Eine Frau, die nicht fotografiert werden möchte und die nur mit mir flüstert, zeigt mir ihren Wahlzettel. Darauf steht: «Emmanuel Macron.» Auf meine Frage, wen sie im ersten Wahlgang gewählt hat, antwortet sie: «Das weiss ich nicht mehr.»
Hier im 16. Arrondissement von Paris hat im ersten Wahlgang vor zwei Wochen sehr deutlich François Fillon gewonnen – genau wie auch im 7ème, 8ème und 17ème Arrondissement. In einigen Wahllokalen räumte der konservative Kandidat bis zu 70 Prozent der Stimmen ab. Doch wen wählen die Fillon-Anhänger jetzt, wo ihr Kandidat aus dem Rennen ist?
Die 75-jährige Danielle sagt: «Ich habe meinen Zettel für Macron eingeworfen. Es muss sich etwas ändern und ich hoffe und glaube, dass Macron gewinnen wird.» Le Pen könne sie auf keinen Fall unterstützen, die ertrage sie nicht. «Wir haben grosse Probleme in unserem Land, aber Macron könnte etwas verändern.» Es störe sie, dass viele Leute über ihn lästern, weil seine Frau so viel älter ist als er. Sie störe das nicht. Schliesslich gehe es hier auch nicht um sein Privatleben.
Eine junge Frau ist mit ihrer Tochter zur Wahl gekommen. Erst will sie nicht über ihre Wahl sprechen, dann sagt sie aber: «J'ai voté pour le bon, pour le démocrate – ich habe den richtigen gewählt, den Demokraten». Ihrer Meinung nach wird Macron etwas bewegen, weshalb sie auch schon im ersten Wahlgang für ihn gestimmt hatte.
Der 56-jährige Arno hat im ersten Wahlgang ebenfalls Fillon unterstützt. Nun ging seine Stimme an Macron. Über Le Pen sagt er: «Elle est trop nul, elle est trop dangereuse – Sie ist zu schlecht, sie ist zu gefährlich.»
Le Pen scheint hier im 16. Arrondissement wenig Rückhalt zu haben. Von den zwei Dutzend befragten Parisern hat kein Einziger für sie gestimmt, oder es zumindest nicht verraten. Diesem Eindruck nach wäre das Ergebnis ziemlich eindeutig. Allerdings ist Paris nicht ganz Frankreich. Schon nach dem ersten Wahlgang landete Le Pen in Paris lediglich auf dem fünften Platz. Es bleibt also abzuwarten, wie der Rest Frankreichs wählt.