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Die Entwicklung der Armut weltweit und was sich noch verbessern muss

February 17, 2024, Siaya, KENYA: A street vendor sells bananas to passengers on board a bus service at Kodiaga Province in Kenya. Gem Constituency is an electoral constituency in Kenya. It is one of s ...
Mehr als eine Billion Euro Entwicklungshilfe ist in den vergangenen 30 Jahren nach Afrika geflossen. Die Armut ist grösstenteils geblieben.Bild: www.imago-images.de

Wie sich die Armut weltweit entwickelt – und was sich immer noch verbessern muss

Die extreme Armut ist seit 1990 weltweit gesunken, dennoch sind noch immer fast 700 Millionen Menschen betroffen. Das grösste Sorgenkind ist und bleibt Afrika.
03.12.2024, 11:2403.12.2024, 13:01
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Eine Dose Bier, eine Packung Kaugummis oder Tafel Schokolade – für rund zwei Franken kann man in der Schweiz nicht viel kaufen. Eine Busfahrt kostet meist mehr und auch für einen Snack am Kiosk reicht ein Zweifränkler nicht.

Warum diese Beispiele? Es geht darum, Armut zu messen. Das ist knifflig, denn jeder empfindet sie anders. Hunger, Krankheiten oder Angst sind schwer messbar. Darum gibt es international akzeptierte Kriterien, die dabei helfen, zu erfassen, was Armut ist und wer als arm gilt.

Nach der Definition der Weltbank⁠ leben Menschen in absoluter Armut, wenn sie weniger als 2.15 US-Dollar pro Tag zur Verfügung haben. Bei diesem Ansatz wird die Kaufkraft des US-Dollars in lokale Kaufkraft umgerechnet. Das heisst, dass extrem arme Menschen nicht in der Lage sind, sich täglich die Menge an Gütern zu kaufen, die in den USA 2.15 US-Dollar kosten würden oder in der Schweiz eben rund zwei Franken.

Die 2.15-Dollar-Grenze wird als finanzielles Minimum angesehen, das eine Person zum Überleben benötigt. Durch die Umrechnung in lokale Kaufkraft können die Armutsquoten international verglichen und so die global ärmsten Länder bestimmt werden.

Seitdem die Weltbank im Jahr 1990 begonnen hat, weltweit Daten zur Armut zu sammeln, ist die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, deutlich gesunken. Vor 34 Jahren lebten noch rund zwei Milliarden Menschen in extremer Armut, 2019 waren es 648 Millionen. Die Corona-Pandemie ab 2020 hat dann zu einem Rückschlag geführt. Weltweit stieg die Zahl der extrem armen Menschen um rund 70 Millionen an.

Inzwischen sieht es wieder etwas besser aus. Im Jahr 2024 leben schätzungsweise 692 Millionen Menschen in absoluter Armut. Das Vor-Pandemie-Niveau ist damit wieder erreicht, trotzdem sind noch immer zwischen 8,4 und 8,5 Prozent der Weltbevölkerung von extremer Armut betroffen.

Afrika bleibt das grosse Sorgenkind

Vom starken Rückgang der Armut profitieren aber längst nicht alle Weltregionen gleichermassen. Viel eher verläuft die Entwicklung nach dem Motto: Wer hat, dem wird gegeben. In Ländern mit hohen und mittleren Einkommen ging die Armut dank umfangreicher Sozialhilfeprogramme zurück, in Ländern mit geringen Einkommen nahmen sie teilweise gar noch zu.

Grosse Erfolge vermeldeten in den letzten Jahren Indien und China. Allein im «Reich der Mitte» konnten seit 1990 dank der Marktliberalisierung und einem anhaltenden Wirtschaftswachstum über 500 Millionen Menschen aus der extremen Armut befreit werden. Doch es ist längst nicht alles Gold, was glänzt: Zum einen ist unklar, wie verlässlich die Zahlen aus China sind, zum anderen haben viele Chinesinnen und Chinesen nun drei oder vier Dollar pro Tag zur Verfügung, was auch nur knapp zum Überleben reicht.

