Diese Geschichte beginnt mit einer Zahl: 1280. So viele Menschen starben dieses Jahr bereits bei dem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen. Diese Fluchtroute ist extrem gefährlich und gilt als die tödlichste der Welt. Die internationale Organisation für Migration (IOM) der Uno zählt die Toten.
Bisher gelangten laut offiziellen Zahlen rund 89'000 Personen von der afrikanischen Küste aus über das Meer nach Italien, Spanien oder Griechenland. Die meisten über die zentrale Mittelmeerroute von Libyen oder Tunesien nach Italien. Zwar sind die aktuellen Zahlen bei Weitem nicht so hoch wie im Rekordjahr 2015. Damals wagten über eine Million Flüchtende die gefährliche Überfahrt nach Europa. Allerdings steigen die Zahlen wieder, nachdem sie in den vergangenen Jahren rückläufig waren.
Vor allem in Tunesien mehrten sich in den vergangenen Tagen Berichte von gekenterten Booten mit mehreren Todesopfern. Vor einem Monat ertranken zwei Mütter mit ihren Kleinkindern vor der tunesischen Insel Kerkenna. 30 weitere Insassen gelten noch immer als verschollen. Am Donnerstag meldeten tunesische Medien, dass ein nach Italien fahrendes Boot vor der tunesischen Küste sank. Die Seewache rettete 14 Menschen, mindestens 11 Personen starben, weitere 12 werden vermisst.
Diese Ereignisse haben in der Küstenstadt Zarzis im Osten Tunesiens für Proteste gesorgt. Die Ortschaft gilt als bekannter Ausgangsort für die gefährlichen Fahrten über das zentrale Mittelmeer nach Italien. Immer wieder werden die Körper von toten Menschen an Zarzis Strände geschwemmt oder von Fischern aus dem Meer gezogen. Vergangene Woche zogen einige Mütter der Ertrunkenen oder Vermissten durch die Strassen. Begleitet von Fischermännern und Aktivistinnen.
Die Frauen trugen T-Shirts mit den Gesichtern ihrer toten Söhne aufgedruckt oder schwenkten Fotos von vermissten Angehörigen. Sie forderten ein Ende der Gewalt gegen Migranten, sichere Fluchtwege und schimpften über die Frontex. Die europäische Grenzschutzagentur wird immer wieder dafür kritisiert, mit paramilitärischen Strukturen in Libyen und Tunesien zu kooperieren, die gewalttätig gegen Migranten vorgehen.
We are marching through Zarzis in Tunisia today. The mothers of the disappeared lead the way, followed by the fishermen of #Zarzis and activist supporters from around the world. #CommemorAction pic.twitter.com/bNtyiV48E5
— Maurice Stierl (@MauriceStierl) September 6, 2022
Der Protest drang offenbar bis zu hohen Beamten der Flüchtlingsorganisation der Uno vor. Vincent Cochetel, der UNHCR-Sonderbeauftragte für die Lage im westlichen und zentralen Mittelmeerraum, schrieb daraufhin auf Twitter:
Die Reaktionen auf diese Aussage liessen nicht lange auf sich warten. Viele zeigten sich entsetzt, dass solche Worte ausgerechnet von einem Uno-Vertreter kommen, der eigentlich für die Anliegen von Geflüchteten einstehen sollte.
Wow! This not only demonstrates complete professional incompetence and detachment from the field and the people you supposedly work for, but is also utterly disrespectful.
— borderline-europe (@BorderlineEurop) September 6, 2022
Auch einige der angegriffenen Mütter meldeten sich später über die Webseite der Nichtregierungsorganisation «Mediterranea Saving Humans» zu Wort. Jalila Taamallah schrieb: «Es ist das Visum- und Grenzsystem, das unsere Söhne gefährdet. Nicht ihre Mütter.» Und Hajer Ayachi:
Nachdem verschiedene Medien über Cochetels Kommentar berichtet hatten, schaltete sich die Pressestelle des UNHCR ein und publizierte auf ihrer Homepage eine Entschuldigung. «Wir entschuldigen uns für die Äusserungen unseres Sondergesandten. Sie spiegeln in keiner Weise die Position des UNHCR wider.» Man unterstütze auch nicht die strafrechtliche Verfolgung von Familienmitgliedern, die ihre Angehörigen verloren haben.
Auch der Sonderbeauftragte selbst setzte daraufhin erneut einen Tweet ab. Angesichts der heftigen Kommentare auf seine Nachricht müsse er sagen, dass sein Kommentar unangemessen gewesen sei. «Mein Beileid gilt insbesondere den Müttern, die ihre Kinder verloren haben. Meine Frustration über den Verlust so vieler Menschenleben und die Straffreiheit, die Schmuggler geniessen, rechtfertigen meine Worte nicht», so Cochetel.
Den Betroffenen reicht diese Entschuldigung nicht. Sie fordern den Rücktritt des Sonderbeauftragten.
Ja, auch wenn das vielen nicht gefallen mag, widerspricht sich das nicht,denn er ist eben genau für FLÜCHTLINGE verantwortlich und zu 99% erhält keiner dieser tunesischer Söhne Asyl. Es gibt keinen Krieg in diesem Land. Sie sollten besser gegen ihre eigene korrupte Regierung protestieren die ihr Land nicht weiter bringt kann wie es scheint