Eine Dose Bier, eine Packung Kaugummis oder Tafel Schokolade – für rund zwei Franken kann man in der Schweiz nicht viel kaufen. Eine Busfahrt kostet meist mehr und auch für einen Snack am Kiosk reicht ein Zweifränkler nicht.
Warum diese Beispiele? Es geht darum, Armut zu messen. Das ist knifflig, denn jeder empfindet sie anders. Hunger, Krankheiten oder Angst sind schwer messbar. Darum gibt es international akzeptierte Kriterien, die dabei helfen, zu erfassen, was Armut ist und wer als arm gilt.
Nach der Definition der Weltbank leben Menschen in absoluter Armut, wenn sie weniger als 2.15 US-Dollar pro Tag zur Verfügung haben. Bei diesem Ansatz wird die Kaufkraft des US-Dollars in lokale Kaufkraft umgerechnet. Das heisst, dass extrem arme Menschen nicht in der Lage sind, sich täglich die Menge an Gütern zu kaufen, die in den USA 2.15 US-Dollar kosten würden oder in der Schweiz eben rund zwei Franken.
Die 2.15-Dollar-Grenze wird als finanzielles Minimum angesehen, das eine Person zum Überleben benötigt. Durch die Umrechnung in lokale Kaufkraft können die Armutsquoten international verglichen und so die global ärmsten Länder bestimmt werden.
Seitdem die Weltbank im Jahr 1990 begonnen hat, weltweit Daten zur Armut zu sammeln, ist die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, deutlich gesunken. Vor 34 Jahren lebten noch rund zwei Milliarden Menschen in extremer Armut, 2019 waren es 648 Millionen. Die Corona-Pandemie ab 2020 hat dann zu einem Rückschlag geführt. Weltweit stieg die Zahl der extrem armen Menschen um rund 70 Millionen an.
Inzwischen sieht es wieder etwas besser aus. Im Jahr 2024 leben schätzungsweise 692 Millionen Menschen in absoluter Armut. Das Vor-Pandemie-Niveau ist damit wieder erreicht, trotzdem sind noch immer zwischen 8,4 und 8,5 Prozent der Weltbevölkerung von extremer Armut betroffen.
Vom starken Rückgang der Armut profitieren aber längst nicht alle Weltregionen gleichermassen. Viel eher verläuft die Entwicklung nach dem Motto: Wer hat, dem wird gegeben. In Ländern mit hohen und mittleren Einkommen ging die Armut dank umfangreicher Sozialhilfeprogramme zurück, in Ländern mit geringen Einkommen nahmen sie teilweise gar noch zu.
Grosse Erfolge vermeldeten in den letzten Jahren Indien und China. Allein im «Reich der Mitte» konnten seit 1990 dank der Marktliberalisierung und einem anhaltenden Wirtschaftswachstum über 500 Millionen Menschen aus der extremen Armut befreit werden. Doch es ist längst nicht alles Gold, was glänzt: Zum einen ist unklar, wie verlässlich die Zahlen aus China sind, zum anderen haben viele Chinesinnen und Chinesen nun drei oder vier Dollar pro Tag zur Verfügung, was auch nur knapp zum Überleben reicht.
Noch schwieriger ist die Situation allerdings in Afrika: Zwischen 1990 und 2019 ist die extreme Armut auf dem zweitgrössten Kontinent zwar von 50 Prozent auf 23 Prozent zurückgegangen. Doch wegen des Bevölkerungswachstums leben – in absoluten Zahlen – immer noch mehr Arme in Afrika als 1990. Besonders schlecht ist die Lage in den Ländern südlich der Sahara, wie das Ranking der ärmsten Länder der Welt zeigt.
Die Gründe sind vielfältig: In vielen Subsahara-Staaten macht die Landwirtschaft einen Grossteil des wirtschaftlichen Einkommens aus. Gleichzeitig wird diese durch extreme Naturkatastrophen wie Wirbelstürme und Dürren immer stärker gefährdet. Zudem ist die politische Lage vielerorts extrem instabil, und falls ein Land dank genügend Stabilität ein Wirtschaftswachstum erzielen kann, kommt dieses oft nur bei wenigen Privilegierten an.
Die Folgen: Viele Menschen können sich nicht ausreichend mit Nahrung versorgen, worunter vorwiegend die Kinder leiden. In Madagaskar ist beispielsweise fast jedes zweite Kleinkind mangelernährt. Zudem ist oft der Zugang zu sauberem Trinkwasser, Sanitäranlagen und Bildung beschränkt. Zwar gab es in den letzten Jahren zahlreiche vielversprechende Entwicklungshilfeprojekte, doch nur die wenigsten entpuppten sich als wirklich nachhaltig.
Gemäss der Weltbank wird die extreme Armut zwar auch in den kommenden Jahren weiter sinken. Das erklärte Ziel, sie bis 2030 komplett zu eliminieren, ist aber nicht zu erreichen. Halten die derzeitigen Trends an, werden bis 2030 noch immer über 600 Millionen Menschen in extremer Armut leben.
Was muss also besser werden? Eine allumfassende Antwort auf diese Frage ist leider nicht möglich. Gemäss UN-Experten braucht es zur Bekämpfung der weltweiten Armut massgeschneiderte Lösungsansätze in unterschiedlichen Bereichen und Ländern. Unabdingbar sind dabei der Schutz und die Gewährleistung aller Menschenrechte, eine funktionierende Gesundheitsversorgung, eine leistungsfähige Wirtschaft, ein fairer Handel, eine stabile politische Lage sowie eine starke Zivilgesellschaft.