Noch schwieriger ist die Situation allerdings in Afrika: Zwischen 1990 und 2019 ist die extreme Armut auf dem zweitgrössten Kontinent zwar von 50 Prozent auf 23 Prozent zurückgegangen. Doch wegen des Bevölkerungswachstums leben – in absoluten Zahlen – immer noch mehr Arme in Afrika als 1990. Besonders schlecht ist die Lage in den Ländern südlich der Sahara, wie das Ranking der ärmsten Länder der Welt zeigt.

Massgeschneiderte Lösungsansätze

Die Gründe sind vielfältig: In vielen Subsahara-Staaten macht die Landwirtschaft einen Grossteil des wirtschaftlichen Einkommens aus. Gleichzeitig wird diese durch extreme Naturkatastrophen wie Wirbelstürme und Dürren immer stärker gefährdet. Zudem ist die politische Lage vielerorts extrem instabil, und falls ein Land dank genügend Stabilität ein Wirtschaftswachstum erzielen kann, kommt dieses oft nur bei wenigen Privilegierten an.

Die Folgen: Viele Menschen können sich nicht ausreichend mit Nahrung versorgen, worunter vorwiegend die Kinder leiden. In Madagaskar ist beispielsweise fast jedes zweite Kleinkind mangelernährt. Zudem ist oft der Zugang zu sauberem Trinkwasser, Sanitäranlagen und Bildung beschränkt. Zwar gab es in den letzten Jahren zahlreiche vielversprechende Entwicklungshilfeprojekte, doch nur die wenigsten entpuppten sich als wirklich nachhaltig.

U.S. actress and UNHCR Goodwill Ambassador Angelina Jolie (R) holds the hand of her son Maddox at Africa Calling, one of the Live 8 concerts, at the Eden Project in Cornwall, south-west England, July  ...
Auch Angelina Jolie konnte Afrika nicht retten, wie der «Spiegel» schreibt.Bild: keystone

Gemäss der Weltbank wird die extreme Armut zwar auch in den kommenden Jahren weiter sinken. Das erklärte Ziel, sie bis 2030 komplett zu eliminieren, ist aber nicht zu erreichen. Halten die derzeitigen Trends an, werden bis 2030 noch immer über 600 Millionen Menschen in extremer Armut leben.

Was muss also besser werden? Eine allumfassende Antwort auf diese Frage ist leider nicht möglich. Gemäss UN-Experten braucht es zur Bekämpfung der weltweiten Armut massgeschneiderte Lösungsansätze in unterschiedlichen Bereichen und Ländern. Unabdingbar sind dabei der Schutz und die Gewährleistung aller Menschenrechte, eine funktionierende Gesundheitsversorgung, eine leistungsfähige Wirtschaft, ein fairer Handel, eine stabile politische Lage sowie eine starke Zivilgesellschaft.

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Ab wann gilt man in der Schweiz eigentlich als arm?
Video: srf
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66 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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03.12.2024 12:07registriert September 2023
Für mich ist und bleibt die unkontrollierte Vermehrung das Hauptproblem. In Grossbritannien liegt der Beweis. Zu Beginn der industriellen Revolution war das Massenelend riesig. Je mehr Mäuler zu stopfen waren, desto weniger Zeit, um für die damaligen Hungerlöhne zu arbeiten und die vielen Familienmitglieder zu ernähren. Als es losging mit der Geburtenkontrolle, stieg auch der Lebensstandard. Oder warum heisst es in der wohlhabenden Schweiz im 21. Jh.: Kinder muss man sich leisten können?
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Dave Hawtin
03.12.2024 16:42registriert Dezember 2021
1660 Gab es in Afrika total etwa 250 Millionen Menschen. Heute hat Afrika 1.15 Milliarden oder 1150 Millionen Mneschen. Die Population hat sich verfünffacht. und es leben JETZT dort mehr Menschen in bitterer Armut, als es 1960 überhaupt Menschen in Afrika gab. Die Armut hat sich in absoluten Zahlen vervielfacht wegen der Geburtenrate. Wir im Westen können auch noch die nächsten 60 Jahre Geld spenden und weiter zusehen, wie sich die Armut selbst vervielfältigt oder wir erkennen endlcih das Problem, dass Entwicklungshife nichts bringt. China hat mit der 1 Kind Politik der Bev. Wohlstand gebracht
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