eine Petition unterzeichnet, in der steht, dass Trump «zu geisteskrank sei, um die Pflichten eines Präsidenten erfüllen zu können und deshalb von seinem Amt entfernt» werden müsse.
Unter den Unterzeichnern finden sich Top-Psychiater wie der Harvard-Professor Lance Dodes. Er macht darauf aufmerksam, dass Trump vollkommen kritikunfähig sei und sich nur mit Jasagern umgebe, die ihn von der Realität abschirmen. «Wenn man einen Präsidenten hat, der jedes Mal in eine paranoide Wut gerät, wenn er angegriffen wird, dann ist das die Art und Weise, wie man einen Krieg beginnt», warnt Dodes.
Es braucht keine Ferndiagnose eines Psychiaters, um ernsthafte Zweifel an Trumps Geisteszustand zu haben. «New York Times»- Kolumnist Thomas Friedman hat kürzlich eine Reihe von politischen Aktionen dafür aufgezählt. Trumps abrupte Kehrtwendungen bezüglich China, seine krankhaften und unnötigen Lügen, seine Bewunderung für Diktatoren: «Ist das eine politische Strategie oder ein Zeichen für ein psychisches Problem? Ich habe keine Ahnung», so Friedman.
Was also, wenn Trump tatsächlich einen Sprung in der Schüssel haben sollte? Dieser Frage ist Evan Osnos im Magazin «The New Yorker» nachgegangen. Hier ist seine Antwort. Nach dem Mord an John F. Kennedy stellte sich die Frage: Was, wenn der Präsident überlebt hätte, aber nie mehr richtig aus einem Koma erwacht wäre?
Damals hätte es keine verfassungsmässige Möglichkeit gegeben, ihn aus seinem Amt zu entfernen. 1967 wurde deshalb das 25. Amendment (Zusatz) zur Verfassung geschaffen. Es besagt, dass ein Präsident entlassen werden kann, «wenn er nicht mehr in der Lage ist, seine Pflichten zu erfüllen». Die Beurteilung obliegt dem Vize-Präsidenten und der Mehrheit der Kabinetts-Mitglieder, unterstützt von einem professionellen Team.
Sollte sich der Präsident gegen seine Entlassung zur Wehr setzen, dann hat der Kongress drei Wochen Zeit darüber zu befinden. Für eine Entlassung braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Entscheid ist nicht anfechtbar.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das 25. Amendment tatsächlich angewandt wird, ist grösser als erwartet. Im Jahr 2006 haben Psychiater der Duke University eine Studie veröffentlicht, die zum Schluss kommt, dass rund die Hälfte aller amerikanischen Präsidenten zu einem Zeitpunkt psychisch angeschlagen waren.
Ein bekanntes Beispiel ist Ronald Reagan. Er verstarb an Alzheimer. Erste Anzeichen davon waren schon erkenntlich, als er noch im Weissen Haus war. Sein Stabschef Howard H. Baker alarmierte deshalb das Kabinett. Eine ausgewählte Gruppe beschloss darauf, Reagan anlässlich eines Diners genau zu beobachten. An diesem Abend war der Präsident jedoch in bester Form, das Verfahren wurde eingestellt.
Die zweite Art, einen Präsidenten aus dem Oval Office zu entfernen, ist das Impeachment. Dabei handelt es sich formal um einen juristischen Prozess, doch tatsächlich geht es um eine politische Abrechnung. Bei einem Impeachment muss das Abgeordnetenhaus – das amerikanische Pendant zum Nationalrat – beschliessen, ein solches Verfahren einzuleiten. Der Senat – das amerikanische Pendant zum Ständerat – muss schliesslich einem Impeachment zustimmen, ebenfalls mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit.
Gründe für ein Impeachment hat Trump schon zuhauf geliefert: die leidige Sache mit dem russischen Geheimdienst, die Vermischung von privaten und staatlichen Interessen, die Weigerung, seine Steuern offen zu legen, die unbewiesenen Anschuldigungen an seinen Vorgänger Barack Obama, um nur die offensichtlichsten zu nennen.
Trotzdem ist ein Impeachment vorläufig noch wenig wahrscheinlich. Das von den Republikanern beherrschte Abgeordnetenhaus wird sich hüten, den Präsidenten stürzen zu wollen. Doch das kann sich ändern. Sollten die Republikaner bei den Zwischenwahlen im nächsten Jahr die Mehrheit verlieren – ein durchaus realistisches Szenario – dann werden die Demokraten sofort ein Impeachment einleiten – und die Republikaner hätten dann wenig Grund, sich dagegen zu stemmen.