Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen des umstrittenen neuen Hochschulgesetzes eingeleitet.
Ein entsprechendes Schreiben sei an die Regierung in Budapest gesandt worden, erklärte EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel.
Das Hochschulgesetz könnte das Aus für eine vom US-Milliardär George Soros gegründete Universität in Budapest bedeuten und war auch international auf Kritik gestossen.
Mit dem Gesetz wird die Befugnis von Universitäten mit Hauptsitz ausserhalb der EU eingeschränkt, ungarische Abschlüsse zu verleihen. Zudem wird vorgeschrieben, dass ausländische Universitäten, die in Ungarn agieren, auch einen Campus in ihrem Heimatland haben müssen.
Der aus Ungarn stammende Soros hatte die Universität CEU 1991 gegründet. An der angesehenen Hochschule studieren rund 1800 Studenten aus etwa hundert Ländern. Die Universität sieht ihre Existenz durch das neue Gesetz bedroht.
Kritik an dem Gesetz kam unter anderem aus Washington und Brüssel. Auch mehr als 900 Akademiker aus aller Welt unterzeichneten einen Protestbrief an die rechtsgerichtete Regierung.
Die EU-Kommission hatte das Gesetz in den vergangenen Wochen genau geprüft. Sie kam zu dem Schluss, dass es Binnenmarkt-Regeln ebenso verletze wie die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, die akademische Freiheit sowie das Recht auf Bildung.
Ausserdem beeinträchtige das Gesetz die in der europäischen Grundrechte-Charta verankerte unternehmerische Freiheit und verstosse gegen internationale Handelsabkommen.
Orban wies am Mittwoch die Kritik entschieden zurück. Das Hochschulgesetz betreffe alle ungarischen Hochschulen und nicht nur die eines «amerikanischen Finanzspekulanten», sagte er vor dem EU-Parlament in Brüssel - in Anspielung auf den Gründer der Central European University in Budapest, George Soros. Ziel des Gesetzes sei es, «Spekulationen und Privilegien» ein Ende zu bereiten.
Orban verteidigte auch die von seiner Regierung gestartete Bürgerbefragung «Stoppt Brüssel». Die Ungarn sollten mit konkreten Fragen zum Funktionieren der EU befragt werden. Vieles funktioniere heute schlecht, daher müsse die EU reformiert werden. Darauf ziele die Bürgerbefragung ab. «Das ist ja wohl kein Verbrechen.»
Erneut wies Orban Kritik an der Weigerung seiner Regierung zurück, sich an der Umverteilung der Flüchtlinge in der EU zu beteiligen. Dass die Europäische Union Migranten nach Ungarn schicken wolle, sei mit den EU-Verträgen «nicht vereinbar.»
Zur von Brüssel ebenfalls kritisierten Einschränkung der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen sagte Orban, es gehe ihm darum, die «Arbeit ausländischer Lobbys transparenter» zu machen. «Wir wollen wissen, welche Finanzen und welche Interessen dahinter stecken.» (sda/afp/dpa/reu)