Die Taktik war von Anfang an klar. Marine Le Pen hatte auch nicht im Entferntesten vor, etwas Konstruktives an der Diskussion beizutragen, sondern nur ihren Gegner zu zerstören. Macron sei schuld an allem, wollte die Kandidatin des ultrakonservativen Front National dem Fernsehzuschauer klar machen.
Sie eröffnete die TV-Debatte mit: «Herr Macron ist der Kandidat der wilden Globalisierung, der Uberisierung, der Prekarität, der sozialen Brutalität, des Krieges aller gegen alle, der wirtschaftlichen Plünderung.»
Le Pens Plan: Macron in dieselbe Ecke wie den äusserst unpopulären Präsidenten François Hollande stellen, dessen Partei in den Vorwahlen gerade grandios scheiterte. Denn der 39-jährige Präsidentschaftskandidat arbeitete bis im August 2016 für die aktuelle Regierung als Wirtschaftsminister, ehe er seine eigene Partei «En Marche !» gründete und in den Wahlkampf zog.
Macron sei der Liebling des «Systems und der Eliten», schimpfte Le Pen. Sie flirtete gar mit einer Verschwörungstheorie und behauptete, der Präsident würde Macron «fernsteuern».
Le Pen bezichtigte Macron des «europäischen Extremismus». Er unterwerfe sich Deutschland und Angela Merkel. Sie scherzte: «So oder so wird Frankreich künftig von einer Frau regiert – entweder von mir oder von Frau Merkel.»
Die 48-Jährige wurde nicht müde zu betonen, Macrons Philosophie sei es, alles zu verkaufen. Nicht zuletzt ans Ausland. Es gehe ihm nur um den Profit. «Alles steht zum Verkauf: Die Leute, die Geschäfte!» Und der Euro sei sowieso nur «die Währung der Bankiers», sagte die Rechtspopulistin die eine Rückkehr zum Franc möchte.
Und weil momentan keine politische Angstmacherei ohne das Thema Terrorismus komplett ist, griff Le Pen ihren Kontrahenten auch auf diesem Gebiet an. Sie unterstellte ihm «Gefälligkeit mit dem islamistischen Fundamentalismus».
Und wie reagierte Macron auf die pausenlosen Attacken?
Meistens mit diesem Gesicht hier, ...
Macron always looks like he's trying to scream through his eyes #2017LeDébat pic.twitter.com/S9JGqfUJOH
— Ryan Broderick (@broderick) 3. Mai 2017
... einem durchaus entnervtem «Madame Le Pen» und einem komplett anderen Narrativ. Während Le Pen alles schlecht redete, setzte Macron auf die Karte Optimismus. Le Pen verbreite den «Geist der Niederlage», er trage den «Geist der Eroberung», verkündete Macron selbstbewusst.
Frankreich sei schon immer erfolgreich gewesen, meinte der Ex-Banker, weil es in der Welt immer präsent gewesen sei. Die französische Sprache werde auf jedem Kontinent gesprochen, Frankreich sei heute die fünftstärkste Wirtschaftskraft weltweit.
Sie aber wolle die Grenzen wieder schliessen, Europa verlassen, weil für sie alles zu schwierig sei, so Macron. Sie bewirtschafte nur Probleme, präsentiere keine Lösungen. «Sie haben kein Projekt für unser Land», sagte der 39-Jährige. «Das Land verdient etwas Besseres.»
Macron warb für ein starkes Europa und warnte vor einer Abkehr des Euros. Dies wäre «tödlich» für die Kaufkraft Frankreichs, meinte der sozialliberale Reformpolitiker.
Bei der Terrorbekämpfung setzt Macron auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern. Es gehe darum, die Gefahren und Terroristen gemeinsam frühzeitig zu erkennen. Die Grenzen zu schliessen, sei keine Lösung.
Die Forderungen Le Pens seien «Augenwischerei», meinte Macron, sie spiele den Terroristen sogar in die Hände, in dem sie die Situation weiter anheize und einen «Bürgerkrieg» androhe.
Immer wieder drängte Macron seine Kontrahentin mit Detailfragen in die Ecke. Le Pen wusste sich jeweils nicht mehr anders zu wehren als mit einem hämischen Lächeln und zusammenhangslosen Schlagwörtern. Sie warf dann auch schon mal ein unpassendes «Hollande Junior» in die Runde.
Die beiden Kandidaten unterbrachen sich ständig – und die zuweilen etwas überfordert wirkenden Moderatoren dürften froh gewesen sein, als die Sendezeit vorüber war.
Die Fernsehzuschauer liessen sich von der schlechten Stimmung Le Pens nicht anstecken und sprachen sich nach der Sendung mit grosser Mehrheit für Macron aus. 63 Prozent der Zuschauer fanden, dass der Kandidat von «En Marche !» besser abgeschnitten hatte als seine Kontrahentin vom «Front National». Dies geht aus einer Umfrage des «Institut Elable» hervor, das nach der Debatte 1314 Zuschauer befragt hatte.
Laut den letzten Umfragen vor der TV-Debatte lag Macron mit rund 60 Prozent der Stimmen vorne. Er machte nach der ersten Wahlrunde den Fehler, dass er sich etwas gar überschwänglich feiern liess. Ihm wurde Überheblichkeit vorgeworfen. Dies dürfte ihm zurecht einiges an Sympathien gekostet haben.
Der Auftritt gestern machte jedoch klar, dass es für all jene, die an eine Zukunft Frankreichs glauben, eigentlich nur eine Wahl gibt. Die Alternative ist ein Schritt in die Vergangenheit ohne jegliche Vision.