2024 war ein Jahr der Krisen – wachsende autoritäre Tendenzen, Unterdrückung und bewaffnete Konflikte überschatteten positive Entwicklungen und beschnitten die Menschenrechte weltweit. Aber es war auch ein Jahr der Courage von Menschen, die sich gegen Unterdrückung stellen und für Fortschritt eintreten. So schreibt es die Chefin der NGO Human Rights Watch in ihrem einleitenden Essay zum World Report 2025.
Wie steht es um die Menschenrechte im Jahr 2024? Und welche positiven Entwicklungen gab es? Wir haben die wichtigsten Punkte des Reports zusammengefasst.
Manche mögen sich an die dramatischen Szenen erinnern, die sich im Sommer 2021 auf dem Flughafen von Kabul abspielten: Tausende Menschen stürmten verzweifelt das Rollfeld, trampelten sich gegenseitig nieder und klammerten sich an die Tragflächen startender Flugzeuge.
Die Machtübernahme der Taliban nach fast zwei Jahrzehnten hat das Land in eine tiefe Krise gestürzt. Insbesondere die Rechte von Frauen und Mädchen sind praktisch inexistent.
2024 intensivierten die Taliban die Unterdrückung weiter und verboten es Frauen, ein Medizinstudium zu absolvieren. Damit verschwand eines der letzten Schlupflöcher für Frauen, die studieren und arbeiten wollten. Eine verheerende Eskalation in einem Land, in dem Frauen grundsätzlich nur von Frauen behandelt werden dürfen und Verhütungsmittel nicht erlaubt sind.
China erreichte eine neue Stufe der Repression, als die pekingtreue Führung in Hongkong im März 2024 beschloss, das umstrittene «Sicherheitsgesetz» auszuweiten. Das Gesetz erleichtert es dem Regime, gegen kritische Stimmen vorzugehen und sieht harte Strafen für Handlungen vor, die als Gefahr für die nationale Sicherheit eingestuft werden. So kann de facto alles kriminalisiert werden, was sich gegen die autoritäre Führung richtet.
In der Folge verurteilte China Dutzende Oppositionelle in einem Massenprozess zu hohen Haftstrafen. Damit hat die chinesische Führung unter Xi Jinping die einst vergleichsweise hohen bürgerlichen Freiheiten in der Sonderzone praktisch abgeschafft.
Auch die Lage der in China lebenden Uiguren, einer ethnischen Minorität, hat sich laut Human Rights Watch 2024 massgeblich verschlechtert. Hunderttausende litten weiterhin unter Überwachung, Gefangenschaft und Zwangsarbeit.
In Haiti existiert der Staat fast nur noch auf Papier. Rivalisierende Gangs kontrollieren die Hauptstadt Port-au-Prince und versetzen die Bevölkerung in Angst und Schrecken.
2024 erreichte die Situation im Inselstaat eine neue Eskalationsstufe, als Angriffe der Bandenkoalition «Viv Ansanm» das Land zum Stillstand brachten – mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung. Kriminelle Gruppierungen töteten Tausende Menschen, rekrutierten Kinder und vergewaltigten Frauen und Mädchen.
Dennoch gab es in Haiti auch Lichtblicke: Im Juli klagte ein Richter 30 Personen, darunter einer der mächtigsten Bandenführer, Jimmy Chérizier, wegen ihrer mutmasslichen Beteiligung am Massaker von La Saline im Jahr 2018 an. Anfang Januar 2025 erhob ein weiterer Richter wegen der Ermordung des ehemaligen Präsidenten Jovenel Moïse Anklage gegen 51 Personen.
Im Sudan wütet derzeit einer der gemäss UNO brutalsten Kriege der Welt. Der Konflikt zwischen dem sudanesischen Militär (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) brach 2023 aus und hat bis heute eine der weltweit schlimmsten humanitären Katastrophen ausgelöst. In dessen Zuge kam es zu Massentötungen, sexueller Gewalt und Zwangsvertreibungen, wie Human Rights Watch schreibt.
«Jeden Tag gibt es Berichte von getöteten oder verstümmelten Kindern und schwersten Menschenrechtsverletzungen an der gesamten Bevölkerung. Aber besonders die Kinder sind dem Ganzen schutzlos ausgeliefert», beschrieb UNICEF-Geschäftsleiterin Bettina Junker die Situation gegenüber dem SRF.
Die Menschenrechtslage in Russland verschlechterte sich 2024 weiter. Im Februar starb etwa der Oppositionsführer Alexei Navalny im Gefängnis, wo er eine drakonische Strafe für seine Regimekritik verbüsste. Er wurde aller Wahrscheinlichkeit nach vergiftet.
Im März «gewann» Präsident Wladimir Putin ohne jegliche Konkurrenz die Wahl und sicherte sich seine fünfte Amtszeit.
Zudem griff Russland 2024 weiterhin grossflächig das ukrainische Energienetz, Krankenhäuser und andere Teile der Infrastruktur an – mit dem Ziel, die ukrainische Bevölkerung zu demoralisieren. Das Informationsportal «Reliefweb» schreibt von einer «alarmierenden Eskalation» von Luftangriffen, Artillerieangriffen und Bodenkämpfen im vergangenen Jahr. Dabei wurden laut Angaben mindestens 2000 Zivilisten getötet und gegen 10'000 Menschen verletzt.
In Mexiko stimmte der Kongress des Bundesstaats Mexiko für die Entkriminalisierung von Abtreibung. Mit der Gesetzesreform wurden alle strafrechtlichen Sanktionen für Schwangerschaftsabbrüche im ersten Trimester abgeschafft.
Im Dezember 2024 befand das Brüsseler Berufungsgericht die belgische Regierung für schuldig, während der belgischen Kolonialherrschaft im Kongo Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Der «Tagesanzeiger» nennt das Urteil «epochal». Fünf Frauen hatten den Staat wegen Kolonialverbrechen verklagt. Die Regierung muss den Frauen nun Entschädigungen von je 50'000 Euro zahlen.
Der Oberste Gerichtshof Nepals entschied, dass Rukshana Kapali in allen Dokumenten rechtlich als Frau anerkannt werden soll, ohne dass sie sich einer medizinischen Überprüfung unterziehen muss.
Das Urteil ist das jüngste in einer Reihe von fortschrittlichen Entscheiden rund um sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität, die Nepal einen positiven internationalen Ruf in Bezug auf LGBTQI+-Rechte eingebracht haben.
Im Juni 2024 verabschiedete die Nationalversammlung in Malawi das «Older Persons' Bill» – ein Gesetz, das das Leben der älteren Menschen verbessern soll. Es sieht unter anderem gemeinschaftliche Modelle der Altenpflege vor.
Thailand machte im Juni 2024 Schlagzeilen, als es als erstes südostasiatisches Land gleichgeschlechtliche Ehen legalisierte.
In Bangladesch führten studentische Proteste zum Rücktritt der langjährigen, autoritär regierenden Premierministerin Sheikh Hasina. Die Protestierenden widersetzten sich der gewaltsamen Niederschlagung und erzwangen die Bildung einer Übergangsregierung, die Reformen versprochen hat.